Familienplanung

Familienplanung

Als Familienplanung werden Maßnahmen von Paaren bezeichnet, die Zahl und den Zeitpunkt der Geburt von Kindern individuell zu planen. Mit dem gewandelten Familienbegriff in der westlichen Gesellschaft änderte sich in den letzten Jahren aber auch die Bedeutung von Familienplanung. Heute wird nicht mehr unbedingt eine feste (heterosexuelle) Partnerschaft für die Gründung (oder Erweiterung) der Familie vorausgesetzt (siehe auch Single Mothers by Choice, Regenbogenfamilie).

Inhaltsverzeichnis

Ausgangssituation für die Familienplanung

Für die Familienplanung sind sehr unterschiedliche Parameter entscheidend. Hierzu gehören unter anderem neben der grundsätzlichen Übereinstimmung der Einstellungen beider Partner die persönlichen Ziele, Wertvorstellungen, Wünsche, die berufliche Karriere, Möglichkeiten der Kinderbetreuung und die Lebensplanung im Allgemeinen. Aber auch die objektive und subjektive persönliche Reife sowie das soziale Umfeld sind wichtige Faktoren, die bei der Familienplanung eine Rolle spielen.

Für die Familienplanung entscheidend ist die Trennung von Sexualität und Fortpflanzung. Die Methoden der Empfängnisregelung sind hier wichtigstes Mittel. Insbesondere die hormonell wirkende Antibabypille, die in den 1960er Jahren eingeführt wurde, aber auch andere hormonelle Verhütungsmethoden, Sterilisation von Frau und Mann sowie moderne Kondome erlauben den freizügigeren und unbeschwerteren Umgang mit der Sexualität. Gleichzeitig geben sie Paaren und insbesondere Frauen die Möglichkeit, mit größerer Freiheit über ihre Fortpflanzung selbst zu entscheiden.
Der Schwangerschaftsabbruch ist in den meisten Gesellschaften nur in Ausnahmesituationen akzeptiert und wird auch aus medizinischer Sicht nicht als Methode zur Familienplanung angesehen.

Ungewollte Kinderlosigkeit wird in den heutigen westlichen Gesellschaft oft nicht mehr als gottgewolltes Schicksal, sondern als medizinisches Problem angesehen, das mit Mitteln wie zum Beispiel der In-vitro-Fertilisation und der Samenspende bekämpft wird.

Die Methoden der natürlichen Familienplanung können sowohl zur Empfängnisregelung als auch bei Kinderwunsch eingesetzt werden.

Die bereits erwähnten Parameter der Familienplanung wie Wertvorstellungen, persönliche Reife, der soziokulturelle Hintergrund und auch die berufliche Karriere und die Lebensplanung der Einzelnen sind so stark mit der Gesellschaft und mit der Politik verbunden, dass Familienplanung nicht losgelöst von dieser betrachtet werden kann.

Familienplanung als Menschenrecht

Jedem Paar wird das Grundrecht zugestanden, frei und verantwortlich über die Zahl ihrer Kinder und den zeitlichen Abstand der Geburten zu entscheiden. Ein entsprechender Passus wurde in die von der Internationalen Menschenrechtskonferenz von Teheran am 13. Mai 1968 verabschiedete Proklamation von Teheran aufgenommen[1] und in den Aktionsprogrammen der Weltbevölkerungskonferenzen von 1974 (Bukarest), 1984 (Mexiko-Stadt) und 1994 (Kairo) bekräftigt.[2] Es wurde hinzugefügt, dass Frauen, Männer und Paare auch das Grundrecht haben sollen, sich über die Möglichkeiten zur Familienplanung zu informieren, in der Anwendung unterwiesen zu werden und Zugang zu sicheren, wirksamen, erschwinglichen und akzeptablen Familienplanungsmethoden ihrer Wahl zu haben.[3][4][5]

Im Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Frauenkonvention) wurde das Recht auf Familienplanung 1979 erstmals verbindlich verbrieft.[6]

Doch auch heute hat nicht jedes Paar die Möglichkeit die Anzahl der Kinder selbst zu bestimmen. In einigen Ländern, wie etwa China werden Männer und Frauen zwangsweise sterilisiert[7], in anderen Ländern sind sie, da Verhütungsmittel nicht in ausreichendem Maße kostengünstig zur Verfügung stehen, gezwungen, ungewollte Kinder zur Welt zu bringen. Umfragen zeigen, dass die Frauen in den Entwicklungsländern mehr Kinder zur Welt bringen, als sie sich wünschen. In vielen Ländern ist es aber heute noch lebensgefährlich, ein Kind auszutragen. Jeden Tag sterben an den Folgen von Schwangerschaft und Geburt rund 1.000 Frauen, insbesondere Frauen im Teenageralter sind betroffen, da ihr Körper noch nicht reif genug ist, ein Kind auszutragen. Für Mädchen dieser Altersgruppe gehören in den Entwicklungsländern Schwangerschaft und Geburt zu den Haupttodesursachen.[8]

Des Weiteren trägt der mangelnde Zugang zu Kondomen maßgeblich zur AIDS-Epidemie in Afrika bei (siehe auch AIDS in Afrika).

Religiöse Einwände gegen die Familienplanung als Menschenrecht

Einige religiöse Gemeinschaften erheben Einwände dagegen, die Familienplanung als allgemeines Menschenrecht anzusehen und lehnen einige Verhütungsmethoden (oder teilweise auch die ganze Familienplanung) ab. So erkennt die katholische Kirche einzig und allein die natürliche Familienplanung als moralisch zulässig an.

Christen, die sich selbst als quiverfull bezeichnen, lehnen jegliche Familienplanung, auch die natürliche Familienplanung, ab. Sie sind der Meinung, dass allein Gott über die Anzahl der Kinder, die ein Paar empfängt entscheiden sollte.

Am 10. Januar 2006 beschloss der Stadtrat von Kanab (im US-Bundesstaat Utah) eine umstrittene Resolution: The Natural Family: A Vision for the City of Kanab, codifying the definition of a "natural family". (dt.: Die natürliche Familie: Eine Vision für die Stadt Kanab, mit der die Definition einer natürlichen Familie kodifiziert wird)

Familienpolitik

Die von einem Staat beeinflussten mittelbaren wie unmittelbaren Parameter werden unter dem Begriff der Familienpolitik zusammengefasst und setzen die meist juristischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen die individuelle Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft getroffen werden kann. Diese Verknüpfung zwischen individueller Planung und staatlichen Kontroll- bzw. Regelmechanismen erklärt sich vor allem dadurch, dass in den meisten Staaten die Verantwortung für grundlegende soziale sowie infrastrukturelle Leistungen von der Familie auf den Staat übertragen wurde. Die Bereitstellung dieser Leistungen bedarf bei den heute üblichen Politikkonzepten einer ausgeglichenen Bevölkerungspyramide.

Somit richtet sich Familienpolitik wie die meiste Politik nach den wirtschaftlichen Interessen bzw. nach der Notwendigkeit; aber auch ideologische Interessen und der religiöse Hintergrund eines Landes können entscheidend sein.

In den meisten Entwicklungsländern – insbesondere in den afrikanischen und südostasiatischen Staaten – wird unter Familienplanung in der Regel der Versuch verstanden, das z. T. explosionsartige Bevölkerungswachstum auf ein normales Maß zu beschränken. In diesem Fall spricht man auch von Geburtenregelung bzw. Geburtenkontrolle.

Auf der Pazifik-Insel Tikopia gelang es angesichts des begrenzten Lebensraumes, die Bevölkerungszahl durch strenge Geburtenkontrolle jahrhundertelang konstant zu halten.

Der Einfluss von Wertewandel und Lebensplanung

Genauso entscheidend wie die Rahmenbedingungen des Staates sind der kulturelle, der soziale und der religiöse Hintergrund. In den meisten europäischen Industriestaaten befinden sich diese seit Mitte der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts in einem Umbruch, der mit einem Wertewandel und einem veränderten Lebensstil einhergeht. Der Wunsch nach einer eigenen Familie steht zwar nach wie vor ganz weit oben in der individuellen Lebensplanung, kollidiert aber mit dem Bedürfnis nach ungebundener Freiheit, nach wirtschaftlicher Sicherheit und subjektiver persönlicher Reife und wird somit hinausgezögert oder auf nur ein Kind beschränkt, wobei hier die wirtschaftlichen Risiken gegenüber einem Leben ohne Kinder am schwersten wiegen.

Ergebnissen des EU-Projekts Job Instability and Family Trends zufolge ist für den konkreten Wunsch nach einem ersten Kind für Männer vor allem eine langfristig stabile Beziehung ausschlaggebend, für Frauen vor allem ein langfristig sicherer eigener Arbeitsplatz.[9]

Mikrozensus-Auswertungen deuten auf den Wunsch nach einer Karriere als wichtigsten Faktor für den Verzicht auf Kinder. So hatten in Westdeutschland 43 % aller 37-jährigen Frauen mit Universitäts- oder Fachhochschulabschluss, 33 % der 37-jährigen Frauen mit Abitur, 28 % der 37-jährigen Frauen mit mittlerer Reife und nur 25 % der 37-jährigen Frauen mit Hauptschulabschluss kein Kind im Haushalt.[10] Besonders eine wissenschaftliche Karriere ist schwer mit Nachwuchs zu vereinbaren. Wie eine Studie des HDZ Dortmund beweist, hatten im Jahr 2004 78 % der Wissenschaftlerinnen und 71 % der Wissenschaftler, die vom HDZ untersucht wurden, keine Kinder.[11]

Doch Kinderlosigkeit scheint nicht nur ein Problem der gut Ausgebildeten zu sein, sondern kommt in allen Bildungsschichten vor, wenn sie auch unter gut Ausgebildeten besonders häufig ist:

Folgende Tabelle zeigt die Kinderzahlen im Haushalt bei 40-jährigen in Westdeutschland lebenden Frauen verschiedener Ausbildungsgruppen. Nicht im Haushalt lebende Kinder sind nicht erfasst. Außerdem werden nur minderjährige Kinder gezählt. Im Haushalt lebende Kinder über 18 Jahren werden nicht mitgezählt. Dies ist problematisch, da dadurch die Kinder junger Mütter aus dieser Statistik rausfallen, denn diese sind, wenn die Mutter 40 ist, schon erwachsen.

Zur Adoption freigegebene Kinder werden hier bei der Adoptivmutter gezählt und nicht bei der leiblichen Mutter. Kinder, die beim Vater aufwachsen, werden nicht mitgezählt. Genauso ist es mit Kindern in Heimen. Idealer wäre eine Statistik, die die Zahl der jemals geborenen Kindern erfasst. Da dies jedoch aus Datenschutzgründen verboten ist, sind dies die genausten Zahlen, die die Wissenschaft hat:

Ausbildungsabschluss kein Kind ein Kind zwei Kinder drei und mehr Kinder
ohne Abschluss 24,1 % 23,0 % 31,0 % 21,9 %
Anlern-/Lehrabschluss 25,4 % 26,2 % 36,1 % 12,4 %
Meister/Techniker 33,0 % 22,9 % 33,6 % 10,4 %
Fachhochschule/Hochschule 42,2 % 21,7 % 27,7 % 8,5 %

[12]

In den meisten westlichen Ländern wird die niedrige Geburtenrate entsprechend begründet. Die zurückgehende Geburtenrate zwingt wiederum die hergebrachten sozialen Sicherungssysteme (z. B. das Rentensystem) zum radikalen Umbruch. Andererseits wird immer wieder eine Änderung der Familienpolitik angemahnt. Tiefgreifende und nachhaltige Änderungen in der Familienpolitik sind bisher aber noch keinem westeuropäischen Staat gelungen. Immerhin hat jedoch Frankreich nun eine Geburtenrate von 1,7 pro Paar aufzuweisen, was auf staatliche Förderungen zurückgeführt wird.[13] Im Falle Deutschlands liegen die Geburtenzahlen im europäischen Vergleich an vorletzter Stelle (2004), was von manchen (wie z. B. dem Richter Udo Di Fabio oder der Bundesministerin Ursula von der Leyen) als ein eindeutiges Indiz für eine seit Jahrzehnten verfehlte Familienpolitik dargestellt wird.

Fußnoten

  1. Ziffer 16 der Proklamation von Teheran: The protection of the family and of the child remains the concern of the international community. Parents have a basic human right to determine freely and responsibly the number and the spacing of their children.
  2. Irene Gerlach: Motive, Instrumente und Akteure. In: Familienpolitik: Geschichte und Leitbilder, Informationen zur politischen Bildung (Heft 301). Abgerufen am 19. Juli 2009.
  3. Cairo Programme of Action, Principle 8: All couples and individuals have the basic right to decide freely and responsibly the number and spacing of their children and to have the information, education and meens to do so.
    Zitat aus Finke, Barbara: Legitimation globaler Politik durch NGOs, Frauenrechte, Deliberation und Öffentlichkeit in der UNO; Forschung Politik, 2005
  4. Irene Gerlach: Motive, Instrumente und Akteure. In: Familienpolitik: Geschichte und Leitbilder, Informationen zur politischen Bildung (Heft 301). Abgerufen am 19. Juli 2009.
  5. Ziffer 94 im Aktionsplan der 4. Weltfrauenkonferenz 1995
  6. Übereinkommen, Artikel 12(1) und 16(1)e)
  7. Jutta Lietsch: "Familienpolitik in China: Sterilisation nach Plansoll". TAZ
  8. "100 Jahre internationaler Frauentag - Gleichberechtigung global verwirklichen". Schattenblick. 16. März 2011
  9. Job instability and family trends: a comparative study. Fondazione Giacomo Brodolini, abgerufen am 5. September 2010 (engl.). (Zusammenfassung, 16 Seiten, darin S. 12.)
  10. Dr. Klaus-Jürgen Duschek, Dr. Heike Wirth: Kinderlosigkeit von Frauen im Spiegel des Mikrozensus. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt, war am 1. April 2008 auch online abrufbar
  11. Kinderlosigkeit unter WissenschaftlerInnen
  12. http://www.g-i-s-a.de/res.php?id=263 , S. 25
  13. Deutscher Bundestag: Die Politik hat doch nur indirekten Einfluss auf die Familiengründung

Siehe auch

Weblinks

Literatur

  • Iris Enchelmaier: Abschied vom Kinderwunsch: Ein Ratgeber für Frauen, die ungewollt kinderlos geblieben sind. Kreuz-Verlag 12. Aufl. 2009. 978-3783123753
  • Jutta Fiegl: Unerfüllter Kinderwunsch. Das Wechselspiel von Körper und Seele. MVG 2008. 978-3636072375

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