KAFF auch Mare Crisium

KAFF auch Mare Crisium

KAFF auch Mare Crisium ist ein zuerst 1960 erschienener Roman von Arno Schmidt. Das Werk ist formal das Bindeglied zwischen Schmidts früherem Erzählwerk und seinem Spätwerk.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Der Roman spielt auf zwei Handlungsebenen, die auch im Druck voneinander unterschieden werden, aber auf vielfältige Weise miteinander verschränkt sind.

Auf der ersten Handlungsebene besucht kurz nach dem „Sputnikschock“ von 1957 der Büroangestellte Karl Richter mit seiner Freundin aus der Firma, der Produktdesignerin Hertha Theunert, per BMW Isetta seine verwitwete „Tante Heete“ in Giffendorf, einem fiktiven Weiler am Rande der Lüneburger Heide. Der phantasiereiche, besserwisserische und kränkelnde Karl – eine für die Schriften Schmidts typische Figur, die Züge des Autors trägt – hofft, während der Reise zu seiner ungeschminkt bodenständigen Tante aufs Land seine gehemmte und misstrauische Hertha für ein gemeinsames neues Leben zu gewinnen.

Während des Besuchs erdenkt und erzählt er ihr partienweise eine utopische Geschichte, die in der näheren Zukunft der 1980er Jahre auf dem Mond spielt und die die zweite Handlung des Buches ausmacht: Nachdem die Erde in einem Atomkrieg unbewohnbar geworden ist, leben nur noch dort oben ein paar hundert hinauf geschossene US-amerikanische und sowjetrussische Wissenschaftler (zumeist Männer) in zwei Siedlungen im Mare Crisium. Man ist technisch einerseits bestens ausgerüstet, andererseits fehlen einfachste Produkte fast völlig, wie z. B. Papier. Überdies führt man starrsinnig den Kalten Krieg weiter.

Wieder eingeblendet in die Mond-Handlung sind zwei Epen-Parodien im mittelhochdeutschen Stil, mit denen die Gegner einander geistig imponieren wollen: Die Amerikaner bedienen sich des „Nibelungenliedes“ für eine Schilderung des Heldentodes der NATO-Truppen bei der Eroberung West-Berlins durch die Russen (Ausbruch des Dritten Weltkrieges); die Russen benutzen den „Cid“ für ein Heldenlied über ihren Siegeszug gegen die Deutschen von Stalingrad bis Berlin.

Aber trotz seiner Versuche und einiger Handlungsstränge, die die beiden trotz ihrer aus Zweitem Weltkrieg und frühem Nachkrieg herrührenden seelischen Wunden stärker zueinander führen könnten, fahren sie am Ende unverrichteter Dinge zurück nach Nordhorn an ihre Arbeitsplätze.

Prosa-Besonderheiten

Die außerordentlich realistischen Ereignisse beider Ebenen werden jeweils aus der Perspektive einer Person (Karl Richter beziehungsweise seines Doubles, des amerikanischen Schiefertafelmachers [wegen des Papiermangels] und Bibliothekars Charles Hampden) erzählt. Dabei nähert sich der zugleich vielfach komische und verzweifelte Roman mitunter einem Bewusstseinsstrom.

Wie bereits in früheren Werken teilt Schmidt die Handlung in kleine Stücke von etwa fünf bis zehn Zeilen, die je mit kursiv gedruckten Sätzen/Impressionen eingeleitet werden. Er hält sich in diesem Werk zum ersten Mal entschlossen nicht mehr an die Standard-Rechtschreibung, sondern gibt Sprache oft lautmalerisch wieder, bemerkbar etwa am schlesischen Dialekt Herthas oder am niederdeutschen Akzent von Tante Heete:

Und Hertha hoch! – Und begierich ) : „OchtanndteDu : Hatt’er amall welche [gemeint: Liebesgedichte] geschriebm ?“. – „Ass Jung’ – so mit 17, 18 ) – : jaa“ saachte Tanndte Heete gemütlich : „Och wenn ich suchn würt – ich könndda vielleicht noch n paa von finn’n – “; und, immer boshafter & zärtlicher : „ Kummahärda wie hüpsch’as aussieht, wenn’n Mann von Secksunnvirrzich so rot wird.“ (S. 125)

Auch werden typographische Zeichen benutzt, um Handlungen auszudrücken.

:! – / : ! ! – / : ! ! ! – (S. 354, Karl will Hertha wecken.)

Das Buch enthält ein „Vorwort“ („gez. D. Martin Ochs“ vom „Individuumsschutzamt“), in dem Schmidt ironisch auf die Anklage wegen Gotteslästerung gegen ihn anspielt. Wer Beleidigungen, Lästerungen oder ähnliches in das Buch „hineinzukonstruieren“ versuche, werde des Landes verwiesen; und:

„Wer nach <Handlung> und <tieferem Sinn> schnüffeln, oder gar ein <Kunstwerk> darin zu erblicken versuchen sollte, wird erschossen.“ (S. 7)

Hörbuch

2004 erschien eine Hörbuchfassung in zehn CDs, gesprochen von Jan Philipp Reemtsma.

Literatur

Weblinks


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