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Marienkind ist ein Märchen (Typ 710, 712 nach Aarne und Thompson). Es ist in den Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm an Stelle 3 enthalten (KHM 3).
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Ein armer Holzhacker, der seine Tochter nicht ernähren kann, begegnet der Jungfrau Maria, die sie mitnimmt und im Himmel reich versorgt. Als sie 14 ist, macht Maria eine Reise und lässt ihr 13 Schlüssel da, wovon sie einen nicht benutzen darf. Jeden Tag benutzt sie einen und freut sich mit den Englein über die zwölf Apostel. Dann öffnet sie allein die 13. Tür, sieht die Dreieinigkeit und berührt den Glanz, wovon der Finger golden wird. Maria merkt den Verstoß und verstößt sie auf die Erde, wo sie jämmerlich in der Wildnis lebt. Ein König auf der Jagd findet und heiratet die Stumme. Sie bekommt drei Kinder, die Maria ihr wegnimmt, weil sie die Wahrheit nicht sagen will. Deshalb soll sie als Menschenfresserin verbrannt werden. Da gesteht sie, der Regen löscht die Flammen, und Maria gibt ihr die Kinder und Glück fürs Leben.
Grimms Anmerkung
Grimms Anmerkung notiert aus Hessen (von Gretchen Wild) und gibt noch eine andere Erzählung (von Friederike Mannel) wieder: Der Vater, der seine Kinder nicht ernähren kann, will sich im Wald erhängen und begegnet einer schwarzgekleideten Jungfrau in einem schwarzen Wagen, die ihn einen Geldsack finden lässt für das, was im Haus verborgen sei. Das ist die Tochter im Mutterleib. Auf Bitten der Mutter nimmt die Jungfrau erst die Zwölfjährige mit in ihr schwarzes prächtiges Schloss. Eine Kammer darf sie nicht öffnen. Als sie nach vier Jahren durch eine Ritze lugt, sind da vier lesende Jungfrauen. Die Pflegemutter schlägt ihr auf den Mund und verstösst sie. Der König heiratet sie gegen Widerstand seiner Mutter, die ihr die Kinder nimmt. Als sie verbrannt werden soll, rettet sie die Jungfrau (wie KHM 9, 25, 49). Die Brüder Grimm stellen noch viele Literaturvergleiche an.
Motivvergleiche
- verbotene Tür (blutiger Finger): KHM 62a Blaubart, KHM 46 Fitchers Vogel
- goldener Finger: KHM 136 Der Eisenhans
- Leben im Baum: KHM 123 Die Alte im Wald
- Reichtum vom Paten: KHM 42 Der Herr Gevatter, KHM 44 Der Gevatter Tod, KHM 126 Ferenand getrü und Ferenand ungetrü
- Jephtha-Motiv: KHM 12 Rapunzel, KHM 31 Das Mädchen ohne Hände, KHM 55 Rumpelstilzchen, KHM 88 Das singende springende Löweneckerchen, KHM 92 Der König vom goldenen Berg, KHM 108 Hans mein Igel, KHM 181 Die Nixe im Teich.
Verleumdung der schweigenden Mutter: KHM 9 Die zwölf Brüder, KHM 25 Die sieben Raben, KHM 49 Die sechs Schwäne; ferner KHM 76 Die Nelke, KHM 96 De drei Vügelkens.
Interpretation
Eugen Drewermann findet Marienkind in der Erziehung vieler Nachkriegskinder mit Schuldgefühlen durch Verwöhnung wieder.
Literatur
- Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe. Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. S. 46-50. Düsseldorf und Zürich, 19. Auflage 1999. (Artemis & Winkler Verlag; Patmos Verlag; ISBN 3-538-06943-3)
- Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. S. 19-21, S. 443. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)
- Rölleke, Heinz (Hrsg.): Die älteste Märchensammlung der Brüder Grimm. Synopse der handschriftlichen Urfassung von 1810 und der Erstdrucke von 1812. Herausgegeben und erläutert von Heinz Rölleke. S. 196-201, S. 371-373. Cologny-Geneve 1975. (Fondation Martin Bodmer; Printed in Switzerland)
- Drewermann, Eugen: Lieb Schwesterlein, laß mich herein. Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet. München 1992. S. 43-101. (dtv-Verlag; ISBN 3-423-35056-3)
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