Kaltneker

Kaltneker

Hans Kaltneker (eigentlich Hans von Wallkampf) (* 2. Februar 1895 in Temesvár, Österreich-Ungarn (heute: Timişoara, Rumänien); † 29. September 1919 in Gutenstein (Niederösterreich)) war ein österreichischer Erzähler, Lyriker und Dramatiker und einer der Hauptvertreter des österreichischen Expressionismus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Hans Kaltneker wurde 1895 in Temesvár, damals im ungarischen Banat, als Sohn des österreichischen Stabsoffiziers Arthur Kaltneker von Wahlkampf geboren und kam mit seiner Familie 1906 nach Wien. Er besuchte das Hietzinger Gymnasium, und gab als Gymnasiast zusammen mit Hans Flesch-Brunningen und Paul Zsolnay die hektographierte literarische Zeitschrift „Das neue Land“ heraus. 1910 schrieb er als Fünfzehnjähriger das Drama „Herre Tristrant“. Danach widmete er sich einige Jahre der erzählenden Prosa. Seit 1912 lebte er infolge einer Tuberkuloseerkrankung in einem Sanatorium in Davos, wo er 1915 dem Dichter Klabund begegnete, von dem die Feststellung stammt: „Man müsste einmal eine Literaturgeschichte der Schwindsüchtigen schreiben, diese konstitutionelle Krankheit hat die Eigenschaft, die von ihr Befallenen seelisch zu ändern. Sie tragen das Kainsmal der nach innen gewandten Leidenschaft.“ Dies traf sicherlich auf Kaltneker zu.

Bis 1917 entstanden drei Erzählungen und Gedichte, von denen Erich Wolfgang Korngold „Drei Gesänge nach Gedichten von Hans Kaltneker, op. 18“ 1924 vertonte. Trotz seinen Kuraufenthalten widmete sich Kaltneker in Wien dem Studium der Rechtswissenschaften und legte 1917 die erste Juristische Staatsprüfung ab. Im selben Jahr wandte er sich wieder der Dramatik zu und schrieb ein Mysterium für Musik, “Die Heilige", das nach seinem Tod 1927 in freier Umarbeitung zur Oper “Das Wunder der Heliane" von Korngold wurde. Im letzten Lebensjahr, 1918, schrieb Kaltneker dann seine drei expressionistische Dramen.

Nach fast einjährigem Kuraufenthalt in Davos kehrte er zunächst nach Wien zurück, wo er im Dezember 1918 das vieraktige Drama Die Opferung binnen acht Tagen niederschrieb. Ab Weihnachten musste er wieder für drei Monate nach Davos und schrieb dort das Revolutionsdrama Das Bergwerk, eine Tragödie in drei Akten. Im Juni 1919 begab er sich mit seinen Eltern zur Sommerfrische nach Gutenstein. Dort schrieb Kaltneker in nur zehn Tagen Die Schwester, ein Mysterienspiel in drei Abteilungen, das das Thema der Homosexualität behandelt, sowie zuletzt das Kinderstück Schneewittchen, das zugunsten einer Kranken am 19. August 1918 uraufgeführt wurde. Am 29. September 1919 starb Hans Kaltneker in Gutenstein, wo er auf demselben Friedhof begraben wurde, wo auch Ferdinand Raimund liegt.

Literarisches Schaffen

Kaltnekers literarisches Werk ist nicht sehr umfangreich, aber von großer Intensität, visionärer Kraft und erstaunlich früher Reife. Zentrale Themen sind Schuld und Sühne, Leid und Erlösung. Es ist geprägt von Kaltnekers Jugenderlebnissen an der Wiener Hofoper unter Gustav Mahler, von Richard Wagners Musikdramen mit dem Erlösungsgedanken und der Frau als reinem Werkzeug der göttlichen Liebe sowie von der durch den Bühnenbildener Alfred Roller begründeten Abkehr vom konventionellen Bühnenbild als Vorläufer des expressionistischen Stils. Die „Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte“ nannte ihn 1937 den „Ekstatiker unter den österreichischen Expressionisten“ und Hellmuth Himmel apostrophiert ihn als „christlichen Kafka“.

Werke

Dramen

  • Herre Tristrant, 1910 (verschollen)
  • Die Heilige. Ein Mysterium für Musik, 1917
  • Die Opferung. Eine Tragödie, 1918 (UA Deutsches Volkstheater Wien am 22. März 1922)
  • Das Bergwerk. Ein Drama, 1918 (UA Raimundtheater Wien am 6. Februar 1923)
  • Die Schwester. Ein Mysterium, 1918 (UA Renaissancebühne Wien am 12. Dezember 1923)
  • Schneewittchen (Kinderstück), 1918 (UA Gutenstein am 19. August 1918)

Novellen

  • Die Liebe
  • Die Magd Maria
  • Gerichtet! Gerettet!

Lyrik

  • Genesung
  • Quasi una phantasia
  • Esther
  • Judiths Gang gen Bethulia
  • Das Gebet des Pharisäers
  • Das Gebet des Zöllners
  • Tischgebet zum ersten Mai
  • Einer Freundin
  • Mein Gott!
  • Lied, im Sommer zu singen
  • Erinnerung
  • O liebe, liebe Hand...
  • Vor dem Einschlafen
  • Worte zum Abschied
  • Der Mord
  • Grabschrift
  • Versuchung
  • Sonett für Wien
  • Tasso an die Prinzessin. Neun Sonette

Veröffentlichungen

  • Die Liebe. Novelle. Donau Verlag, Leipzig und Wien 1921
  • Die Schwester. Ein Mysterium in drei Abteilungen (zehn Szenen), Paul Zsolnay Verlag, Wien 1924
  • Dichtungen und Dramen, herausgegeben von Paul Zsolnay, mit einem Vorwort von Felix Salten, Paul Zsolnay Verlag, Berlin-Wien-Leipzig 1925
  • Die Heilige (Schlussszene des ersten Aktes) in: Jahrbuch 1927, Paul Zsolnay Verlag, Berlin-Wien-Leipzig 1927
  • Die drei Erzählungen. Paul Zsolnay Verlag, Berlin/Wien/Leipzig 1929
  • Gerichtet! Gerettet! Auswahl, eingeleitet und ausgewählt von Hellmuth Himmel. (Stiasny-Bücherei, Nr: 47), Stiasny Verlag, Graz/Wien 1959

Literatur

  • N. Britz: Der Expressionismus und sein österreichischer Jünger Hans Kaltneker. Eine Paraphrase zum 80. Geburtstag des Dichters, 1975
  • J. de Vos: Gefangenschaft in den Dramen H. Kaltnekers, Dissertation, Gent 1981

Weblinks


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