- Kanonische Transformation
-
In der klassischen Mechanik bezeichnet man eine Koordinatentransformation im Phasenraum als kanonisch, wenn sie die Hamiltonschen Gleichungen invariant lässt. Ziel dabei ist, die neue Hamilton-Funktion möglichst zu vereinfachen, im Idealfall sogar unabhängig von einer oder mehreren Variablen zu machen. Kanonische Transformationen sind der Ausgangspunkt zum Hamilton-Jacobi-Formalismus und bieten (als Berührungstransformationen) ein mächtigeres Werkzeug als Punkttransformationen, die in der Lagrange'schen Mechanik vorkommen, da diese als Spezialfall aus den kanonischen Transformationen hervorgehen. Kanonische Transformationen können aus sogenannten erzeugenden Funktionen konstruiert werden.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Gegeben sei ein dynamisches System mit f Freiheitsgraden und der Hamilton-Funktion H(q,p,t), die von den Koordinaten
und Impulsen
und eventuell von der Zeit abhängt. Die kanonischen Gleichungen (Hamiltonsche Bewegungsgleichungen) lauten somit:
Eine Koordinatentransformation
mit
und
heißt kanonisch, wenn eine neue Hamilton-Funktion
existiert, sodass in den transformierten Koordinaten die kanonischen Gleichungen erfüllt sind:
Eigenschaften
Poisson-Klammern
Die Poisson-Klammer der Funktionen f und g bzgl. q und p sind durch
definiert. Wenn die Transformation
kanonisch ist, gilt:
Außerdem kann man mithilfe der Poisson-Klammern ein allgemeines Kriterium finden, wann eine Transformation kanonisch ist und zwar genau dann, wenn für die fundamentalen Poisson-Klammern
gilt. Dabei ist δij das Kronecker-Delta.
Erzeugende Funktionen
Kanonische Transformationen können durch erzeugende Funktionen (kurz auch Erzeugende) gefunden und konstruiert werden. Von diesen Funktionen gibt es vier Klassen. Z.B. kann die erzeugende Funktion von den alten und neuen Koordinaten abhängen, also F(q,Q,t), andere Erzeugende hängen von anderen Kombinationen aus Koordinaten und Impulsen ab, wobei jeweils transformierte und untransformierte Variablen auftreten müssen. Der Zusammenhang zwischen alten und neuen Koordinaten kann aus dem Hamiltonschen Extremalprinzip
hergeleitet werden (es wird Summenkonvention verwendet). Die Differenz beider Ausdrücke muss ebenfalls null sein und kann somit nur die totale Zeitableitung einer Funktion sein, deren Variation an den Rändern bei t1 und t2 verschwindet:
Dies führt zur Beziehung:
Wenn F eine Funktion der alten und neuen Koordinaten F1(q,Q,t) ist, so ist deren totale Zeitableitung
und man kann die partiellen Ableitungen von F1 nach q bzw. Q sowie nach t aus der Zeile vorher direkt ablesen:
Mit den ersten beiden Ableitungen lassen sich die alten Koordinaten als Funktion der neuen ausdrücken: qk = qk(Q,P,t) und pk = pk(Q,P,t)
Durch Legendre-Transformation dieser Gleichungen lassen sich ähnliche Beziehungen zwischen alten und neuen Koordinaten herleiten. Insgesamt gibt es vier Klassen, da die Legendre Transformation für F die Transformationen
und
durchführt, ergeben sich 2 mal 2 Möglichkeiten. Als Beispiel transformieren wir F1(q,Q,t) in F2(q,P,t):
Bringt man d(PkQk) auf die linke Seite
erhält man eine Funktion F2 = F1 + PQ, die von q, P und t abhängt, wobei die partiellen Ableitungen lauten:
Überblick über alle möglichen erzeugenden Funktionen:
Für alle vier Klassen von erzeugenden Funktionen gilt: Die Hamilton-Funktion in transformierten Koordinaten
unterscheidet sich von der untransformierten Hamilton-Funktion H(q,p) durch eine partielle Zeitableitung der erzeugenden Funktion, also
.
Kanonische Transformationen, deren erzeugende Funktion nicht explizit von der Zeit abhängt, heißen kanonische Transformationen im engeren Sinne.
Spezielle erzeugende Funktionen
Im Folgenden wollen wir eine kanonische Transformation betrachten, deren neue Hamiltonfunktion identisch Null ist:
Dann folgt aus den Hamiltonschen Bewegungsgleichungen, dass alle Variablen zyklisch sind:
Dies führt zur Beziehung:
oder
D.h. F ist gleich der Wirkung des Systems (genauer: das unbestimmte Wirkungsintegral):
Aus
ergibt sich mit der Wahl F = F2 die Differentialgleichung
Diese Gleichung ist die Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung.
Symplektische Struktur
Weiterhin zeigt sich, dass die Funktionalmatrizen kanonischer Transformationen, also
eine symplektische Gruppe bilden, also folgende Eigenschaft besitzen:
mit
Literatur
- H. Goldstein: Klassische Mechanik. Wiley-VCH. ISBN 978-3527405893
Wikimedia Foundation.