Karl Ferdinand Werner

Karl Ferdinand Werner

Karl Ferdinand Werner (* 21. Februar 1924 in Neunkirchen (Saar); † 9. Dezember 2008 in Tegernsee) war ein deutscher Historiker.

Karl Ferdinand Werner studierte an der Universität Heidelberg bei Fritz Ernst. Bei Ernst wurde er 1950 mit der Arbeit „Andreas von Marchiennes und der Reditus regni Francorum ad stirpem Karoli“ promoviert. Von 1951 bis 1953 studierte er an der École pratique des hautes études in Paris, wo er sich auf das Mittelalter, insbesondere die Geschichte der Franken spezialisierte. 1954 erhielt er eine Assistentenstelle an der Universität Heidelberg. 1961 habilitierte er sich in Heidelberg mit der Arbeit „Die Entstehung des Fürstentums (8.–10. Jahrhundert)“. In seiner ungedruckt gebliebenen Habilitation widerlegte Werner die Meinung der französischen Historiographie, dass nach dem Zerfall des Karolingerreichs im 9. und 10. Jahrhundert eine „anarchie féodale“ eingetreten sei. Trotz schwieriger Quellenarmut im 9. und 10. Jahrhundert konnte Werner auch in diesen „dunklen Jahrhunderten“ die Kontinuität des Adels und der staatlichen Strukturen nachweisen. Von 1965 bis 1968 war er Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Mannheim. Seine bedeutendsten Schüler waren Hartmut Atsma, Jürgen Voss, Martin Heinzelmann und Werner Paravicini. Von 1968 bis 1989 war Werner Direktor des Deutschen Historischen Instituts (DHI, Institut historique allemand) in Paris. 1973 gründete er die Zeitschrift Francia.

Seine Forschungsschwerpunkte waren die mittelalterliche Quellenkunde, die westeuropäische Geschichte und die Wissenschaftsgeschichte. Dabei bildete ein Schwerpunkt in Werners Tätigkeit die Suche nach den Einflüssen der deutschen Geschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts auf die Entwicklung des Nationalsozialismus. Mit seiner Pionierarbeit „Das NS-Geschichtsbild und die deutsche Geschichtswissenschaft“ (1967) zeigte Werner erstmals, die große Nähe der führenden Historiker zur nationalsozialistischen Auffassung. In der prosopographischen Personenforschung versuchte Werner mit seiner Prosopographia regnorum occidentalium lange vor der elektronischen Datenverarbeitung systematisch den gesamten überlieferten Namenbestand von der Spätantike bis zum Hochmittelalter zu erfassen. Das Projekt erreichte etwa 270.000 Belege und wurde Mitte der 1970er Jahre eingestellt.[1]

Werner wurde von französischer Seite mit hohen Auszeichnungen bedacht. 1986 wurde er korrespondierendes Mitglied und 1991 Associé étranger (auswärtiges Mitglied) der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres. 1988 wurde er Ehrendoktor der Sorbonne und 1996 den der Universität Orléans. Im Jahr 1988 erhielt er ebenfalls die Silbermedaille des Conseil national de la recherche scientifique. Zum 65. und 75. Geburtstag wurden ihm Festschriften gewidmet. Von deutscher Seite wurde 1988 korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Außerdem wurde Werner korrespondierendes Mitglied der Kommission für Geschichtliche Landeskunde und der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Historica. 2000 erhielt Werner den Arenberg-Preis. 2003 wurde Werner von einem Pariser Sammelwerk zu den neunzehn bedeutendsten Historikern des 19. und 20. Jahrhunderts gezählt.[2] Seit 2009 erinnert das Karl-Ferdinand-Werner-Fellowship des DHI Paris an Werner, „der das Institut zwischen 1968 und 1989 entscheidend geprägt“ und durch „sein Engagement um die Förderung der Wissenschaftsbeziehungen und des Forschungsaustausches zwischen Deutschland und Frankreich bleibende Verdienste erworben hat“.[3]

Schriften (Auswahl)

Monografien

  • Einheit der Geschichte. Studien zur Historiographie. Sigmaringen 1999, ISBN 3-7995-7347-X.
  • Naissance de la noblesse. L'essor des élites politiques en Europe. Paris 1998, ISBN 2-213-02148-1.
  • Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000. Stuttgart 1989, ISBN 3-421-06451-2.
  • Das NS-Geschichtsbild und die deutsche Geschichtswissenschaft. Stuttgart 1967.

Herausgeberschaften

  • Hof, Kultur und Politik im 19. Jahrhundert. Akten des 18. Deutsch-französischen Historikerkolloquiums Darmstadt vom 27. - 30. September 1982. Bonn 1985, ISBN 3-7928-0481-6.

Literatur

  • Vom Frankenreich zur Entfaltung Deutschlands und Frankreichs. Ursprünge, Strukturen, Beziehungen. Ausgewählte Beiträge. Festgabe zu seinem sechzigsten Geburtstag, Sigmaringen 1984, ISBN 3-7995-7027-6.
  • Media in Francia ... Recueil de mélanges offert à Karl Ferdinand Werner à l'occasion de son 65e anniversaire par ses amis et collègues français. Maulevrier 1989, ISBN 2-903851-57-3.
  • Karl Ferdinand Werner, Ein Historiker der „Generation 1945“ zwischen „deutscher Historie“, „Fach“ und Geschichte. In: Hartmut Lehmann und Otto Gerhard Oexle (Hrsg.), Erinnerungsstücke. Wege in die Vergangenheit. Rudolf Vierhaus zum 75. Geburtstag gewidmet. Wien 1997, S. 237–248.
  • Olivier Guillot: Karl Ferdinand Werner "novissimus fundator". In: Ulrich Pfeil (Hg.), Das Deutsche Historische Institut Paris und seine Gründungsväter. Ein personengeschichtlicher Ansatz. Oldenbourg, München 2007, S. 221–231, ISBN 978-3-486-58519-3.
  • Joseph Hanimann: Adel von langer Dauer. Dem Historiker Karl Ferdinand Werner zum Achtzigsten. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.02.2004, Nr. 44, S. 35.
  • Claudia Märtl: Karl Ferdinand Werner 21.2.1924 – 9.12.2008. In: Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 2009, S. 236–238.
  • Werner Paravicini: Karl Ferdinand Werner (1924–2008). In: Historische Zeitschrift, Bd. 288, 2009, Heft 2, S. 542–549.
  • Otto Gerhard Oexle: Karl Ferdinand Werner: 21. Februar 1924 – 9. Dezember 2008. In: Francia, Bd. 36 (2009), S. 409–410.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Werner Paravicini: Karl Ferdinand Werner (1924–2008). In: Historische Zeitschrift, Bd. 288, 2009, Heft 2, S. 542–549, hier: S. 547.
  2. Michel Parisse: Karl Ferdinand Werner. In: Véronique Sales (Hrsg.), Les historiens. Paris 2003, S. 267–283.
  3. Gudrun Gersmann: Karl-Ferdinand-Werner-Fellowship (DHI Paris). In: H-Soz-u-Kult, 3. Dezember 2009.

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