Karl Alexander von Müller

Karl Alexander von Müller

Karl Alexander von Müller (* 20. Dezember 1882 in München; † 13. Dezember 1964 in Rottach-Egern) war ein deutscher Historiker. Zu seinen unmittelbaren Schülern gehörten nationalsozialistische Politiker und Akademiker wie Baldur von Schirach, Rudolf Heß, Hermann Göring, Walter Frank, Wilhelm Grau, Wilfried Euler, Clemens August Hoberg, Hermann Kellenbenz, Karl Richard Ganzer, Ernst Hanfstaengl und Klaus Schickert.[1] Doch aufgrund seiner politischen Offenheit studierten auch anders ausgerichtete Historiker wie Karl Bosl, Alois Hundhammer, Heinz Gollwitzer[2] und sogar Wolfgang Hallgarten[3] bei Müller.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Karl Alexander von Müller, 1929

Müller, Sohn des bayerischen Kultusministers Ludwig August von Müller, studierte nach dem Abitur 1901 am Wilhelmsgymnasium München Rechtswissenschaft und Geschichte in München und war zwischen 1903 und 1904 Cecil-Rhodes-Stipendiat in Oxford. 1908 erfolgte seine Promotion bei Sigmund von Riezler über Bayern im Jahre 1866 und die Berufung des Fürsten Hohenlohe.[4]

Bei Beginn des Ersten Weltkriegs übernahm Müller neben Paul Coßmann die Herausgabe der Süddeutschen Monatshefte. 1917 habilitierte er sich und wurde Syndikus an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften sowie Honorarprofessor an der Münchner Universität. Beginnend im Juni 1919 besuchte Adolf Hitler im Auftrag der Reichswehr Vorlesungen und Seminare an der Universität München, u.a. bei Müller über das Thema "Die deutsche Geschichte seit der Reformation"[5], als Schulung für eine Abkommandierung zu einem "Aufklärungskommando" für Kriegsheimkehrer. 1928 übernahm Müller die Nachfolge von Michael Döberl als Ordinarius für bayerische Landesgeschichte an derselben Universität. Nachdem er einen Ruf nach Berlin abgelehnt hatte, wurde er 1935 auch Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Geschichte.

Seiner Herkunft nach nationalkonservativ bis monarchistisch geprägt, lehnte Müller die liberalen politischen Ideen und in ihrem Gefolge die Weimarer Republik ab. Im Nationalismus des Nationalsozialismus und in dessen konservativen Zügen fand er dagegen manche Übereinstimmung mit dem eigenen Denken. So hegte er rasch Sympathien für die NSDAP, der er im Mai 1933 beitrat. Als eine der bestimmenden Größen in der Münchner Gesellschaft der 1920er Jahre hatte er schon in dieser Zeit, auch durch seinen Schwager Gottfried Feder, die Bekanntschaft Adolf Hitlers gemacht und verstand sich dann im nationalsozialistischen Deutschen Reich als Mittler zwischen der alten und jungen, vom Nationalsozialismus bestimmten Historikergeneration, eine Rolle, die ihm – als Herausgeber der Historischen Zeitschrift und dank seiner Nähe zum Regime einer der einflussreichsten deutschen Historiker dieser Jahre – auf den Leib geschneidert schien.

Zu seinen vielen Ehrenämtern gehörte unter anderem die Ehrenmitgliedschaft im „Reichsinstitut für Geschichte des Neuen Deutschlands“ seines Schülers Walter Frank, in dem er die „Forschungsabteilung Judenfrage“ nominell übernahm. Zusätzlich leitete er als Nachfolger des den Nazis unliebsamen Friedrich Meinecke die Herausgabe der Historischen Zeitschrift und von 1933 bis 1934 den Reichsbund Volkstum und Heimat. Von 1930 bis 1936 leitete er das Institut zur Erforschung des deutschen Volkstums im Süden und Südosten. Nachdem im Zuge der Gleichschaltung die Satzung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften geändert wurde (sie trat am 23. Januar 1936 in Kraft) wurde Müller am 2. März 1936 vom Reichsminister Bernhard Rust zum Akademiepräsidenten ernannt, ohne dass er von der Akademie nominiert worden wäre. Obwohl die Akademie in einer Gesamtsitzung beschlossen hatte, Eduard Schwartz zum Präsidenten vorzuschlagen, der dieses Amt bereits von 1927 bis 1930 innehatte, nahm Müller das Amt an. Gleichzeitig fungierte er als Vorsitzender der Historischen Sektion. Ende 1943 wählte die Akademie den Juristen Mariano San Nicolò zum Nachfolger Müllers, wobei dieser die Wahl zu verhindern suchte.

Nach Kriegsende strebte die Akademie ein Ausschlussverfahren an, gegen das er sich zunächst mit einer Verteidigungsschrift wehrte. Um dem drohenden Ausschluss zuvorzukommen, gab er am 23. September 1945 seine Münchner Akademiemitgliedschaft zurück. Durch seine Verstrickung in das NS-Regime wurde er auf Anordnung der Militärverwaltung zwangsemeritiert und verlor alle außeruniversitären Ämter und Mitgliedschaften,[2] darunter auch die korrespondierenden Mitgliedschaften in der Österreichische Akademie der Wissenschaften (seit 1939) und in der Berliner Akademie der Wissenschaften (seit 1942).[6] 1953 wurde er Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.[6]

Werke

Als Historiker pflegte Müller vorwiegend die Form der Aufsätze und Essays, die in Sammelbänden wie Vom alten zum neuen Deutschland. Aufsätze und Reden 1914–1938 (publiziert 1938) erschienen. Schriften wie Probleme des Zweiten Reiches im Lichte des Dritten (1935) und Der zehnte April 1938 in der Deutschen Geschichte (1938), anlässlich des Anschlusses Österreichs verfasst, beleuchteten seine geistige Verbundenheit mit dem Nationalsozialismus.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden seine Schriften Probleme des Zweiten Reiches im Lichte des Dritten (Bruckmann, München 1935), Der 10. April 1938 in der deutschen Geschichte (Bruckmann, München 1938), Vom alten zum neuen Deutschland. Aufsätze und Reden 1914-1938 (Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1938) und Deutschland und England (Ahnenerbe-Stiftung Verlag, Berlin 1939) in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[7]

Eine Quelle über das München vor 1933 und damit auch für die Vorgeschichte des Nationalsozialismus sind die Erinnerungen Müllers, Aus Gärten der Vergangenheit: 1882–1914 (1951), Mars und Venus: 1914–19 (1954) sowie der von Otto Alexander von Müller aus dem Nachlass herausgegebene Band Im Wandel einer Welt: 1919–1932 (1966).

Auszeichnungen

Schriften (Auswahl)

  • Bayern im Jahre 1866 und die Berufung des Fürsten Hohenlohe. Eine Studie. Oldenbourg, München/Berlin 1909 (Historische Bibliothek; Bd. 20).
  • Über die Stellung Deutschlands in der Welt. C. H. Beck, München 1916.
  • Deutschlands Kampf auf Leben und Tod. Zwei Kriegs-Vorträge. Kellerer, München 1917 (zusammen mit Wilhelm Seitz; Flugschrift des Vereins Deutsche Wacht; 4).
  • Des deutschen Volkes Not und der Vertrag von Versailles. Vortrag. Knorr & Hirth, München 1922 (Gäa; 1).
  • Die deutschen Träumer. Gesammelte Aufsätze. Süddeutsche Monatshefte, München 1925 (zusammen mit Paul Nikolaus Cossmann).
  • Deutsche Geschichte und deutscher Charakter. Aufsätze und Vorträge. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1926.
  • Geleitwort. In: Wilhelm Grau: Antisemitismus im späten Mittelalter. Das Ende der Regensburger Judengemeinde 1450-1519. Mit einem Geleitwort von Karl Alexander von Müller. Duncker & Humblot, München/Leipzig 1934 (zugleich: Dissertation, München 1933).
  • Aufsätze und Reden 1914-1938. Vom alten zum neuen Deutschland. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart/Berlin 1938.
  • Erinnerungen. 3 Bände (s.o.), Kilpper, Stuttgart 1951, 1954 und 1966.
  • Am Rand der Geschichte. Münchner Begegnungen und Gestalten. Hanser, München 1957.
  • Im Wandel einer Welt, 1966 (aus dem Nachlass).

Literatur

  • Karl Bosl: Nachruf: Karl Alexander von Müller in memoriam. In: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte, Bd. 28 (1965), S. 920–928.
  • Hermann Weiß (Hrsg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich. Frankfurt am Main 2002 (überarbeitete Neuauflage), ISBN 3-596-13086-7, S. 327f.
  • Staat und Volkstum. Neue Studien zur bairischen und deutschen Geschichte und Volkskunde. Karl Alexander von Müller als Festgabe zum 20. Dezember 1932. Mit einem Geleitwort von E. Marcks dargebracht von W. Andreas; F. Bastian [u. a.]. Huber, Diessen vor München 1933.
  • Land und Volk, Herrschaft und Staat in der Geschichte und Geschichtsforschung Bayerns. Karl Alexander von Müller zum 80. Geburtstag. Beck, München 1964 (Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte; Bd. 27).
  • Helmut Heiber: Walter Frank und sein Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1966 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte; Bd. 13).
  • Karl Ferdinand Werner: Das NS-Geschichtsbild und die deutsche Geschichtswissenschaft. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 1967.
  • Margareta Kinner: Karl Alexander von Müller (1882–1964). Historiker und Publizist. Dissertation, Universität München 1997.
  • Monika Stoermer: Die Bayerische Akademie der Wissenschaften im Dritten Reich. In: Acta historica Leopoldina Nr. 22, 1995, S. 89–111.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Patricia von Papen: „Schützenhilfe nationalsozialistischer Judenpolitik. Die ‚Judenforschung‘ des ‚Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschland‘ 1935-1945“, in: Fritz Bauer Institut (Hrsg.): „Beseitigung des jüdischen Einflusses…“ Antisemitische Forschung, Eliten und Karrieren im Nationalsozialismus. Jahrbuch 1998/99 zur Geschichte und Wirkung des Holocaust. Campus-Verlag, Frankfurt/Main & New York 1999, S. 19, 37. ISBN 3-593-36098-5.
  2. a b Karl Ludwig Ay: Müller, Karl Alexander von, Historiker. In: Wolfgang Benz und Hermann Graml (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik. Beck, München 1988, ISBN 3-406-32988-8.
  3. Vgl. dessen Autobiographie Als die Schatten fielen. Erinnerungen vom Jahrhundertbeginn zur Jahrtausendwende. Ullstein, Frankfurt am Main 1969.
  4. a b c d Hans Wolfram v. Hentig: Müller, Karl Alexander v., Historiker. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 18, Duncker & Humblot, Berlin 1997, S. 440–442.
  5. Hauptstaatsarchiv München, Abt II, Gruppen-Kdo. 4, Bd. 50/6.
  6. a b Vgl. Wolfgang Weber: Biographisches Lexikon zur Geschichtswissenschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 2. Auflage, Lang, 1987.
  7. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-m.html

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