- Klasse (Mengenlehre)
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Als Klasse wird heute in der Mathematik, Klassenlogik und Mengenlehre eine Zusammenfassung beliebiger Objekte bezeichnet. Eine Klasse wird definiert durch eine logische Eigenschaft, die alle Objekte der Klasse erfüllen. Vom Klassenbegriff ist der Mengenbegriff zu unterscheiden. Nicht alle Klassen sind automatisch auch Mengen, weil Mengen zusätzliche Bedingungen erfüllen müssen. Mengen sind aber stets Klassen.
Ein speziellerer Klassenbegriff, der nicht im Artikel behandelt wird, liegt bei Äquivalenzklassen vor. Hier handelt es sich um eine Zerlegung einer Klasse oder Menge in disjunkte Teilklassen.
Inhaltsverzeichnis
Zur Geschichte
In der Mathematik des 19. Jahrhunderts wurden die Begriffe „Klasse“ und „Menge“ weitgehend synonym verwendet und waren ungenügend festgelegt, so dass widersprüchliche Interpretationen möglich waren. Im 20. Jahrhundert wurden sie im Zuge der Axiomatisierung der Mengenlehre getrennt und nach und nach präzisiert. Der Begriff „Klasse“ ist seither umfassender als der Begriff „Menge“. Klassen unterliegen keinen Einschränkungen in ihrer Bildung oder Definition. Sie dürfen aber oft nur eingeschränkt verwendet werden, damit nicht die Widersprüche der naiven Mengenlehre entstehen. Zum Beispiel können nicht alle Klassen Elemente von Mengen sein. Nur ein unsachgemäßer Umgang mit Klassen ist daher problematisch und erzeugt Widersprüche.
Definitionen
Ist A(x) eine beliebige logisch korrekt gebildete Aussage mit der Variablen x, so wird die Gesamtheit aller Objekte x, die die Aussage A(x) erfüllen, als eine Klasse bezeichnet und als {x | A(x)} notiert. Ferner gilt die Definition {y | A(y)} = {x | A(x)} für Variablen y, die in der Aussage A(x) nicht vorkommen; x und y sind hier gebundene Variablen.
Klassen in dieser Darstellung und Schreibweise werden in der Mathematik-Praxis heute überall verwendet, unabhängig davon, welche axiomatische Grundlage vorausgesetzt wird. Für ihre Anwendung ist es also nicht entscheidend, ob die Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre ZF oder die Neumann-Bernays-Gödel-Mengenlehre NBG oder ein anderes Axiomensystem zugrunde gelegt wird. In ZF und NBG sind aber Klassen {x | A(x)} keine offiziellen Terme, sondern werden nur zur praktischen Darstellung benutzt; dort liegt also genau genommen eine inoffizielle Klassenschreibweise vor, die nicht streng zur formalen Sprache gehört. Erst durch zusätzliche Axiomenschemata werden sie in die logische Sprache korrekt einbezogen, in ZF durch folgende:[1][2]
Das Abstraktionsprinzip erfasst die in der Definition genannte Klasseneigenschaft:
Das Extensionaliätsprinzip beschreibt die Gleichheit von Klassen durch Übereinstimmung ihrer Elemente:
Das Komprehensionsprinzip legt die Existenz einer Klasse als Element fest:
Diese Schemata werden in der mathematischen Praxis ständig gebraucht. Die moderne Klassenlogik berücksichtigt diese Praxis und etabliert Klassenterme in ihrer logischen Sprache. Dort besagt aber ein Klassenterm gar nichts über die Existenz einer Klasse! Die Klassenlogik ist daher nur ein syntaktisch reichhaltiger logischer Rahmen, der eine bequemere optimierte Darstellung erlaubt und es gestattet, beliebige Klassen ohne die Gefahr eines Widerspruchs in jeden Kontext einzusetzen. Klassenvariablen sind hier freie Variablen, in gebundene Variablen können dagegen nur Elemente eingesetzt werden können, speziell auch alle Mengen, die das Kriterium im Komprehensionsprinzip erfüllen müssen.
Klassen können mit denselben Operatoren wie Mengen verknüpft werden, nämlich mit den Operatoren eines booleschen Verbands und und mit dem Elementprädikat .[3] Genauso sind auf Klassen auch die in der Mengenlehre üblichen Definitionen übertragbar, etwa das Teilprädikat , die Potenz , die Vereinigung oder der Durchschnitt .[4] Es gelten dann auch alle grundlegenden Sätze; manche speziellen Sätze der Mengenlehre, die gewisse Mengenbildungen (existente Klassen) voraussetzen, gelten aber nicht, weil Mengen in verschiedenen Mengenlehren unterschiedlich definiert sind. Es gilt aber immer, dass jede Menge eine Klasse ist. Die Umkehrung gilt jedoch nicht, weil wegen der Widersprüche der naiven Mengenlehre nicht alle Klassen auch Mengen sind.
Echte Klassen
Klassen, die keine Mengen sind, heißen üblicherweise echte Klassen. Das heißt, echte Klassen erfüllen gewisse Axiome der Mengenlehre nicht, wobei meist die Axiome der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre (ZF) gemeint sind, aber prinzipiell auch andere axiomatische Mengenlehren in Frage kommen. Zu den echten Klassen gehören insbesondere alle Klassen, die kein Element einer anderen Klasse oder Menge sein können, da zur Menge x immer die Menge {x} gebildet werden kann.
Beispiele für echte Klassen:
- Die Klasse aller Objekte, die sogenannte Allklasse: {x | x = x}. In der Mengenlehre ist dies die Klasse aller Mengen.
- Die Klasse aller Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten, die sogenannte Russellsche Klasse: .
- Die Klasse aller einelementigen Mengen.
- Die Klasse aller Ordinalzahlen.
- Die Klasse aller Kardinalzahlen.
- Die Klasse aller Objekte einer bestimmten Kategorie ist oft eine echte Klasse, zum Beispiel die Klasse aller Gruppen oder die Klasse aller Vektorräume über einem Körper. Aus dem Beispiel der Klasse aller einelementigen Mengen folgt, dass bereits die Klasse aller trivialen Gruppen eine echte Klasse ist. Aber da auch zu jeder Kardinalzahl eine Gruppe dieser Ordnung bzw. ein Vektorraum dieser Dimension existiert, gibt es auch keine äquivalente Unterkategorie, deren Objekte eine Menge bilden. Dagegen ist die volle Unterkategorie der Vektorräume Kn für natürliche n äquivalent zur Kategorie aller endlichdimensionalen Vektorräume.
- Die Klasse der surrealen Zahlen. Diese hat alle Eigenschaften eines Körpers, außer der Eigenschaft, eine Menge zu sein.
- Quine-Individuen mit {x} = x.[5] Sie verletzen in der Mengenlehre das Fundierungsaxiom.
Informell kann man sagen, dass eine Klasse echt ist, wenn sie „zu groß“ ist, um eine Menge zu sein; daher spricht man auch inoffiziell von „Unmengen“ in Anspielung auf die umgangssprachliche Bedeutung einer unüberschaubaren Menge. So ist etwa die Klasse aller ganzen Zahlen eine Menge – zwar unendlich groß, aber doch handhabbar; die Klasse aller Gruppen hingegen, sowie die Klasse aller Mengen, sind „zu groß“ und daher echte Klassen. Die Umkehrung, dass echte Klassen immer zu große Klassen sind, gilt nicht unbedingt, denn es gibt in gewissen Mengenlehren auch kleine echte Klassen, wie das letzte Beispiel belegt.
Echte Klassen unterliegen nicht den Mengenaxiomen. Zum Beispiel verletzt die Potenz der Allklasse Cantors zweites Diagonalargument für Potenzmengen; diese Cantorsche Antinomie nützte Cantor zum indirekten Beweis dafür, dass die Allklasse keine Menge, sondern eine echte Klasse ist. Auch andere Paradoxa der naiven Mengenlehre beweisen indirekt, dass eine bestimmte Klasse echt ist: So wird das Burali-Forti-Paradoxon ein Beweis für die Echtheit der Klasse aller Ordinalzahlen und die Russellsche Antinomie ein Beweis für die Echtheit der Russellschen Klasse.
Virtuelle Klassen
In der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre ZF sind alle existenten Objekte Mengen. Üblicherweise wird ZF auf einer Prädikatenlogik mit Elementprädikat aufgebaut und hat dann streng genommen keine Klassenterme der Form {x | A(x)}, da diese dort nicht korrekt definierbar sind. Gleiches gilt auch für die Neumann-Bernays-Gödel-Mengenlehre NBG, in der echte Klassen existieren, aber ohne offizielle Klassenschreibsweise. Verbreitet ist in beiden Fällen aber eine teilweise Aufstockung zu einer Klassenlogik mit virtuellen Klassen nach Quine; hier wird {x | A(x)} zwar nicht als Term, aber als Teilterm in festgelegten Kontexten gebraucht.[6] Zu diesen festen Kontexten gehören die oben genannten Prinzipien.
Klassenterme
Wählt man statt einer Prädikatenlogik eine Klassenlogik als Basis, dann wird jede beliebige Klasse {x | A(x)} zum korrekten, vollwertigen Term. Dies ist beispielsweise in der Oberschelp-Mengenlehre möglich, die eine Weiterentwicklung der Quine-Mengenlehre zu einer ZFC-Klassenlogik ist. Diese Basis kann man genauso auch für NBG wählen. Erst solche klassenlogischen Versionen der Mengenlehre bieten den optimalen Komfort für eine präzise Mengensprache, die der mathematischen Praxis in jeder Hinsicht gerecht wird. Auch hier gilt obiges quantifiziertes Abstraktionsprinizip, nicht aber Freges unquantifiziertes Abstraktionsprinzip ,[7] da es wegen der freien Variablen y widersprüchlich ist und durch Einsetzen der Russellschen Klasse die Russellsche Antinomie erzeugt.
Einzelnachweise
- ↑ Arnold Oberschelp: Allgemeine Mengenlehre, 1994, S. 262, 41.7
- ↑ Ein gleichwertiges Extensionalitätsaxiom mit freien Variablen für beliebige Klassen hat auch die Ackermann-Mengenlehre.
- ↑ Arnold Oberschelp: Allgemeine Mengenlehre, 1994, S. 38-41.
- ↑ Arnold Oberschelp: Allgemeine Mengenlehre, 1994, S. 230.
- ↑ Quine, Willard Van Orman: Mengenlehre und ihre Logik, Braunschweig 1973, S. 24
- ↑ Quine, Willard Van Orman: Mengenlehre und ihre Logik, Braunschweig 1973, S. 12
- ↑ Gottlob Frege: Grundgesetze der Arithmetik, I, 1893, S. 52
Literatur
- Arnold Oberschelp: Allgemeine Mengenlehre, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich, 1994, ISBN 3-860-25451-0.
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