- Kleine Münze
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Kleine Münze bedeutet im Urheberrecht Deutschlands (niedergelegt im UrhG) die unterste Grenze eines gerade eben noch urheberrechtlich geschützten Werkes. Der Begriff betrifft Gestaltungen, die die Anforderungen des urheberrechtlichen Werkbegriffs erfüllen und so für einen rechtlichen Schutz prinzipiell in Betracht kommen. Allerdings verfügen sie über eine lediglich geringe schöpferische Ausdruckskraft (sog. Schöpfungs-, Gestaltungs-, oder Werkhöhe); das lässt die Schutzwürdigkeit wiederum anzweifeln. Das deutsche Recht akzeptiert die kleine Münze – außer bei Gebrauchsgrafiken – seit je als urheberrechtlich schutzwürdig.
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Die kleine Münze bestimmt die unterste Grenze urheberrechtlich schützbarer Werke. Das in Frage kommende Werk muss neben den Anforderungen an den Werkbegriff über ein ausreichendes Maß an schöpferischem Inhalt verfügen. Der Begriff „kleine Münze“ besagt lediglich, dass die Messlatte in Hinblick auf die Gestaltungshöhe niedrig angelegt sein kann. So sind auch einfache Werke durch das Urheberrecht schützbar, die über ein schwaches Maß an individueller, schöpferischer und gestalterischer Ausdruckskraft verfügen. Maßgeblich ist, dass eine schöpferisch wertvolle und daher schutzwürdige Errungenschaft erschaffen wurde (siehe auch hierzu: Schöpfungshöhe). Der Grad an notwendiger Ausdruckskraft wird bei den verschiedenen Werkarten in unterschiedlich starkem Maße eingefordert: So ist die Schutzuntergrenze bei Werken der Literatur höher angesetzt, wohingegen auf musikalischem Gebiet auch einfachste Melodien wie z. B. Jingles als kleine Münze schutzwürdig sein können.
Sie ist jedoch scharf von Durchschnittsgestaltungen, Alltäglichem, Banalem und reinen Handwerksleistungen abzugrenzen, die das notwendige Maß an schöpferischem Inhalt verfehlen, somit unterhalb der kleinen Münze anzusiedeln sind und urheberrechtlich folglich keinen Schutz für sich beanspruchen können. Zur Bestimmung der Untergrenze konnten sich keine klaren Richtlinien etablieren, nach denen bestimmt werden könnte, wann etwas noch als kleine Münze urheberrechtlich geschützt ist und wann der Status verfehlt und somit Jedermann das Werk in beliebiger Weise verwenden kann. Wo fängt Komponieren an, falls jemand eine Melodie pfeift? Dies macht stets eine Betrachtung im Einzelfall notwendig, woran sich auch die Rechtsprechung orientiert.
Bei angewandter Kunst wie zum Beispiel Gebrauchsgrafik oder Produktdesign findet der Schutz der kleinen Münze keine Anwendung. Das Bundesverfassungsgericht begründet dies mit der Möglichkeit des Geschmacksmusterschutzes für kunsthandwerkliche Arbeiten, welcher das Urheberrecht im unteren schützenswerten Bereich als lex specialis verdrängt.
Geschichtliche Hintergründe
Entstehung
Der Begriff „Kleine Münze“ wurde bereits 1921 von dem Rechtswissenschaftler Alexander Elster in seinem Grundlagenlehrbuch Gewerblicher Rechtsschutz geprägt und hielt schnell Einzug in die juristische Fachsprache. Auch die Gerichtsbarkeit ging seit der Weimarer Republik davon aus, dass lediglich ein „geringer Grad individuellen Schaffens“ zur Begründung einer Schutzwürdigkeit ausreiche. Das deutsche Urheberrecht der Bundesrepublik hielt vor und nach Einführung des Urheberrechtsgesetzes im Jahre 1965 an dieser Rechtstradition fest. Auch der Bundesgerichtshof steht in Bezug auf die sogenannte kleine Münze nach wie vor in der Tradition der Rechtsprechung des Reichsgerichts.
Jüngere Entwicklung
Zunehmend wird Kritik am Rechtsinstitut der kleinen Münze laut. So wird oft vorgebracht, dass sie nahezu willkürlich bestimmt werden könne und keinen klaren Kriterien unterliege. Dabei wird oft als ausreichend betrachtet, wenn der Schutz simpel ausgestalteter Werke durch das Wettbewerbsrecht oder ein eigens dafür eingerichtetes Gesetz (z. B. OlympSchG) übernommen werden würde. Dadurch könne zumindest der Ausbeutung von cleveren Einfällen vorgebeugt werden. Dem wird allerdings bis heute entgegen gehalten, dass das Urheberrecht gerade auch zum Schutz der kleinen, kulturellen Errungenschaften eingerichtet worden ist. Daher würde eine lockerere Handhabung wohl dem Willen des Gesetzgebers widersprechen. Konkrete gesetzgeberische Maßnahmen zur Abschaffung oder Aufweichung des Schutzes der kleinen Münze sind zur Zeit nicht ersichtlich.
Beispiele
Beispiele für Werke, die trotz ihrer geringen individuellen Eigenart urheberrechtlichen Schutz genießen, sind: einfache Rezept- oder Musiksammlungen, simple Computerprogramme, einprägsame Tonabfolgen (z. B. Jingles) und Ähnliches. Beispielsweise ist die Sechs-Ton-Folge der Tagesschau trotz ihrer Einfachheit urheberrechtlich geschützt. Zu weiteren konkreten Beispielen aus der Rechtsprechung siehe unten.
Literatur
Lehre
- Manfred Rehbinder: „Urheberrecht“, 14. Auflage, Beck, München 2006; ISBN 3-406-54226-3
- Gerhard Schricker (Hrsg.): „Urheberrecht – Kommentar“, 3. Auflage, Beck, München 2006; ISBN 3-406-53783-9
- Haimo Schack: „Urheber- und Urhebervertragsrecht“, 4. Auflage, Mohr Siebeck, Tübingen 2007; ISBN 3-16-149489-X
Rechtsprechung
- BGH in Archiv für Urheber- und Medienrecht (UFITA) 1968, S. 315 (315ff.) (Gaudeamus igitur)
- BGH Urteil vom 26. September 1980 – Az. I ZR 17/78 – in GRUR 1981, S. 267 (267ff.) (Dirlada)
- BGH Urteil vom 3. Februar 1988 – Az. I ZR 143/86 – in GRUR 1988, S. 810 (810ff.) (Fantasy)
- BGH Urteil vom 3. Februar 1988 – Az. I ZR 142/86 – in GRUR 1988, S. 812 (812ff.) (Ein bißchen Frieden)
- BGH Urteil vom 24. Januar 1991 – Az. I ZR 72/89 – in GRUR 1991, S. 533 (Brown Girl II)
- BGH Urteil vom 22. Juni 1995 – Az. I ZR 119/93 – in GRUR 1995, S. 581 (581ff.) zur angewandten Kunst (Silberdistel)
- BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 2005, Az. 1 BvR 1571/02 zur angewandten Kunst (Laufendes Auge)
Weblinks
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