Konrad Martin

Konrad Martin
Bischof Konrad Martin (Foto als Konzilsvater 1870)
Bischof Konrad Martin
Büste von Konrad Martin, in Paderborn vor dem Konrad-Martin-Haus

Konrad Martin (* 18. Mai 1812 in Geismar im Eichsfeld; † 16. Juli 1879 in St. Guibert) war 1856 bis 1875 Bischof von Paderborn.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Konrad Martin wurde als das siebte von acht Kindern des Ehepaares Johann Martin und Regina, geborene Schuchardt, geboren. Mit 18 Jahren verließ er das Gymnasium mit einem hervorragenden Abiturzeugnis und er studierte danach in Halle orientalische Sprachen, in München und Würzburg katholische Theologie und war am 27. Februar 1836 in Köln zum Priester geweiht. Er war darauf Rektor des Progymnasiums in Wipperfürth, dann Religionslehrer am katholischen Gymnasium in Köln und 1844 Professor der Theologie und Inspektor des Konvikts in Bonn. 1856 zum Bischof von Paderborn erwählt, entwickelte er eine unermüdliche Tätigkeit, um den kirchlichen Geist namentlich in der Diaspora in Sachsen und Thüringen, die seiner Diözese zugeteilt waren, zu heben; er errichtete in Paderborn ein Konvikt, in Heiligenstadt ein Knabenseminar und bewirkte die Stiftung zahlreicher neuer Pfarreien und den Bau vieler katholischer Kirchen in protestantischen Orten.

In seinen Schriften Ein bischöfliches Wort an die Protestanten Deutschlands (1864) und Zweites Wort etc. (1866) behandelte er die Protestanten seiner Diözese als seine Untergebenen, und die Bekehrung von Protestanten zum Katholizismus sowie die katholische Taufe aller Kinder gemischter Ehen wurde von ihm nicht ohne Erfolg betrieben; ja, er knüpfte auch mit orthodoxen lutherischen Pastoren Verhandlungen über ihre „Rückkehr“ zur katholischen Kirche an. Die Ansiedelung von Jesuiten wurde von ihm besonders begünstigt.

1869 wurde er nach Rom berufen, um an den Vorarbeiten für das Erste Vatikanische Konzil teilzunehmen. Auf demselben war er Mitglied der dogmatischen Kongregation und eifriger Vorkämpfer für die Infallibilität, welche er auch schriftstellerisch verteidigte (Die Arbeiten des vatikanischen Konzils, 3. Aufl., Paderborn 1873; Vaticani concilii documentorum collectio). Als in Preußen der Kulturkampf ausbrach, den Martin mit der Diokletianischen Verfolgung verglich, gehörte er natürlich zu den schärfsten Gegnern der Regierung und bot derselben durch Ungehorsam und dreiste Verletzung der Maigesetze Trotz. Wiederholt zu hohen Geldstrafen, endlich 1874 zu Festungshaft verurteilt und im Januar 1875 abgesetzt, war er in Wesel interniert, von wo er jedoch im Sommer 1875 nach Belgien floh. Hier starb er am 16. Juli 1879 und wurde in Paderborn beigesetzt. Er war Ehrenbürger von Brilon.

Martin war seit 1869 Vorkämpfer für das Unfehlbarkeitsdogma. Es läuft ein Seligsprechungsverfahren.

Antijudaismus

In mehreren Abhandlungen setzte Martin sich 1848 mit den religiösen Schriften des Judentums, insbesondere mit dem Talmud, auseinander. Das Ergebnis ist eine stark antijudaistische Schrift:

„Der Hochmut, den das Judentum im Namen Gottes seinen Bekennern einprägt, grenzt fast an Wahnsinn und erklärt hinreichend alle Gehässigkeiten, deren sich der Jude im Benehmen gegen den Nichtjuden von je her schuldig gemacht hat …“

Blicke in’s Thalmud’sche Judenthum, in: Katholische Vierteljahresschrift für Kunst und Wissenschaft, Bonn, Neue Folge; 1848, zit. nach Noack, S. 73

Martin behauptete, Juden würden gegenüber Nichtjuden Falscheide schwören und die talmudischen Schriften würden Wucher nicht nur erlauben, sondern sogar empfehlen.[1] Selbst der Vorwurf des Ritualmordes findet sich darin formuliert. Von jüdischen Gelehrten wurden diese Schriften begutachtet und sie kommen durchweg zu dem Ergebnis, dass Martin sich nicht mit den Originaltexten befasst haben kann, er sich vielmehr unter anderem auf den judenfeindlichen Dominikaner Raimund Martin aus dem 13. Jahrhundert berief. Die Übersetzungen von Textstellen des Talmud durch Konrad Martin wiesen demnach ganz erhebliche judenfeindliche Entstellungen auf.[2]

Diese Übersetzungen nahmen in der Folgezeit wiederholt Eingang in antisemitische Schriften. Martins Abhandlung wurde 1876 von Joseph Rebbert erneut unter dem gleichen Titel herausgegeben, veröffentlicht bei der Bonifacius-Druckerei in Paderborn. Rebbert untermauerte darin mit Martins Übersetzungen die von August Rohling im „Talmudjuden“ verbreiteten antisemitischen Zitate.[3] Martin selbst ging es vor allem darum, Juden zum Christentum zu bekehren. Gleichzeitig wandte er sich vehement gegen die Emanzipation der Juden und den damit einhergehenden bürgerlichen Rechten.

Einer der heftigsten Kritiker Konrad Martins von nichtjüdischer Seite war der Jurist Joseph Kolkmann.

Werke

  • Religionsbuch für Höhere Lehranstalten, 2 Bände; 1844
  • Blicke in’s Thalmud’sche Judenthum, in: Katholische Vierteljahresschrift für Kunst und Wissenschaft, Bonn, Neue Folge; 1848
  • Drei Jahre aus meinem Leben; 1877

Literatur

  • Noack, Hannelore: Unbelehrbar? Antijüdische Agitation mit entstellten Talmudzitaten – antisemitische Aufwiegelung durch Verteufelung der Juden; University Press Paderborn 2001 (Diss. 1999) ISBN 3-935023-99-5

Einzelnachweise

  1. vgl. Noack: Unbelehrbar, aaO, S. 76, S.121
  2. vgl. Noack: Unbelehrbar, aaO, S. 76f.
  3. Noack, aaO, S. 98

Weblinks


Vorgänger Amt Nachfolger
Franz Drepper Bischof von Paderborn
18561879
Franz Kaspar Drobe

Text Brockhaus Kleines Conversationslexikon 1886 Leipzig


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Konrad Martin — Konrad Martin. Konrad Martin (18 May 1812, at Geismar, Province of Saxony – 16 July 1879, at Mont St Guibert, near Brussels, Belgium) was a Catholic Bishop of Paderborn. Life He studied at first under an elder brother who was a priest, and later… …   Wikipedia

  • Konrad Martin —     Konrad Martin     † Catholic Encyclopedia ► Konrad Martin     Bishop of Paderborn; b. 18 May, 1812, at Geismar, Province of Saxony; d. 16 July, 1879, at Mont St Guibert, near Brussels, Belgium. He studied at first under an elder brother who… …   Catholic encyclopedia

  • Konrad Martin (Zofingen) — Konrad Martin (auch Chunrat, Chuonrad, Cunrat, Marty und Marti; † 1426) war ein Geistlicher und niedriger Dienstadliger in Zofingen und den habsburgischen Vorlanden. Martin besaß Pfründe an verschiedenen Orten, so in Kriens, und war ab 1397… …   Deutsch Wikipedia

  • Konrad Martin (Ökologe) — Konrad Martin (* 1959) ist ein deutscher Ökologe und Honorarprofessor an der Universität Hohenheim. Er beschäftigt sich vor allem mit der Agrarökologie. Arbeit Martin forscht zur ländlichen Entwicklung in China (Projkettitel: Ländliche… …   Deutsch Wikipedia

  • Martín — Martin ist ein männlicher Vorname und Familienname. Die weibliche Form des Namens lautet Martina. Der Nachname Martin ist in vielen Ländern verbreitet. In Frankreich zum Beispiel ist er der häufigste Familienname und auch im englischsprachigen… …   Deutsch Wikipedia

  • Martin (Name) — Martin ist ein männlicher Vorname und Familienname. Die weibliche Form des Namens lautet Martina. Der Nachname Martin ist in vielen Ländern verbreitet. In Frankreich zum Beispiel ist er der häufigste Familienname und auch im englischsprachigen… …   Deutsch Wikipedia

  • Konrad Westermayr (Maler) — Selbstbildnis, stehend I, 1912 Konrad Westermayr (* 11. Januar 1883[Anm. 1] in Ramsau bei Berchtesgaden; † 2. August 1917 in Ypern) war ein deutscher Maler des Spätimpressionismus …   Deutsch Wikipedia

  • Konrad Elsässer — (* 1948 in Geislingen an der Steige) ist Business Coach, Autor und Stiftungsgründer. Er ist Großneffe von Martin Elsaesser sowie Vetter von Regine Elsässer und Thomas Elsaesser. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Professionelle Entwicklung …   Deutsch Wikipedia

  • Konrad (Swantiboride) — Konrad II. (* unbekannt; † Ende 1233) war ein Bischof von Cammin. Leben Nach dem Tod des Bischofs Sigwin wurde Konrad 1219 zum neuen Bischof gewählt und 1220 vom Papst bestätigt. Der Titel „Bischof von Pommern“ wurde 1219 letztmalig in einer… …   Deutsch Wikipedia

  • Konrad II. von Cammin — Konrad II. (* unbekannt; † Ende 1233) war ein Bischof von Cammin. Leben Nach dem Tod des Bischofs Sigwin wurde Konrad 1219 zum neuen Bischof gewählt und 1220 vom Papst bestätigt. Der Titel „Bischof von Pommern“ wurde 1219 letztmalig in einer… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”