Kontrastmittelinduziertes Nierenversagen

Kontrastmittelinduziertes Nierenversagen
Klassifikation nach ICD-10
N99.0 Nierenversagen nach medizinischen Maßnahmen
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Als Kontrastmittelinduziertes Nierenversagen wird in der Medizin ein akutes Nierenversagen nach der Anwendung von Röntgenkontrastmitteln bezeichnet. Als Ursache des kontrastmittelinduzierten Nierenversagens werden eine direkte toxische Schädigung der Nierentubuluszellen durch das Kontrastmittel aber auch eine Verengung der Nierengefäße (Vasokonstriktion), die zu einer Abnahme der Sauerstoffversorgung im Nierenmark führt, diskutiert.[1]

Inhaltsverzeichnis

Risikogruppen

Das Risiko eines Kontrastmittelinduzierten Nierenversagens ist bei einigen Patientengruppen besonders erhöht; die Inzidenz beträgt in diesen Gruppen je nach Studie 1 - 45 %. Hierzu zählen:

Diagnose

Die Abnahme der Nierenfunktion äußert sich meist in einem Anstieg des Serum-Kreatinins 12 bis 24 Stunden nach Gabe des Kontrastmittels. Eine Abnahme der Urinmenge (Oligurie) ist in der Regel nicht zu beobachten. Meist ist der Abfall der Nierenfunktion vorübergehend. Nur in seltenen Fällen kann eine Dialysebehandlung erforderlich werden, meist dann, wenn zum Zeitpunkt der Kontrastmittelgabe bereits eine erhebliche Einschränkung der Nierenfunktion bestand.

Differentialdiagnostisch müssen eine akute Tubulusnekrose oder die Einschwemmung eines Blutgerinnsels (Embolie) in die Nierengefäße in Betracht gezogen werden.

Behandlung

Eine optimale Behandlung des kontrastmittelinduzierten Nierenversagens ist nicht bekannt. Bei Patienten mit normaler Nierenfunktion oder milder Nierenfunktionseinschränkung ist das Risiko gering (Inzidenz < 1–2 %). Es sollte lediglich ein Volumenmangel zum Zeitpunkt der Untersuchung vermieden werden.

Bei moderater oder schwerer Nierenfunktionseinschränkung (Serum-Kreatinin >1,5 mg/dl beziehungsweise glomeruläre Filtrationsrate <60 ml/1,73 m²) sollten vorbeugende Maßnahmen erfolgen, insbesondere wenn zusätzlich ein Diabetes mellitus besteht. Wenn möglich, sollte auf Kontrastmitteluntersuchungen ganz verzichtet werden. Eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie), eine Kernspintomographie ohne Gadolinium oder eine Computertomographie ohne Kontrastmittelgabe können ohne Einschränkungen durchgeführt werden. Ist eine Kontrastmittelgabe nicht vermeidbar, kann das Risiko eines Nierenversagens durch folgende Maßnahmen reduziert werden:

  • Im besten belegt ist der Nutzen einer prophylaktischen intravenösen Flüssigkeitszufuhr. Trotz einer Vielzahl von Studien konnte bislang nicht geklärt werden, ob isotone Bicarbonatlösung einer physiologischer Kochsalzlösung überlegen ist.[2][3][4][5][6] Die ursprünglich benutzte Halbelektrolytlösung ist dagegen nicht mehr gebräuchlich.[7] Gebräuchliche Therapieschemata sind z. B.:
    • Isotone Bicarbonatlösung (150 ml Natriumbicarbonat 1 meq/ml, ad 850 ml Glukose 5 %), 3 ml/kg eine Stunde vor der Untersuchung und 1 ml/kg/Stunde über 6 Stunden nach dem Eingriff.
    • Physiologische Kochsalzlösung 1 ml/kg/Stunde, Beginn mindestens 2 Stunden, besser 6–12 Stunden vor der Untersuchung bis 6–12 Stunden nach der Untersuchung. Je stärker die Nierenfunktionseinschränkung, desto länger sollte die Flüssigkeitsgabe erfolgen.[8]
  • Verzicht auf hoch-osmolare Kontrastmittel, nach Möglichkeit Verwendung niedrig-osmolarer Kontrastmittel. Der zusätzliche Nutzen iso-osmolarer Kontrastmittel ist umstritten.[9][10][11]
  • Gabe einer möglichst geringen Menge an Kontrastmittel
  • Vermeidung wiederholter Kontrastmittelgaben innerhalb von 48 Stunden
  • Ausgleich eines Volumenmangels durch Flüssigkeitszufuhr
  • Vermeidung der gleichzeitige Gabe von nierenschädigenden Medikamenten wie zum Beispiel nichtsteroidaler Antiphlogistika, zu denen die am weitesten verbreiteten Schmerzmedikamente (Diclofenac, Ibuprofen u. ä.) gehören.
  • Die Gabe von Acetylcystein ist umstritten. Während einige wenige Studien eine hohe Wirksamkeit der Acetylcystein-Prophylaxe fanden, zeigte sich in der Mehrzahl der Untersuchungen kein signifikanter Effekt. Es werden jeweils 2 x 600 mg bis 2 x 1200 mg am Tag vor der Untersuchung und am Untersuchungstag gegeben. Für die Gabe von Acetylcystein sprechen die geringen Nebenwirkungen und der niedrige Preis. [12]
  • Einen ungünstigen Effekt haben Furosemid und Mannitol.[13]
  • Eine prophylaktische Dialysebehandlung wird derzeit nicht empfohlen.

Prognose

Bei Patienten mit kontrastmittelinduziertem Nierenversagen ist im weiteren Verlauf die Sterblichkeit (Mortalität) erhöht. Es ist nicht geklärt, ob die erhöhte Mortalität auf das kontrastmittelinduzierte Nierenversagen zurückzuführen ist, oder darauf, dass bei Risikopatienten Häufigkeit von kontrastmittelinduziertem Nierenversagen und Mortalität gleichzeitig erhöht sind.[14]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Samuel N. Heyman et al.: Renal Parenchymal Hypoxia, Hypoxia Adaptation, and the Pathogenesis of Radiocontrast Nephropathy. In: Clin J Am Soc Nephrol. Nr. 3, 2008, S. 288-296 (Abstract).
  2. Merten GJ et al.: Prevention of contrast-induced nephropathy with sodium bicarbonate: A randomized controlled trial. In: JAMA. Nr. 291, 2004, S. 2328 –2334 (Artikel).
  3. Vijayalakshmi Kunadian, et al.: Sodium bicarbonate for the prevention of contrast induced nephropathy: A meta-analysis of published clinical trials. In: European Journal of Radiology. 2010-01-12. doi:10.1016/j.ejrad.2009.12.015. Abgerufen am 21. August 2010.
  4. Mauro Maioli, et al.: Sodium bicarbonate versus saline for the prevention of contrast-induced nephropathy in patients with renal dysfunction undergoing coronary angiography or intervention. In: Journal of the American College of Cardiology. 52, Nr. 8, 2008-08-19, S. 599-604. doi:10.1016/j.jacc.2008.05.026. Abgerufen am 21. August 2010.
  5. Maryam Pakfetrat, et al.: A comparison of sodium bicarbonate infusion versus normal saline infusion and its combination with oral acetazolamide for prevention of contrast-induced nephropathy: a randomized, double-blind trial. In: International Urology and Nephrology. 41, Nr. 3, 2009, S. 629-634. doi:10.1007/s11255-008-9520-y. Abgerufen am 21. August 2010.
  6. Ali Vasheghani-Farahani, et al.: Sodium bicarbonate plus isotonic saline versus saline for prevention of contrast-induced nephropathy in patients undergoing coronary angiography: a randomized controlled trial. In: American Journal of Kidney Diseases: The Official Journal of the National Kidney Foundation. 54, Nr. 4, 2009-10, S. 610-618. doi:10.1053/j.ajkd.2009.05.016. Abgerufen am 21. August 2010.
  7. Mueller C et al.: Prevention of contrast media-associated nephropathy: Randomized comparison of 2 hydration regimens in 1620 patients undergoing coronary angioplasty. In: Arch Intern Med. Nr. 162, 2002, S. 329–336 (Artikel).
  8. Steven D. Weisbord, Paul M. Palevsky: Prevention of Contrast-Induced Nephropathy with Volume Expansion. In: Clin J Am Soc Nephrol. Nr. 3, 2008, S. 273-280 (Abstract).
  9. Richard J. Solomon et al.: Cardiac Angiography in Renally Impaired Patients (CARE) Study. In: Circulation. Nr. 115, 2007, S. 3189-3196 (Artikel).
  10. Sang-Ho Jo et al.: Renal Toxicity Evaluation and Comparison Between Visipaque (Iodixanol) and Hexabrix (Ioxaglate) in Patients With Renal Insufficiency Undergoing Coronary Angiography. In: J Am Coll Cardiol. Nr. 48, 2006, S. 924-930 (Artikel).
  11. Aspelin P et al.: Nephrotoxic effects in high-risk patients undergoing angiography. In: N Engl J Med. Nr. 348, 2003, S. 491 –499 (Abstract).
  12. Fishbane, Steven: N-Acetylcysteine in the Prevention of Contrast-Induced Nephropathy. In: Clin J Am Soc Nephrol. Nr. 3, 2008, S. 281-287 (Abstract).
  13. Solomon R et al.: Effects of saline, mannitol, and furosemide to prevent acute decreases in renal function induced by radiocontrast agents. In: N Engl J Med. Nr. 331, 1994, S. 1416 –1420 (Abstract).
  14. Michael Rudnick, Harold Feldman: Contrast-Induced Nephropathy: What Are the True Clinical Consequences?. In: Clin J Am Soc Nephrol. Nr. 3, 2008, S. 263-272 (Abstract).

Weblinks

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