Kreolen

Kreolen

Als Kreolen bezeichnet man die Nachkommen jener Menschen, die aus Afrika in die europäischen Kolonien und insbesondere nach Amerika verschleppt wurden. Dadurch ergaben sich verschiedene kulturelle und ethnische Mischgesellschaften, die kreolisch genannt wurden oder werden.

Der Begriff Kreole wurde in der frühen Kolonisierung Westafrikas durch die portugiesische Krone, insbesondere auf den Kapverdischen Inseln und in Guinea-Bissau geprägt und leitet sich aus dem portugiesischen „Crioulo“ und dem spanischen „Criollo“ ab, die beide auf dem Verb „criar“ (aufziehen, heranziehen, züchten) basieren.[1] „Crioulos“ und „Criollos“ waren also „Zöglinge“. Trotz der Wortähnlichkeit bezeichnen das portugiesische Crioulo und das spanische Criollo grundsätzlich verschiedene gesellschaftliche Realitäten. Das Wort „Criollo“ bezeichnet die Nachfahren von ausgewanderten Eltern zur Zeit der Kolonisierung.

Inhaltsverzeichnis

Portugiesische Crioulo

In der frühen Kolonialgeschichte Portugals entstanden kreolische Gesellschaften aus Ehen von Eheleuten verschiedener Herkunft aus Europa und Afrika und durch die Entstehung einer neuen, eigenständigen Kultur und Sprache.

Dies war nur in den ersten Jahrzehnten der Kolonialgeschichte möglich, solange keine weltliche oder religiös vermittelte rassistische Ideologie das familiäre Zusammenleben verbot. Die europäischstämmigen Väter hatten zumeist keine freie Frau und somit auch keine freien Kinder und den Wunsch, die versklavten Mitglieder ihrer Familie freizulassen.

In Kap Verde und Brasilien wurde die testamentarische Freilassung unter dem Einfluss der Jesuiten zum allgemeinen Brauch, und es entstand eine freie, gemischte Gesellschaft mit kreolischer Kultur und Identität, durchaus im Widerspruch zu den Regeln von Staat und Kirche. So bezeichnen sich heute die Angehörigen dieser Kulturen in Kap Verde, Guinea-Bissau, Sierra Leone, São Tomé und Príncipe, Angola und anderen ehemals portugiesischen Küstensiedlungen ebenso wie in Brasilien und Guyana als Kreolen.

Zumeist spiegelt sich der Ursprung dieser Menschen in ihrem Aussehen wider. Sie sind Mischlinge. Doch auch Familien rein europäischen, afrikanischen oder sonstigen Ursprungs können in die Kultur integriert worden sein und eine kreolische Identität angenommen haben. Verbindendes Glied kreolischer Identität ist in erster Linie die gemeinsame Kreolsprache.

Spanische Criollo

Der Begriff Criollo bezeichnet im spanischsprechenden Lateinamerika:

  • die im Lande geborenen Nachfahren von spanischen (oder anderen europäischen) Eltern, im Gegensatz zu den Mestizen oder Mischlingen,
  • in weiterem Sinne jeden, der in Lateinamerika geboren wurde und die jeweils landestypischen Charaktermerkmale trägt.

In den Spanischen Kolonien waren die höheren Stellen in Verwaltung und Kirche (Gouverneure, Bischöfe und andere) zunächst meist den im Heimatland geborenen Spaniern vorbehalten. Aus den in Amerika geborenen Spaniern oder „Criollos“ erwuchs daher im Laufe der Zeit eine Art Mittelschicht, deren Einfluss immer mehr zunahm. Verarmte oder illegitime Kinder von Spaniern waren dagegen oft besitzlos, erlernten Handwerksberufe, gingen in den Handel oder wurden auf den Landgütern der Spanier als Verwalter eingesetzt.

Im 18. und 19. Jahrhundert stellten in den meisten spanischen Kolonien die „Criollos“ die zahlenmäßig größte (Kuba, Hispaniola) oder zumindest eine in den Metropolen sehr große Bevölkerungsgruppe (Mexiko, Peru). Sie führten die Befreiungskämpfe im Rahmen der Südamerikanischen Unabhängigkeitskriege an, da sie sich von der Bevormundung durch spanische Verwalter befreien und zu mehr wirtschaftlichem und politischem Einfluss gelangen wollten.

In Lateinamerika werden mit dem Adjektiv „criollo“ heute auch all jene kulturellen Elemente bezeichnet, die weder rein indianisch noch aus Europa oder Afrika importiert sind, sondern in Amerika unter europäischem oder afrikanischem Einfluss entstanden sind, z. B. die „kreolische Musik“ (Merengue, Salsa, Mambo, Milonga usw.) oder die „kreolische Küche“.

Englische Creole

In den USA wurde aus „criollo“ schließlich „creole“, das zunächst eine Bezeichnung für die Nachkommen französischer oder spanischer Einwanderer bzw. Nachkommen der Bewohner der französischen Karibikkolonien in den Südstaaten, insbesondere in Louisiana war. Im Gegensatz dazu sind die dort lebenden Nachfahren der Bewohner Akadiens die Cajuns.

Der Begriff ist jedoch unklar definiert, beispielsweise wurden auch frühe deutsche Immigranten, die sich an der „German Coast“ entlang des Mississippi niederließen, als Creoles bezeichnet.

Atlantische Kreolen

Hauptartikel: Atlantische Kreolen

Der amerikanische Historiker Ira Berlin (*1941), der zwei Monografien über die Geschichte der Sklaverei in den Vereinigten Staaten veröffentlicht hat, verwendet den Begriff Atlantic creoles (deutsch: „Kreolen des Atlantik“) für (West-)Afrikaner, die vom 15. Jahrhundert an als Dolmetscher, Verhandlungsbeauftragte und Kaufleute mit europäischen – vor allem niederländischen, portugiesischen, britischen und französischen – Handelsschiffen mitreisten und in vielen Ländern und Kolonien diesseits und jenseits des Atlantiks eigene Handelsstützpunkte und Siedlungen bildeten. Die Europäer, die diese Kreolen aufgrund ihres transkulturellen Expertenwissens angeworben hatten, hielten sie oft aber auch als Sklaven. Die Atlantic creoles waren häufig – aber nicht immer – gemischter, d. h. afrikanischer und europäischer, Abstammung und entwickelten Pidgin- und später voll ausgebildete Kreolsprachen, die ihnen eine Kommunikation mit einer Vielzahl unterschiedlicher Muttersprachler ermöglichten. Wie Ira Berlin darstellt, rekrutierte sich aus den Atlantic creoles im 17. und 18. Jahrhundert die erste Generation dunkelhäutiger Sklaven auf dem späteren Staatsgebiet der USA.[2]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Suzanne Romaine: Pidgin and Creole languages. Longman, London 1988, S. 38.
  2. Ira Berlin: Generations of Captivity. A History of African-American Slaves. The Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge und London 2003, ISBN 0-674-01061-2, S. 21–49.

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