Kriegsherr

Kriegsherr

Kriegsherr ist im veralteten deutschen Sprachgebrauch der Monarch, wenn er das Recht zur Kriegserklärung aus eigenem Entschluss hatte.[1] Der deutsche Kaiser bezeichnete sich als „oberster Kriegsherr“.

Daraus auf Umwegen abgeleitet und mit neuer Wortbedeutung ist heute ein Kriegsherr (bzw. engl. Warlord) ein militärischer und politischer Anführer, der in einem begrenzten Gebiet eine absolute politische Macht ausübt.

„Kriegsherr“ ist nicht mit „Feldherr“ (einem Kommandeur einer großen regulären Truppe) zu verwechseln.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Erstmals tauchte der Begriff warlord als Lehnübersetzung des deutschen Begriffs Kriegsherr im Englischen im Zusammenhang mit der Republik China auf, da zwischen 1911 bis 1949 Teile des chinesischen Festlands von Kriegsherren kontrolliert wurden, die die Autorität der formell existierenden Zentralregierung in Nanjing nicht oder nur bedingt anerkannten.

Heute wird der Begriff des Kriegsherrn in allgemeinerem Sinne verwendet. Üblich ist inzwischen auch die Verwendung des englischen Begriffs.

Herausbildung von Kriegsherren

Ein Kriegsherr kann nur dann seine Position erreichen, wenn das Gewaltmonopol des Staates (zumindest lokal) zusammenbricht (Staatszerfall). Diese Situation tritt oft im Zusammenhang mit Bürgerkriegen auf; aber auch der Fall eines Machtvakuums, etwa nach einem Krieg oder dem Abzug von Besatzungstruppen, schafft die Bedingungen, unter denen Kriegsherren möglich werden. Bei Erfolg entwickeln sie sich unter Vernachlässigung ursprünglicher Ziele regelmäßig zu „Gewaltunternehmern“ (Georg Elwert). Elwert hat demgemäß das Aufkommen von Kriegsherren unter dem Gesichtspunkt der Entstehung von „Gewaltmärkten“ in „zerfallenden Staaten“ untersucht.

Vergleichbar sind auch die älteren Formen des „Räuberkapitalismus“ (Max Weber): Raubritter, Condottiere, Piraten.

Historische Beispiele für Kriegsherren

  • Das China in der Zeit der Drei Reiche – ca. 220 bis 280 n. Chr. – war von Kriegsherren geprägt, ehemaligen Kommandeuren und Beamten, die nach dem Zerfall der Han-Dynastie die Macht in ihren Provinzen übernahmen und diese als Machtbasis nutzten, um ihren Einfluss zu erweitern. Die Periode wurde auch literarisch verarbeitet. Der klassische chinesische Roman „Die Geschichte der drei Reiche“ ist eines der bedeutsamsten Werke der chinesischen Literatur und bis heute eines der beliebtesten.
  • In der ausgehenden Spätantike und dem Verfall des Römischen Reiches können mehrere Machthaber (wenngleich eingeschränkt) als bloße Kriegsherren aufgefasst werden, so die Gegenkaiser Silbannacus (zwischen 244 und 249) und Mussius Aemilianus (253); zuletzt eindeutig Syagrius (~464 bis ~486).
  • In Japan war die Sengoku-Zeit von 1477 bis 1600 ebenfalls durch streitende Kriegsherren dominiert. Bedeutende Kriegsherren waren Oda Nobunaga, Toyotomi Hideyoshi, Ieyasu Tokugawa und Takeda Shingen.
  • Erst im China der Ersten Republik (1912–1949) wurde der englische Begriff warlord geprägt. In China waren diese Kriegsherren in der Regel im Beamtenapparat aufgestiegene Angehörige der Gentry (niederer Land-Adel), die insbesondere in der Republik-Zeit (Herrschaft der Nationalpartei, chin. Guomindang, 1912–1949) als Gouverneure mehr oder weniger selbständig und mit eigener Hausmacht über Provinzen oder Teilgebiete Chinas herrschten. So z. B. herrschten Liu Wenhui über Sichuan, die Provinz, die sich östlich an Tibet anschließt, und der muslim-chinesische Hui-Gouverneur Ma Bufang in Amdo / Qinghai. Als eigentliche Periode der Kriegsherren gelten die Jahre 1916–1927. Nach dem Tod des chinesischen Diktators Yuan Shikais zerfiel die Autorität der Zentralregierung dermaßen, dass sie faktisch auf die Kontrolle der Hauptstadt Peking beschränkt war. Derjenige Kriegsherr, der Peking dominierte, stellte somit auch die Zentralregierung. Mit dem Nordfeldzug der Guomindang 1927 einigte Chiang Kai-shek das Land zwar formell unter der neuen nationalchinesischen Regierung in Nanking. Faktisch wechselten aber viele Kriegsherren einfach die Seiten anstatt wirklich militärisch besiegt zu werden. Bis zu Beginn des Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieges 1937 gelang es der Nationalregierung nur begrenzt die lokalen Machthaber unter Kontrolle zu bringen. Diese reagierten auf derartige Versuche immer wieder mit Aufständen, und der Kriegsherr Zhang Xueliang, auch als „Junger Marschall“ bekannt, unternahm es am 12. Dezember 1936 gar, den Staatspräsidenten Chiang Kai-shek zu entführen.

Es ist hervorzuheben, dass sich die Kriegsherren vor allem auf die lokale Kontrolle und Sicherung ihres Machtbereiches konzentrierten und nicht daran interessiert waren, das gesamte Land unter ihrer Führung zu vereinigen.

Warlords

In der Gegenwart wird häufig von „Warlords“ gesprochen. Ein Warlord ist eine Person, die militärische wie zivile Kontrolle über ein subnationales Territorium besitzt, gestützt auf bewaffnete Einheiten, die dem Warlord und nicht der zentralen Autorität gegenüber loyal sind. Beispiele für von Warlord dominierte Länder in der jüngsten Geschichte sind Somalia (Mohammed Farah Aidid, Ali Mahdi Mohammed) seit 1991, Afghanistan, die Demokratische Republik Kongo und der Sudan. Aber auch andere Länder der Dritten Welt kennen Kriegsherren, wenn auch in geringerem Ausmaße.

Warlord mit Kriegsherr zu übersetzen, ist zwar linguistisch korrekt; jedoch inhaltlich unvollständig. Der „Warlord“ ist mehr als ein Condottiere. Korrekter wäre die Übersetzung mit Kriegsfürst. Sie ist aber irreführend, weil Warlords keinem Adelsgeschlecht entstammen und nicht ausschließlich vom Kriegshandwerk leben, sondern auch in legalen Wirtschaftsweisen aktiv sind [2]. Ein Warlord beherrscht als alleiniger Machtinhaber ein mehr oder weniger regional abgegrenztes Gebiet, das sich innerhalb eines Staatsgebietes befindet. Dies ist nur möglich, wenn der Zentralstaat einem Warlord Autonomie zugesteht, oder wenn der Staat nicht in der Lage ist, sein Gewaltmonopol gegenüber dem Warlord durchzusetzen. Darum findet man Warlords oft in Bürgerkriegsregionen. Die gegenwärtige Existenz der Warlords ist ohne die Entstaatlichung der neuen Kriege nicht denkbar.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. So noch Brockhaus Konversations-Lexikon, Bd. 10, Leipzig 1894.
  2. Conrad Schetter: Kriegsfürstentum und Bürgerkriegsökonomien in Afghanistan.. In: Arbeitspapiere zur Internationalen Politik und Außenpolitik, AIPA 3/2004. S. 3f. Abgerufen am 8. November 2010.

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