Kufr

Kufr

Kufr (arabisch ‏كفر‎ ‚Unglaube‘) bezeichnet im Islam die Ablehnung des Glaubens an Gott (Allah), die Leugnung der Prophetie Mohammeds und des Koran als Gottes Offenbarung. Ein solcher „Ungläubiger“ ist ein Kāfirكافر‎, Plural: kuffār und: kāfirūn. Folglich werden auch die Anhänger anderer monotheistischer Religionen – Juden und Christen – als kāfir/kuffār bezeichnet. Bei asch-Schāfiʿī erscheint der Begriff „al-kāfir al-kitābī“الكافر الكتابي‎, d. h. der ungläubige Schriftbesitzer, von dem ein Muslim erben kann, aber nicht umgekehrt.[1] Der andalusische Rechtsgelehrte der mālikitischen Rechtsschule Ibn ʿAbd al-Barr († 1071 in Játiva) definiert die Gruppe der Zahlungspflichtigen der Dschizya entsprechend. Die muslimische Obrigkeit nimmt die Dschizya von jedem kāfir kitābī, ferner vom Zoroastrier, Götzenanbeter und von „allen anderen Arten der Ungläubigen (ahl al-kufr), seien sie Araber oder Nichtaraber“. Von Apostaten, also von denjenigen, die als Muslime von der Religion abgefallen sind, treibt man diese Steuer nicht ein, sondern sie werden nach anderen islamrechtlichen Aspekten behandelt und bestraft.[2] Im zeitgenössischen arabischen Sprachgebrauch ist die Bezeichnung (kāfir) für die Anhänger der Buchreligionen (kitābī) in dieser Form üblich. [3]

Inhaltsverzeichnis

Kufr im Koran

Das arabische Verb mit dem Konsonantenbestand k – f – r (kafara / ‏كفر‎) hat sowohl in der altarabischen Poesie als auch im Koran unterschiedliche Bedeutungen. Die Grundbedeutung ist „bedecken“, „verbergen“ „verhüllen“: „In einer Nacht, deren Wolken die Sterne bedeckten“ (kafara) – heißt es in einem Gedicht von Labīd b. Rabīʿa (frühes 7. Jahrhundert).

Die Hauptbedeutung des Verbs in der Sprache des Koran ist „ungläubig sein oder werden“, „nicht glauben“, „etwas leugnen“ „vom Glauben abfallen“ und steht damit im Gegensatz zum Verb āmana, „glauben“. In Sure 2, Vers 253 heißt es entsprechend:

„Aber sie wurden uneins. Die einen von ihnen waren gläubig (āmanū), die anderen ungläubig (kafarū).“

So auch in Sure 61, Vers 14 – bezogen auf die Kinder Israels.

Diese Gegenüberstellung zwischen „glauben“ und „ungläubig sein“ wird deutlich in der Sure 16, Vers 106:

„Diejenigen, die an Gott nicht glauben (kafara), nachdem sie gläubig waren (baʿda īmāni-hi) [...] über die kommt Gottes Zorn und sie haben eine gewaltige Strafe zu erwarten.“

Mit der Präposition bi- heißt dann kafara „an etwas/an jemanden nicht glauben“. In Sure 18, Vers 37 heißt es:

„Glaubst du denn nicht an den, der dich aus Erde, hierauf aus einem Tropfen (Sperma) geschaffen und dich hierauf zu einem Mann geformt hat?“

Kufr und die anderen Religionsgemeinschaften

In der außerkoranischen Literatur erfüllt das Verb dieselbe Funktion: man dient dem einzigen Gott und leugnet den Götzenkult und die Götzen. Derjenige, der nach seinem Glauben und der Annahme des Islam (kafara baʿda īmāni-hi /islāmi-hi) ungläubig wird (kafara), d. h. die Religionslehre nicht befolgt, an den Koran und an den Gesandten Gottes nicht glaubt (kafara bi-) ist ein Ungläubiger: kāfir (Part. Aktiv).

Wer kufr dadurch begeht, dass er vom Islam abfällt, nimmt im islamischen Gesetz eine Sonderstellung ein; diese Art von kufr gilt als Ridda, Apostasie und wird mit dem Tode bestraft.

Die sog. Schriftbesitzer (ahl al-kitâb), d. h. die Juden und Christen, werden mehrfach sowohl im Koran als auch in der Rechtsliteratur als kuffār / kāfirun (Pl. von kāfir) genannt. Eine wichtige Koranstelle hierzu ist Sure 5, Vers 44:

„Diejenigen, die nicht nach dem entscheiden, was Gott (in der Schrift) herabgesandt hatte, sind die (wahren) Ungläubigen (kāfirūn).“

Die Koranexegese bezieht die Stelle übereinstimmend auf die „Schriftbesitzer“ und differenziert nicht zwischen Juden und Christen, da beide Religionsgemeinschaften ihre Schriften nicht entsprechend ihrer ursprünglichen Offenbarung benutzen. In der Offenbarung werden sie an mehreren Stellen in ähnlichem Sinn angegriffen und in ihrem Glauben hinterfragt. Entsprechend heißt es in Sure 5, Vers 17:

„Ungläubig sind diejenigen (la-qad kafara ʾllaḏīna...), die sagen: Gott ist Christus (al-masīḥ), der Sohn der Maria [...]“

Und in Sure 5, Vers 73:

„Ungläubig sind diejenigen, die sagen: Gott ist einer von dreien [...]“

Das Schicksal derjenigen, die „ungläubig sind“ (kafarū) beschreibt Sure 2, Vers 161 wie folgt:

„Auf denen, die ungläubig sind und in diesem Zustand sterben, liegt der Fluch Gottes und der Engel und der Menschen insgesamt [...]“

Die Koranexegese versteht unter den hier genannten Ungläubigen diejenigen, die die Prophetie von Mohammed abstreiten, ihn der Lüge bezichtigen, d. h. die Juden und Christen, die Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften, ferner die Polytheisten unter den Götzendienern (d. h. die Araber auf der Arabischen Halbinsel), kurz: alle, die außerhalb der muslimischen Gemeinschaft stehen.

Kufr im islamischen Recht

Im modernen Rechtsverständnis stehen somit folgende Begriffe für kufr:

Der Begriff kufr heißt daher in koranischer und nachkoranischer Zeit sowohl in der Traditionsliteratur (sunna) als auch im Fiqh bis in die Gegenwart hinein „Unglaube“. Im islamischen Rechtsverständnis ist üblich, unter kufr, Unglaube, drei Gruppen zu verstehen: Judentum, Christentum und all jene Gemeinschaften, die kein (von Gott) offenbartes Buch besitzen.[5] Letztere werden auch Polytheisten - muschrikun - genannt; die Eheschließung mit ihnen ist im Koran untersagt.

„Und heiratet nicht heidnische Frauen, solange sie nicht gläubig werden! Eine gläubige Sklavin ist besser als eine heidnische Frau, auch wenn diese euch gefallen sollte. Und gebt nicht (gläubige Frauen) an heidnische Männer in die Ehe, solange diese nicht gläubig werden! Ein gläubiger Sklave ist besser als ein heidnischer Mann, auch wenn dieser euch gefallen sollte.“

– Sure 2, Vers 221

Die Rechtslehre des Hanbaliten Abu Ya'la im späten 10. Jahrhundert stellt kufr in diesem, noch heute gültigen Sinne dar:

Kufr umfasst drei Gemeinschaften: das Judentum, (al-yahūdiyya), das Christentum (an-naṣrāniyya) und diejenigen, die darin übereinstimmen, dass sie keine (offenbarte) Schrift besitzen.“[6]

asch-Schāfiʿī († 820) sieht bei Religionswechsel (Apostasie) eines Christen zum Zoroastrismus oder beim Übertritt eines Zoroastriers zum Christentum keine Strafe vor: „wir fordern diese Person zur Reue nicht auf und töten sie auch nicht, denn sie verließ Unglauben (kufr) und trat (einem anderen) Unglauben bei“.[7]

Dieses Verständnis von kufr, durch Koranzitate und durch die Rechtslehre belegt, wird für die Gegenwart bestätigt durch die Enzyklopädie des islamischen Rechts, herausgegeben vom Ministerium für Waqf und islamische Angelegenheiten (Kuwait 1995, Bd. 35, S. 14–29).

Der hanafitische Jurist und Theologe al-Kasani († 1189), Lehrer in der Madrasa al-Halawiyya in Aleppo [8] unterscheidet vier Arten von kufr:

  • Leugnung der Existenz des Schöpfers: die Atheisten (ad-dahriyya);
  • Anerkennung der Existenz des Schöpfers, bei Leugnung der Einheit (tauhid) Gottes: die Zoroastrier und Götzenanbeter;
  • Anerkennung sowohl der Existenz als auch der Einheit Gottes bei Leugnung der göttlichen Botschaft: die Philosophen;
  • Anerkennung der Existenz, der Einheit und der Botschaft Gottes, bei Leugnung der Prophetie Mohammeds: die Juden und Christen[9].

Entsprechend bezeichnet man in religiösen Kreisen der Moderne die außerislamische Welt als bilād al-kuffār („Länder der Ungläubigen“). Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet man heute einen Nichtmuslim als Kāfir.

Takfir

Bezeichnet ein Muslim seinen Nächsten ohne rechtlich-religiöse Gründe als Kāfir („Ungläubige“), macht er sich des kufr selbst schuldig. Jemanden zum „Ungläubigen“ (kāfir) erklären heißt Takfīr (‏تكفير‎). Siehe auch al-Takfir wa’l-Higra.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. K. al-Umm. Bd. 6, S. 170. Beirut. Dār al-maʿrifa. 1393 d. H.
  2. Ibn ʿAbd al-Barr: al-Kāfī (Beirut 1407/1987). Band 1. S. 217
  3. Maǧallat ash-sharīʿa wa-ʾl-lugha al-ʿarabiyya. Umm al-Qurā, Mekka, Bd. 13, Nr. 22
  4. al-mausu'a al-fiqhiyya. Bd. 35, S. 15
  5. Yohanan Friedmann: Classification of Unbelievers in Sunni Muslim Law and Tradition. In: Jerusalem Studies in Arabic and Islam. 22, 1998, S. 163ff (hier 166 mit weiteren Quellenangaben).
  6. Yohanan Friedmann (2003), S. 57 und (1998), S. 166
  7. „charadscha min kufrin ilā kufrin“: Yohanan Friedmann (2003), S. 56. Anm. 6
  8. The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 4, S. 690
  9. al-mausu'a al-fiqhiyya. Bd. 35. S. 18–19

Literatur

  • W. Björkman: Art. Kāfir, in: Encyclopaedia of Islam, New Edition, Bd. 4, Brill, Leiden 1997, S. 407-409.
  • Yohanan Friedmann: Tolerance and Coercion in Islam. Interfaith Relations in the Muslim Tradition. Cambridge University Press 2003.
  • Rudi Paret: Der Koran. Übersetzung. Kommentar und Konkordanz. W. Kohlhammer, 1979, ISBN 3-17-005102-4.
  • Manfred Ullmann (Bearbeitung): Wörterbuch der klassisch arabischen Sprache. Bd. I (‏ك‎), Otto Harrassowitz, Wiesbaden 1970.
  • Fuat Sezgin: Geschichte des arabischen Schrifttums. Bd. II. Poesie bis ca. 430 H, Brill, Leiden 1975, ISBN 90-04-04376-4, S. 126–127.
  • al-Mausu'a al-fiqhiyya. Bd. 35, Ministerium für Waqf und religiöse Angelegenheiten, Kuwait 1995, S. 14–29 (OCLC 65059556).

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