Kulturvergleich

Kulturvergleich

Kultursoziologie bezeichnet eine spezielle Soziologie, die sich zahlreichen Phänomenen des Alltags, aber auch kulturellen Symbolen widmet und Themen wie soziologische Aspekte von Architektur, Bildenden Künsten, Literatur, Musik usw. bearbeitet. Andererseits kann Kultursoziologie als Bezeichnung für eine allgemeinsoziologische Perspektive verwendet werden, welche die kulturelle Bedingtheit aller sozialen Erscheinungen hervorhebt und sich dadurch von szientistischen Gesellschaftskonzepten abhebt.

Die Kultursoziologie thematisiert das Verhältnis von Kultur und Gesellschaft und damit zusammenhängende Phänomene, z. B. den Prozess der Enkulturation, d. h. der individuellen Aneignung von kulturellen Mustern einer Gesellschaft, in die man geboren ist. Dem gegenüber bezeichnet der Begriff Akkulturation den Prozess der Aufnahme bislang kulturfremder Elemente durch Individuen oder Gesellschaften, ausgelöst seit dem Altertum durch Fernhandel oder Kriege, heute auffällig durch Migration, Entwicklungshilfe und vor allem durch den Prozess der Globalisierung. In diesem Kultur und Ethnizität identifizierenden Sinne wird culture auch z. B. in der nordamerikanischen Cultural Sociology gebraucht (vgl. Ethnosoziologie). Das betont die heute gelegentlich so genannte „Alltagskultur“.

Andere Perspektiven der Kultursoziologie versuchen demgegenüber im Sinne von Gesellschaftsdiagnosen die Besonderheiten moderner Kultur, etwa in Abgrenzung zu traditionellen oder bürgerlichen Kulturformen zu bestimmen. In der Kultursoziologie ist diesbezüglich umstritten, ob moderne Kultur wegen der im Zusammenhang von Massenmedien, Jugendkultur und Konsum zu beobachtenden Kulturformen eher (mit Betonung der Rezipientensicht) als „populäre Kultur“ bezeichnet werden sollte (Cultural Studies), oder ob sie nicht aufgrund ihres umfassenden, alle Teilkulturen aufeinander beziehenden Charakters besser als „Massenkultur“ verstanden werden sollte.

Begriffsgeschichtlich wurde das deutsche „Kultur“ seit dem 18. Jh. analog zu dem Begriff „civilisation“ (frz. und engl.) verwandt. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auf Versuche am Anfang des 20. Jahrhunderts, aus diesen lange Zeit synonym verwandten Begrifflichkeiten eine wesensmäßige Verschiedenheit deutscher „Kultur“ und französischer „Zivilisation“ abzuleiten (vgl. dazu Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation, Bd. 1). Im älteren Bildungsdeutsch meinte „Kultur“ im engeren Sinne auch das, was heute oft als „Hochkultur“ bezeichnet wird. Kultursoziologie umfasst dann auch Stoffe von z. B. der Kunst- oder Literatursoziologie, z.B. bei Georg Simmel (der aber immer auch 'Alltagsphänomene' im Blick hatte, etwa die Mode). Simmel nannte das eine "soziologische Ästhetik".

Vertreter der Kultursoziologie waren im deutschen Sprachraum z. B. Alfred Weber, Alfred von Martin (Soziologie der Renaissance), Georg Simmel und Mohammed Rassem, Friedrich Tenbruck, heute etwa Wolfgang Lipp, Justin Stagl, Anne Honer, Karl-Siegbert Rehberg, Dietmar Kamper, Wolfgang Eßbach; international bedeutend ist der französische Soziologe Pierre Bourdieu. In der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) besteht eine agile Sektion „Kultursoziologie“ mit namhaften Soziolog/inn/en, die sich pragmatisch davor hütet, die beiden angesprochenen „Kultur“-Begriffe säuberlich zu trennen.

Literatur

  • Hans Braun/Alois Hahn (Hgg.): Kultur im Zeitalter der Sozialwissenschaften. Friedrich H. Tenbruck zu 65. Geburtstag, Berlin 1984, ISBN 3-496-00795-8
  • Günter Dux: Historisch-genetische Theorie der Kultur. Velbrück, Weilerswist 2000
  • Hans Haferkamp (Hg.): Sozialstruktur und Kultur, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1990
  • Winfried Gebhardt: Vielfältiges Bemühen. Zum Stand kultursoziologischer Forschung im deutschsprachigen Raum. In: Orth / Schwietring / Weiß (Hrsg.): Soziologische Forschung. Stand und Perspektiven. Ein Handbuch. Leske + Budrich, Opladen 2003 (vgl. auch http://www.uni-koblenz.de/~instso/kuso-dgs/debatte/index.htm)
  • Jürgen Gerhards: Die Moderne und ihre Vornamen. Eine Einladung in die Kultursoziologie, Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2003. ISBN 3-531-13887-1
  • Ronald Hitzler/Anne Honer/Michaela Pfadenhauer (Hgg.): Posttraditionale Gemeinschaften. Theoretische und ethnografische Erkundungen, VS, Wiesbaden 2008
  • Klaus Lichtblau: Kulturkrise und Soziologie um die Jahrhundertwende. Zur Genealogie der Kultursoziologie in Deutschland, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1996.
  • Michael Makropoulos: Aspekte massenkultureller Vergesellschaftung. In: Mittelweg 36, 13. Jg., H. 1, 2004, S. 65–86
  • Stephan Moebius: Kultur, Reihe: Themen der Soziologie, transcript-Verlag, Bielefeld 2008. ISBN 978-3-89942-697-7
  • Stephan Moebius/Dirk Quadflieg (Hg.): Kultur. Theorien der Gegenwart. VS, Wiesbaden 2006. ISBN 3-531-14519-3
  • Friedhelm Neidhardt/M. Rainer Lepsius/Johannes Weiß (Hgg.): Kultur und Gesellschaft, Sonderheft 27, KZfSS 1986
  • Andreas Reckwitz: Die Transformation der Kulturtheorien. Zur Entwicklung eines Theorieprogramms, Velbrück, Weilerswist 2000
  • Hans-Georg Soeffner (Hg.): Kultur und Alltag, Soziale Welt, Sonderband 6 (1988)
  • Gerhard Schulze: Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. Frankfurt am Main, Campus, Berlin/New York 1992. ISBN 3-593-34843-8
  • Friedrich Tenbruck: Perspektiven der Kultursoziologie. Gesammelte Aufsätze, Westdeutscher Verlag, Opladen 1996
  • Hans Peter Thurn: Kultursoziologie. Zur Begriffsgeschichte der Disziplin. In: KZfSS , Jg. 31, 1979, 422–449
  • Rainer Winter: Kultursoziologie. In: Ansgar Nünning (Hg.): Konzepte der Kulturwissenschaften, Metzler, Stuttgart 2003. ISBN 3-476-01737-0

Weblinks


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