- Königreich Kent
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Das Königreich Kent (altenglisch: Cantaware Rīce) war eines der sieben traditionellen Königreiche aus der Zeit der angelsächsischen Heptarchie in England.
Inhaltsverzeichnis
Lage
Das Königreich Kent entsprach etwa der heutigen Grafschaft Kent, umfasste aber zeitweilig auch die östlichen Teile von Surrey[1] und vermutlich auch Teile von Sussex.[2] Im Tribal Hidage wurde seine Größe mit 15.000 Hides angegeben. Es war damit das drittgrößte angelsächsische Reich seiner Zeit.[3] Es grenzte an die benachbarten Königreiche Essex, Sussex und Wessex. Der Name stammt vom keltischen Volksstamm der Cantiaci, welcher in römischer Zeit in der Region mit dem Hauptort Canterbury ansässig war.[1]
Geschichte
Frühphase
Archäologische Funde aus dem späten 4. Jahrhundert weisen auf germanische Siedler hin, die vermutlich als römische Foederaten oder Söldner ins Land gekommen waren. Die Siedler wurden von Beda Venerabilis als Jüten bezeichnet, entstammten aber zum Teil auch anderen Stämmen.[1]
Der Gründungslegende zufolge sollen die Brüder Hengest und Horsa von König Vortigern angeworben worden sein und Kent als Sold erhalten haben. Nach einer anderen Legende erhielt Hengest von Vortigern Kent als Brautpreis für seine Tochter. Beide Fälle lassen einen vertraglich geregelten Herrschaftsübergang an die Neusiedler wahrscheinlicher erscheinen als eine gewaltsame Invasion. Ein Weiterbestehen romano-britannischer Strukturen kann nur vermutet werden. Ungewöhnlich im angelsächsischen England war die Selbstbezeichnung Cantwari („Kent-Männer“) mit der ein keltischer Stammesname von den Neuankömmlingen übernommen wurde. Auch in späterer Zeit wich Kent z. B. im Erbrecht und der Landvermessung von den sonst üblichen angelsächsischen Gepflogenheiten ab, was auf romano-britannischen Kultureinfluss hindeutet.[1]
Blüte
Kent lag am Handelsweg zwischen London und dem Kontinent. Bereits im 6. Jahrhundert trug der Handel in Form von Steuern und Zöllen wesentlich zum Wohlstand Kents bei. In Kent gefundene Grabbeigaben weisen ein große Ähnlichkeit mit fränkischen Objekten auf, was auf einen starken kulturellen Einfluss hinweist.[1] Große Bedeutung erlangte das Königreich unter König Æthelberht I. (560 oder um 585–616), der mit Bertha, einer merowingischen Prinzessin verheiratet war. Er empfing den heiligen Augustinus, war ein großer Pfleger und Verteidiger des Christentums und gründete Bistümer in Canterbury, Rochester und die ostanglische Diözese London.[1] Die Gründung zweier Bistümer in Kent weist auf die Verschmelzung von zwei ursprünglichen Königreichen hin, deren Bewohner um 600 noch immer als unterschiedlichen gentes (Volksstämme) zugehörig empfunden wurden.[4] Æthelberht I. galt als 3. englischer Bretwalda („Großkönig“).[5]
Niedergang
Mit einem Bürgerkrieg begann im Jahr 685 der Niedergang Kents. Usurpatoren und Fremdherrscher aus Wessex und Essex herrschten fast ein Jahrzehnt bis mit Wihtred (690–725) um 692/694 die alte Dynastie wieder an die Macht kam. Nach seinem Tod wurde Kent 725 unter seinen drei Söhnen aufgeteilt, von denen Ealric jedoch bald aus der Geschichte verschwandt, während sich Æthelberht II. als Oberkönig in reicheren Ostkent und Eadberht I. in Westkent etablierten. Westkent geriet vermutlich in Abhängigkeit von Æthelbald (716–757) von Mercia. Nach dem Tod Æthelberhts II. im Jahr 762 wurde die Lage Kents instabil: Die Könige wechselten in schneller Folge, einige wurden von Mercia protegiert. Ab 764 scheint Offa von Mercien Kent kontrolliert zu haben. Im Jahr 776 kam es bei Otford zu einer Schlacht zwischen Offa und Ecgberht II. (764–784?) in der Kent offenbar wieder unabhängig wurde. Im Jahr 785 vertrieb oder tötete Offa die einheimischen Herrscher und regierte bis zu seinem Tod im Jahr 796 selbst in Kent. Eine von Eadberht III. Præn (796–798), einem ehemaligen Priester, der vermutlich der Oiscinga-Dynastie entstammte, geführte Revolte wurde 798 durch Cenwulf von Mercia blutig niedergeschlagen. Cenwulf setzte seinen Bruder Cuthred (798–807) als König über Kent ein und übernahm nach dessen Tod 807 selbst die Herrschaft, die er mittels Dekreten aus der Ferne ausübte. Mit Cenwulf Tod 821 erlosch Mercias Vormachtstellung. 825 wurde Mercia bei Ellandun von Egbert von Wessex geschlagen. Baldred (821–um 825), der letzte kentische König, wurde vertrieben. Nach diesem Sieg unterwarfen sich Kent, Surrey, das Sussex und das Essex der Herrschaft von Wessex. Ab 825 wurde Kent von den Königen von Wessex regiert.[1]
Zunächst war Kent ein Unterkönigreich von Wessex, wurde aber unter König Alfred dem Großen (871–899) zum Shire. Heute ist Kent ein County (Grafschaft) Großbritanniens.
Könige von Kent
Die kentischen Könige gehörten bis von den Anfängen bis ins Jahr 764 zur Dynastie der Oiscingas, benannt nach dem König Oeric (Oisc).[6]
Ostkent (Canterbury) bzw. Alleinherrscher Westkent (Rochester) Hengest, 455–488 und Horsa, († 455)[7] Oeric, (Oisc), 488–512 Ohta, 512–um 522[8]/539[7] Eormenric, 512/522/539?–560/585 Æthelberht I., 560 oder um 585–616 (Bretwalda) Eadbald, 604–616/618 Eadbald, 616/618–640 Æthelwald, 616/618–? Earconberht I., 640–664 Eormenred, vor 640–zwischen 640 und 664 Ecgberht I., 664–673 Ecgberht I., 664–673 Hlothhere, 673/674–685 Wulfhere 673–674 (unsicher) Eadric, 685–686 (Usurpator) Eadric, 679–686 Mul, 686–687 (Wessex) Sighere 686–687 (Essex)[9] Oswine, 688–690/691 Swæfheard (Swaberht) 687/688–692/694 (Essex)[10] Wihtred, 690/691–725 (bis um 692/694 gemeinsam mit Swæfheard) Wihtred, 692/694–725 Æthelberht II., Oberkönig 725–762 Eadberht I., 725–748 Ealric, 725–725? Eardwulf, 748?–vor 762 Eadberht II., 762–um 764 Sigered, vor 762–764 (aus Essex?[11]) Eanmund um 764–765? (unbekannte Herkunft) Ecgberht II., 764-um 778, alleiniger König um 778–nach 779 Heahberht, um 765–? Ecgberht II., König seit 764 in Westkent, alleiniger König um 778–779/784 Ealhmund, 779/784−784/785 Offa von Mercien 785-796 (Mercia) Eadberht III. Præn 796–798 Cuthred, 798–807 (Bruder des Königs Cenwulf von Mercia) Cenwulf, 807–821 (Mercia) Baldred, um 821–um 825 (Mercia) Ab 825 wurde Kent von den Königen von Wessex regiert.
Literatur
- Michael Lapidge, John Blair, Simon Keynes, Donald Scragg (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u.a. 2001, ISBN 978-0-631-22492-1.
- D. P. Kirby: The Earliest English Kings, Routledge, London-New York2000, ISBN 978-0415242110.
- Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England, Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3, insb. Kent: S. 25-43.
Weblinks
- Kings of Kent in Foundation for Medieval Genealogy
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f g S. E. Kelly: Kent, Kingdom of. In: Lapidge et al (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England, Wiley-Blackwell, 2001, ISBN 978-0-6312-2492-1, S. 269–270.
- ↑ D. P. Kirby: The Earliest English Kings, Routledge, 2000, ISBN 978-0415242110, S. 1.
- ↑ The Tribal Hidage auf der Webseite der Georgetown University
- ↑ Nicholas Brooks: Anglo-Saxon Myths: State and Church, 400-1066, Hambledon & London, 1998, ISBN 978-1852851545, S. 52–53.
- ↑ Simon Keynes: Kings of Kent. In: Lapidge et al (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England, Wiley-Blackwell, 2001, ISBN 978-0-6312-2492-1, S. 501–502.
- ↑ Die Liste folgt, soweit nicht anders angegeben, Simon Keynes: Kings of Kent; In: The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England, S. 501–502
- ↑ a b Kings of Kent in Foundation for Medieval Genealogy; Simon Keynes: Kings of Kent. In: The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England, S. 501–502, erwähnt, dass zwischen Oeric-Eormenric-Æthelberht ein König fehlen könnte.
- ↑ John Morby: Dynasties of the World: a chronological and genealogical Handbook, Oxford University Press, Oxford 1989, ISBN 978-0-198-60473-0, S. 64.
- ↑ Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England, Routledge, 2002, ISBN 978-0-415-16639-3, S. 49.
- ↑ B. A. E. Yorke: The Kingdom of Essex, In: Lapidge et al (Hrsg.): The Blackwell Enzyclopaedia of Anglo-Saxon England, S. 174–175.
- ↑ J. Insley: Oiscingas. In: Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer (Hrsg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Band 22, de Gruyter, 2002, ISBN 978-3-11-017351-2 , S. 33-38.
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