Lachswassertal

Lachswassertal

Die Laxdæla saga, die Saga von der Bewohnern des Laxárdalr, ist ein literarisches Werk des 13. Jahrhunderts. Sie steht gleichberechtigt neben anderen großen Sagas wie der Njáls saga, der Grettis saga oder der Egils saga, und bildet einen Höhepunkt der isländischen Erzählkunst des Mittelalters. Sie ist die erste Familienchronik, die bewusst zu einem literarischen Werk ausgearbeitet ist. Die Laxdæla saga gehört zu den längsten und komplexesten der Isländersagas. Sie thematisiert Ereignisse, die zwei der einflussreichsten Familien am Hvammsfjörður im 9. Jahrhundert bis ins 11. Jahrhundert betreffen, und die sich über sieben Generationen erstrecken.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung und Verfasser

Die Laxdæla saga wurde sehr wahrscheinlich zwischen 1230 und 1250 verfasst, bezieht sich aber auf eine sehr viel frühere Zeit, denn die Genealogien der Saga reichen nur bis ins 11. Jahrhundert. Die Saga schließt die für die isländische Geschichte so bedeutende Christianisierung um (999 oder 1000) ein.
Als Quelle für die Komposition seiner Saga benutzte der Autor sehr wahrscheinlich die mündliche Überlieferung. Das Material für seine Genealogien entlehnte er der Landnámabók, für historische Sachverhalte und Chronologien griff er auf die Íslendingsbók zurück. Die in der Saga geschilderten Ereignisse liegen bis zu 300 Jahre zurück, und sollen sich in Westisland (im Westviertel), im Gebiet des Breiðafjörður und des Borgarfjörður, insbesondere in der Umgebung von Hjarðarholt und Helgafell, zugetragen haben.
Der Autor der Laxdæla saga ist unbekannt geblieben. Er muss aber ein viel belesener, gebildeter Mann gewesen sein, der in seiner Saga geschickt die Stilmittel der kirchlichen Literatur seiner Zeit einsetzte. Er war wahrscheinlich ein Geistlicher, der sich aber auch von den mittelalterlichen Ritterromanen, die seit dem 13. Jahrhundert zunehmend ins Isländische übersetzt wurden, inspirieren ließ.

Stilistische Mittel

In seiner Saga verwendet der Autor eine auktoriale Erzählsituation: er ist gleichzeitig Erzähler (Auctor), Schöpfer und Erfinder seiner Geschichte, ein allwissender Erzähler, der selbst nicht an der Handlung teilnimmt. So weiß er immer genau, was seinen Protagonisten zustößt, gleichgültig zu welcher Zeit und an welchem Ort. Er kommentiert das Geschehene, und mischt sich in die Ereignisse ein. Seine Sicht auf den Handlungsablauf bleibt dabei äußerlich, ein Perspektivenwechsel - innere Befindlichkeit, äußere Realität - findet nicht statt. Er berichtet unpersönlich, ohne je selbst aktiv das Wort zu ergreifen. Erkennbar ist der auktoriale Erzähler auch an dem durchdachten Textaufbau einer Isländersaga. Wirklichkeitsnähe und naturalistische Lebendigkeit charakterisieren die Laxdæla saga, wie jede andere Sagas der gleichen Gattung.

Die inneren Prozesse seiner Protagonisten artikuliert der Autor in knappen, aber sehr präzisen Dialogen. Die Personen der Saga porträtiert er deutlich in ihren hervorragendsten Eigenschaften, Fähigkeiten und Kompetenzen, Stärken und Schwächen. Er macht sie durch Kleidung, Aussehen und Auftreten lebendig und als Persönlichkeiten für seine Leser wahrnehmbar. Seine persönliche Einstellung und Meinung, hinsichtlich Handlung und Kommunikation sowie der Qualität der Beziehungen seiner Protagonisten, verbirgt er geschickt hinter dem Urteil der Allgemeinheit, meist enthält er sich subjektiver Stellungnahme und Kommentar.

Die narrative Wirklichkeitsaussage der Laxdæla saga spiegelt dem Leser eine echte Realität vor, in der die Erzählsituation durch Zeit und Ort festgelegt ist. In seinem kulturspezifischen historischen Bewusstsein verfasst der Autor seine Saga so, als ob er sie selbst erlebt hätte, und nur im Zusammenhang mit ihm selbst gesehen werden kann.

Die Laxdæla saga ist eine charakteristische Isländersaga. Der Autor gliedert sie, vielleicht der Poetik des Aristoteles folgend, in drei Abschnitte:

  • den Prolog, eine chronikartige Einführung, der die beteiligten isländischen Familien einführt und ihre genealogischen Beziehungen klärt;
  • den Hauptteil, der um das Leben der Guðrún Ósvífrsdóttir kreist;
  • den Epilog, der sich in der Märchenwelt der völlig fiktionalen Ritterromane verliert (Riddarasögur).

Die Nebenschauplätze schmückt der Autor mit höfischen Erzählungen, so dass die Personen der Saga in die der isländischen Gesellschaft fern liegende höfische Kultur mit ihren Idealen entrückt werden. Exemplarisch vertreten ist diese Kultur durch den norwegischen Königshof, den die Protagonisten der Saga in jeder Generation aufsuchen, und wo sie durch den jeweils regierenden König ehrenvoll empfangen werden. Besonders auffällig gestaltet der Autor dieses Element im Aussehen, in der Ausstrahlung und den männlichen Tugenden von Kjartan Ólafsson pái, Bolli Þorleiksson sowie Bolli Bollason, deren Ritterlichkeit imponiert. Auch zwei wichtige Frauen sind dem höfischen Ideal nachempfunden: Guðrún Ósvifrsdóttir und Hrefna Ásgeirsdóttir, mit kontrastierenden Persönlichkeiten: Guðrún, so schön und leidenschaftlich wie rücksichtslos, und Hrefna, gefühlvoll und sensibel, die, anders als ihre Gegenspielerin Guðrún, ihren Schmerz über den Verlust von Kjartan nicht in Handlung umsetzen kann und deshalb an ihrem Leid zerbricht, während Guðrún durch ihren Schmerz hart und kompromisslos wird. Kleidung, Lebensweise und Dialogführung der Hauptpersonen der Saga erinnern ebenfalls an die späteren Riddarasögur.

Synopsis

Die Laxdæla saga fokussiert auf die Nachkommenschaft des Ketill flatnefr, eines einflussreichen Hersen aus Raumsdalr in Westnorwegen, der mit seiner Tochter Unnr djúpúðga und anderen Verwandten vor den Macht- und Territorialansprüchen von König Haraldr hárfagra (Schönhaar) nach Schottland flieht. Seine Söhne, die von den unbegrenzten Siedlungsmöglichkeiten auf Island gehört haben, segeln dorthin. Nach dem Tod ihres Vaters zieht Unnr auf die Orkneys und Färöer weiter, und von dort schließlich auch nach Island in den Breiðafjörður, wo sie sich in Hvammr ansiedelt. Dort verheiratet sie ihre Enkelin Þorgerðr mit einem gewissen Kollr und gibt ihnen Land im Laxárdalr. Ihr beider Sohn ist Höskuldr. Nachdem Unnr ihre Gefolgsleute versorgt und ihren Enkel Ólafr feilan verheiratet hat, stirbt sie. Kollr stirb bald nach ihr, und Höskuldr übernimmt den elterlichen Hof und nennt ihn Höskuldsstaðir. Höskulds Mutter Þorgerðr reist nach Norwegen zu ihren Verwandten, wo sie den reichen Lehnsmann Herjólfr heiratet. Ihr gemeinsamer Sohn ist Hrútr. Nach Herjólfr Tod kehrt sie zu Höskuldr nach Island zurück, und bleibt bis zu ihrem Tod dort. Höskuldr übernimmt nach Þorgerðs Tod auch das Erbe seines Halbbruders Hrútr. Höskuldr heiratet Jórunn Bjarnardóttir und hat mit ihr vier Kinder: Þorleikr, Bárðr, Hallgerðr und Þuríðr.

Höskuldr, der ein mächtiger und einflussreicher Mann geworden war, verspricht seinen Nachbarn Unterstützung gegen den Unruhestifter Víga-Hrappr, fährt aber dann nach Norwegen um Bauholz einzukaufen. In Norwegen erwirbt er auch die stumme Sklavin Melkorka. Nach der Rückkehr nach Island wird Ólafr pái geboren, Höskulds Sohn von Melkorka, die sich als irische Prinzessin, Tochter des Irenkönigs Mýrkjartan, zu erkennen gibt.

Der erste ernsthafte Konflikt zwischen den Nachkommen des Ketill flatnefr entzündet sich zwischen den Halbbrüdern Höskuldr und Hrútr um das gemeinsame Erbe. Höskulds Besitzstreben verletzt die Rechte Hrúts.
Hrútr, der lange bei seinen Verwandten in Norwegen lebte, kommt schließlich auch nach Island, und fordert von Höskuldr sein Muttererbe, das dieser ihm aber verweigert. Nach Jahren geduldigen Wartens stiehlt Hrútr mit einer Schar angeworbener Männer einen Teil von Höskulds Vieh, und tötet bei einer Auseinandersetzung einige der Knechte Höskulds, die dem Vieh nachjagen, um es zurückzugewinnen. Auf den Rat seiner Frau Jórunn vergleicht sich Höskuldr mit seinem Halbbruder Hrútr; der Streit zwischen beiden wird beigelegt.
Höskulds Kinder werden erwachsen, und Melkorka sendet Ólafr pái zu ihrem Vater nach Irland. Ólafr beschließt allerdings vorher nach Norwegen, zu König Haraldr gráfedr, zu reisen, um sich am Hof vorzustellen. Nach Island zurückgekehrt heiratet er Þorgerðr Egilsdóttir, die Tochter des Skalden Egill Skallagrímssonar. Sie haben fünf Kinder: Þuríðr, Kjartan, Halldórr, Steinþórr, Bergþóra und Þorbjörg.

Die Eskalation des Konflikts zwischen den beiden Brüdern wird durch die problematische Beziehung zwischen Þorleikr, Höskulds Sohn, und seinem Onkel Hrútr weiter angeheizt. Hrútr siedelt einen seiner Freigelassenen auf Höskulds Land an. Þorleikr erschlägt den Mann und nimmt das Land selbst in Besitz.
Ungefähr zur selben Zeit wird Bolli geboren, Þorleiks Sohn und Höskulds Enkel. Aber schon kurz darauf stirbt Höskuldr, der seinen Besitz seinem Sohn Ólafr pái hinterlässt, Sohn der Melkorka und Halbbruder Þorleiks. Dieser ist über seines Vaters Entscheidung erzürnt, und überwirft sich mit Ólafr. Um sich mit seinem Halbbruder Þorleikr zu versöhnen, übernimmt er die Erziehung von Bolli, wodurch er sich Þorleikr sozial unterordnet. Kjartan, der Sohn von Ólafr und Þorgerðr, wird geboren, und Bolli und Kjartan wachsen als Ziehbrüder gemeinsam in Ólafs Haus auf.
Ólafr kauft sich auf einem Handelsschiff ein und reist erneut nach Norwegen, wo er Geirmundr trifft und diesen gezwungenermaßen mit zurück nach Island nimmt. Geirmundr wirbt um Ólafs Tochter Þuríðr, die er schließlich gegen seinen Willen, aber mit Unterstützung ihrer Mutter Þorgerðr heiratet. Aber schon nach drei Jahren verlässt Geirmundr seine Frau Þuríðr und segelt zurück nach Norwegen. Eine Windstille im Breiðafjörður verzögert die Abreise Geirmunds, sodass es Þuríðr gelingt, ihm sein Schwert Fótbítr, seinen wertvollsten Besitz, zu stehlen. Geirmundr belegt dieses Schwert mit einem schrecklichen Fluch: es soll den Mann aus ihrem Geschlecht töten, dessen Tod die Familie am meisten schmerzt. Dieses Schwert schenkt Þuríðr Bolli, dem Pflegesohn Ólafs.
Nachdem Ólafr den Ochsen Harri geschlachtet hat, erscheint ihm eine Frau im Traum und weissagt ihm den Tod seines Sohnes Kjartan, als Buße für den Tod ihres Sohnes Harri.

Nun wendet sich der Autor dem Geschlecht der Laugamenn zu und führt Guðrún in die Handlung ein, die in der Folge von bedeutungsschweren Träumen heimgesucht wird. Ein Freund ihres Vaters Ósvífr, der weise Gestr Oddleifsson, deutet Guðrúns Träume als ihre vier zukünftigen Hochzeiten. Etwas später sieht er Kjartan und Bolli in einer Gruppe anderer Jugendlicher und weissagt, dass Bolli seinen Ziehbruder Kjartan erschlagen wird.

Guðrúns erste Heirat mit Þorvaldr Halldórsson endet sehr schnell mit der von ihr selbst provozierten Scheidung. Darauf heiratet sie Þórðr Ingunnarson, der sich ebenfalls von seiner Frau Auðr getrennt hat. Auðr, aus Wut und Enttäuschung, verübt einen Mordanschlag auf Þórðr, der aber misslingt. Wenig später ertrinkt Þórðr in einem Sturm, den der Zauberer Kotkell heraufbeschwor. Daraufhin vertreibt Gestr Kotkell und seine Söhne, aber Þorleikr Höskuldsson siedelt ihn auf seinem Land wieder an, wofür ihm Kotkell einige wertvolle Pferde überlassen muss, die Þorleikr begehrt.
Ein gewisser Eldgrímr versucht die Pferde in seinen Besitz zu bringen, wird aber von Þorleiks Onkel, Hrútr, gestellt und erschlagen. Þorleikr wertet dies als einen Übergriff, wirft seinem Onkel vor, ihm die berechtigte Rache an Eldgrímr missgönnt zu haben, und überwirft sich erneut mit ihm. Aus Rache bewegt er die Kotkell-Leute dazu, Hrút zu entehren. Diese setzen einen Schadenszauber in Gang, bei dem Hrúts Sohn Kari getötet wird. Hrútr und Ólafr töten Kotkell und seine Familie, aber Ólafr pái kann für eine gewisse Zeit Frieden zwischen seinen Verwandten stiften, veranlasst aber seinen Sohn Þorleikr, Island zu verlassen, damit er der Rache Hrúts entgeht.

Den Höhepunkt der Konflikte zwischen den Verwandten bildet die tragische Konstellation Kjartan - Guðrún – Bolli.
Kjartan und Guðrún verlieben sich und regeln ihre Beziehung. Anschließend verlassen er und Bolli Island und reisen an den norwegischen Königshof. Nach Monaten kehrt Bolli alleine zurück und verbreitet in Island das Gerücht von einer Affäre zwischen Kjartan und Ingibjörg, der Tochter des norwegischen Königs Ólafr Tryggvason. Durch diese List gewinnt Bolli Guðrún zur Frau - gegen den Willen Kjartans, der sich um seine Liebe betrogen fühlt.

Nur mit Hilfe seiner Autorität kann Ólaf nach der Rückkehr Kjartans den Konflikt für einige Zeit unterdrücken. Kjartan heiratet Hrefna Ásgeirsdóttir aus dem Nordwesten Islands.
Mit dieser Situation erreicht der Konflikt seinen endgültigen Höhepunkt. Kjartan und Guðrún fügen sich nun gegenseitig Kränkungen zu, um ihre soziale Position zu schmälern und die Ehre zu verletzen.

Guðrún hetzt ihre Brüder, die Ósvífrsöhne, und Bolli auf, Kjartan in einem Hinterhalt aufzulauern und ihn zu erschlagen. Bolli versetzt Kjartan mit dem Schwert Fótbítr den Todesstreich, den dieser ohne Gegenwehr entgegennimmt. Kjartan stirbt in Bollis Armen. Zur Rache erschlagen Ólafr páis Söhne Þórhallas Söhne, Oddr und Steinn Þórhölluson, die bei dem Anschlag auf Kjartan aktiv mit dabei waren.
Nach Kjartans Tod erzwingt sein Vater Ólafr einen weiteren Vergleich zwischen den Konfliktparteien. Er veranlasst, dass die Ósvífssöhne, Guðrúns Brüder, bis zum Tode der Brüder Kjartans geächtet werden. Bolli bleibt dieses Schicksal erspart, er kommt fürs erste mit einer Entschädigung davon. Bis zu Ólafr páis Tod bleibt der durch seine Autorität erzwungene Friede stabil.

Nach dem Tod von Ólafr pái zerbricht der von ihm geschlossene Vergleich, und eine Fehde mit mehreren Totschlägen bricht zwischen den Familien und ihren Anhängern aus. Zur Rache hetzt diesmal Þorgerðr Egilsdóttir, Kjartans Mutter, nach dem Tod ihres Mannes, auf. Ihr Sohn Halldórr heuert Männer für einen Rachezug an. Bolli wird erschlagen.

Bolli Bollason, Bollis und Guðrúns Sohn, wird nach dem Tod seines Vaters geboren. Um weiterer Rache zu entgehen, wechselt Guðrún mit ihren beiden Söhnen, auf den Rat des Goðen Snorri, mit diesem den Wohnsitz. Snorri rät Guðrún auch, den einflussreichen Þorkell Eyjólfsson zu heiraten, der aber vorher noch eine Handelsreise nach Norwegen unternehmen will. Snorri und Guðrún planen einen Rachezug gegen die Ólafssöhne. Sie versichern sich dazu der Unterstützung eines gewissen Þorgils Hölluson, dem Guðrún in betrügerischer Absicht die Ehe verspricht. Zwei der am Totschlag Kjartans beteiligten Männer werden verpflichtet, an Þorgils Rachezug gegen Helgi Harðbeinsson teilzunehmen oder selbst erschlagen zu werden. Es gelingt Þorgils schließlich, Helgi zu töten.

Guðrún offenbart Þorgils ihr falsches Heiratsversprechen. Kurz darauf wird dieser als Reaktion auf den Totschlag an Helgi Harðbeinsson selbst erschlagen.

Guðrún heiratet den inzwischen nach Island zurückgekehrten Þorkell Eyjólfsson.

Ósvífr und Gestr sterben und werden in einem gemeinsamen Grab beerdigt.

Þorleikr, Bollis ältester Sohn, verlässt Island, und begibt sich an den norwegischen Königshof, wo er ein Gefolgsmann von Ólafr helgi Haraldsson wird. Guðrúns jüngster Sohn, Bolli, heiratet Snorris Tochter Þórðis. Snorri arrangiert als abschließende Versöhnung für die Erschlagung Bollis eine Geldbuße der Ólafssöhne.

Bolli folgt seinem Bruder nach Norwegen, reist aber von dort weiter nach Dänemark und Konstantinopel, während sein Bruder Þorleikr nach Island zurückkehrt.

Auch Þorkell Eyjólfsson reist erneut nach Norwegen, um Bauholz für eine Kirche zu holen, ertrinkt aber, als er das Bauholz in Island löschen will.

Snorri goði Þorgrímsson stirbt.

Ihr Alter verbringt Guðrún als fromme Christin, wird Islands erste Nonne und Einsiedlerin, und stirbt hochbetagt.

Es gibt einen in Island berühmten Satz, der oft zitiert wird: Als Bolli einmal seine Mutter besuchte, fragte er sie eindringlich, wen sie, die doch viermal verheiratet war, am meisten geliebt habe. Darauf antwortete sie mit dem Vers:

„Þeim var ek verst, / er ek unna mest.“
„Dem war ich am schlimmsten, den ich am meisten geliebt habe.“ Rudolf Meißner überträgt:
„Dem schuf ich die bitterste Stunde, den ich liebte aus Herzensgrunde.“

womit Kjartan gemeint war, den sie von ihren Brüdern hatte erschlagen lassen.

Kommentar

Die Laxdæla saga beruht in Teilen auf historischen Ereignissen, wie sie auch in der Landnámabók, der von Oddr Snorrason verfassten Ólafs saga Tryggvasonar (um 1190) und den verlorenen Isländersagas Þorgils saga Höllusonar und Þórðar saga gellis überliefert werden. Entgegen der eher sachlichen Darstellung grundlegender genealogischer Informationen in der Landnámabók ist die Saga der Laxárdalr-Leute mannigfaltig mit fiktiven narrativen Elementen und höfischen Idealisierungen durchsetzt, ähnelt daher eher einem historischen Roman als einem Geschichtswerks, wobei Roman nicht im modernen Sprachgebrauch aufgefasst werden darf. Die Saga verwendet historische Stoffe, die sie den oben schon genannten Quellen entlehnt, wählt diese aus der Erinnerung aus, aktualisiert und orientiert ihren Stoff an der Gegenwart ihres Autors. Sie reflektiert diese Gegenwart ebenso gut, wie die in ihr behandelte Vergangenheit: Von ihrer Intention her bietet die Laxdœla saga ihrem Publikum ein ethisches Modell zwischenmenschlichen Handelns in der Gegenwart, basierend auf den Erfahrungen der Vergangenheit. Gewalttätige Konfliktregulierung und der Geschlechtertotschlag (altisländ. ættvig) werden als ineffektive und die Gemeinschaft insgesamt belastende und schwächende Methode kritisiert.

Als Isländersaga ist die Laxdœla saga eine durch Sachlichkeit und naturalistische Darstellung charakterisierte Prosaerzählung, die vordergründig Objektivität suggeriert, hintergründig ein komplexes Bild psychodynamischer Prozesse, und deren Bedeutung für die Biographie und Handlungsorientierung der Protagonisten bietet.

Die Laxdæla saga ist eine der rational klar konstruierten Isländersagas. Mehr als andere Sagas widmet sie auch den Details bezüglich Kontext und Charakterisierung der Protagonisten große Aufmerksamkeit, so dass Handlung und Dramatis Personae der Saga reichhaltig ausgeschmückt sind. In Erscheinung und Verhalten bieten die wenigstens der Isländersagas so konturiert und profiliert gezeichnete, selbstbewusste und stolze Charaktere, beispielsweise Unnr djúpúðga, Guðrún Ósvífrsdóttir, Ólafr pái oder Kjartan, die nicht nur ihre Mitmenschen, sondern bis heute, wegen ihrer unübertrefflichen Selbstsicherheit faszinierten.

Die Laxdæla saga unterscheidet sich in zwei wesentlichen Punkten von den meisten anderen Isländersagas:

  • sie wartet mit reichhaltigerem genealogischen und biographischen Details auf;
  • ihr Plot ist um eine gedoppelte Rache-Sequenz infolge eines Geschlechtertotschlags arrangiert.

Die Ereignisse, von denen die Laxdœla saga berichtet, reichen über eine Geschlechterfolge von sieben Generationen: ausgehend von dem norwegischen Hersen Ketill flatnefr, der vor der willkürlichen Einigung Norwegens durch Haraldr hárfagra unter seine Krone nach Westen floh, bis zu Þórðis Snorradóttir goða, eine der Informantinnen von Ari Þorgilsson bei der Verfassung der Landnámabók, gestorben 1148 und Urenkelin der Guðrún Ósfívrsdóttir,

Narratives Hauptmotiv der Laxdæla saga ist die Beziehung der Ziehbrüder Kjartan und Bolli, ihre Rivalität, die letztlich zu beider Tod führt. Die anderen Erzählmotive, Handlungsstränge und Nebenschauplätze der Saga sind um dieses zentrale Motiv gruppiert.

Der Saga-Autor strukturiert die Eskalation des Konflikts zwischen den Familien der Hjarðhyltingar und der Laugamenn nach einem wiederkehrenden Modell: Aktion (Verletzung von Besitz, Ehre und Recht) – Reaktion (Rache und Gegen-Rache) – Vermittlung. Der Verletzung der sozialen Ordnung (Homöostase) folgt als Gegenmaßnahme die Vermittlung und Versöhnung der zerstrittenen Parteien.
Der Hauptkonflikt dieser Saga bezieht sich auf die Familien der Hjarðhyltingar im Laxárdalr, repräsentiert durch Höskuldr Dalla-Kollsson, Óláfr pái Höskuldsson und Kjartan Óláfsson pái, und der Laugamenn im Sælingsdalr, vertreten durch Ósfivr Helgason, Guðrún Ósvifrsdóttir, Snorri goði Þorgrímsson und Bolli Þorleiksson,. Im Zentrum dieses Konflikts steht die schöne und stolze Guðrún Ósvífrsdóttir und ihre vier Ehen sowie die Rivalität der Ziehbrüder Kjartan und Bolli in einer Dreiecksbeziehung, die an die in der Sigurðarkviða in skamma (das Kurze, auch Jüngere Sigurdlied des Heldenliedteils der Lieder-Edda) geschilderte, erinnert. Auch dort berichtet der Autor von einer tragischen Beziehung, nämlich der zwischen Sigurðr, Brynhildr und Guðrún.

Diesen Konflikt gruppiert er, virtuos erzählt, um drei Aspekte:

  • um die Geburt der Ziehbrüder Kjartan und Bolli und ihre Kindheit und Jugend in Hjarðarholt, in der Familie von Ólafr pái;
  • um verschiedene Omen, Ahnungen (altisländ. hugboð) und Vorhersagen (altisländ. spá): betreffend Bollis verfluchtem Schwert Fótbítr, mit dem er schließlich seinen Ziehbruder Kjartan erschlägt, Ólafr páis Traum von seinem erschlagenen Sohn, Guðrúns Träume von ihren vier Ehen und Gests Voraussage von Kjartans Tod durch Bolli;
  • um die Rivalität der Ziehbrüder Kjartan und Bolli um Guðrún Ósvífrsdóttir, die Bolli heiratet, die aber ihre Liebe zu Kjartan nicht aufgeben kann.

Die Saga kulminiert in der Ermordung Kjartans und den sich daran anschließenden Geschlechtertotschlag.

Die Rache, die seine Verwandtschaft und seine Anhänger für Kjartan nehmen, umfasst vier Phasen:

  • die Ermordung der Söhne Þórhallas, Oddr und Steinn;
  • der Ächtung der Brüder Guðrúns;
  • die Ermordung von Þorkell von Hafratindar, der dem Totschlag an Kjartan voyeuristisch zusah, ohne ihn zu warnen;
  • den Totschlag an Bolli.

Diese Art der Rache ist in den Isländersagas selten, denn gewöhnlich reicht ein reziproker Totschlag aus. In Kjartans Fall entspricht die Rache seiner als überragend empfundenen Persönlichkeit.
Mit der Erschlagung Bollis ist der Rache aber noch nicht genüge getan: es folgt eine Gegen-Revanche mit dem Totschlag an Helgi Harðbeinsson, von dem Bolli den Todesstreich empfing.
Den Konflikt zwischen den Hjarðhyltingar und den Laugamenn beendet schließlich der Goðe Snorri durch eine geschickt arrangierte Bußzahlung Halldórs und der Ólafssöhne an Guðrúns Familie.

Die germanische Heldensage überliefert in dem großen Erzählkreis des Nibelungen-Stoffes ein allzumenschliches Drama: eine Frau (hier Guðrún Ósvifrsdóttir, dort Guðrún-Kriemhild) neidet einer anderen (hier Hrefna Ásgeirsdóttir, dort Brynhildr) die Liebe und Zuneigung eines Mannes (hier Kjartan Óláfsson pái, dort Sigurðr-Siegfried). Dieses Thema überliefert die Lieder-Edda vor allem in der bereits erwähnten Sigurðarkviða in skamma, aber auch in der Guðrúnarkviða in fystra (das erste Gudrunlied oder Gudruns Gattenklage) oder der Guðrúnarkviða in þriða (das dritte Gudrunlied). Der Autor der Laxdœla saga arrangierte diesen eddischen Stoff so, dass Guðrún Ósvifrsdóttir der aus Enttäuschung handelnden Brynhildr, Kjartan dem von ihr verratenen und aus dem Hinterhalt getöteten Sigurðr entspricht.
Die Beziehungen der Laxdæla saga mit den narrativen Motiven des Sigurðr- und Brynhildr-Stoffes sind allerdings forschungsgeschichtlich und literaturwissenschaftlich noch nicht ausreichend geklärt.

In Erinnerung an die chaotischen gesellschaftlichen Verhältnisse der Sturlungenzeit entwirft der Autor der Laxdæla saga eine Kritik schwacher staatlicher Institutionen (legislativ, exekutiv, judikativ), die individuell verursachten Störungen des Rechts und der Moral nichts entgegenstellen können. Die Laxdæla saga thematisiert soziale Beziehungen störende Konflikte, in dem sie rechtliche und moralische Normen hinterfragt.
In der Saga war es allein die politische und personale Kompetenz des Goðen Snorri, dem es schließlich gelang, durch die finanzielle Kompensation der Ólafssöhne, den Geschlechtertotschlag zu beenden und die soziale (gesellschaftliche) Balance wieder herzustellen. Vergleichbare Gedanken finden sich in der Járnsiða, ein von König Magnús lagabætir im Jahre 1271 für Island erlassenes neues Gesetz, das die alten Grágás ablöste. Die Járnsiða bezeichnet die Verwandtenrache als üble Unsitte, durch die das Land seine besten Vertreter verloren hat. An die Stelle der reziproken Rache trat die gesetzliche Buße. Als Snorri Guðrún bewegte, den Geschlechtertotschlag zu beenden, orientierte er sich auch an der christlichen Ethik, dass keiner des anderen Taten vergelten solle, außer Gott, die nur in dem Rahmen gebüßt werden dürfen, den das Gesetz vorsieht. Genau dieses Prinzip verfolgte der Goðe Snorri im zweiten Teil der Saga, als er durch seine Intervention den Automatismus des Geschlechtertotschlags unterbrach, die Fehde mit einer Geldbuße beendete, und so die Ordnung im Bezirk wieder herstellte.

In der Laxdæla saga finden sich verschiedene altertümliche, aus der vorchristlichen Kultur stammende Phänomene. Die Frage christlicher Einflüsse in der Saga stellt sich auch hinsichtlich der literarischen Bearbeitung von prophetischen Träumen, die zukünftiges Geschehen voraussagen, von Verfluchungen, Erscheinungen von Folgegeistern (altisländ. fylgja) oder Weissagungen zukunftskundiger Personen über kommendes Geschick, die Orientierung an Träumen und deren Deutung,, die die Entscheidungen der Protagonisten, ihr Alltagsleben und ihre Beziehungen regulieren.
Schicksalhafte Bestimmung als ein Unvermeidliches kontrastiert mit der christlichen Überzeugung von freiem Willen und selbstverantwortlichem Handeln: religiöse Deutung des Schicksals versus göttlicher Plan irdischen Geschehens – beide Aspekte konkurrieren im Verhalten und den Äußerungen der Protagonisten der Saga, besonders effektiv in Szene gesetzt in Kjartans überzeugter Ablehnung des ihm von König Ólafr angebotenen Christentums, und seinem späteren Sinneswandel, in dem er sich ebenso rigoros dem Christentum verschreibt.

In solchen Szenen kontrastiert die Laxdœla saga die vorchristlichen Überzeugungen mit dem Anbruch einer neuen Zeit; eines neuen Weltalters, dessen Ankunft auch in den letzten Strophen der Völuspá anklingt, wenn die Völva den mit Gold bedeckten, sonnenglänzenden Saal in Gimle visionär schaut (Vsp.64).

Literatur

  • Die Geschichte von den Leuten aus dem Lachswassertal (Laxdæla saga). Sammlung Thule, Altnordische Dichtung und Prosa, Bd.6, übertragen von Rudolf Meißner, Jena, 1913.
  • Laxdœla saga. Die Saga von den Leuten aus dem Laxardal, herausgegeben und aus dem Altisländischen übersetzt von Heinrich Beck, München, 1997.
  • Laxdœla saga, in: Theodore M. Andersson, The Icelandic Family Saga. An Analytic Reading, Harvard University Press, 1967:163-174.
  • Gabriele Bensberg, Die Laxdœla saga im Spiegel christlich-mittelalterlicher Tradition, Diss., Frankfurt/M. 2000.
  • Rolf Heller, Studien zum Aufbau und Stil der Laxdœla saga, Arkiv för Nordisk Filologi 75, 1960.
  • Rolf Heller, Anmerkungen zur Arbeit des Verfassers der Laxdœla saga, in: Sagnaskemmtun, Studies in Honour of Hermann Pálsson, herausgegeben von Rudolf Simek, Jónas Kristjánsson und Hans Bekker-Nielson, Wien, Köln, Graz, 1986:111-120.
  • Rolf Heller, Laxdæla saga und Færeyinga saga, Alvíssmál 8, 1998:85.92.
  • Rudolf Simek und Hermann Pálsson, Lexikon der altnordischen Literatur, Stuttgart, 1987.
  • Jan de Vries, Altnordische Literaturgeschichte, Bd.2, Berlin, 1967:363-369.

Weblinks


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