- Lehrstuhlvertretung
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Als Lehrstuhl (in einigen Fächern auch: Arbeitsgruppe oder kurz: AG) wird die planmäßige Stelle eines Hochschullehrers (Titel: Professor) an einer Universität bezeichnet. Diese Professorenstelle ist mit personellen und finanziellen Mitteln zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben in Forschung und Lehre ausgestattet.
In der Bundesrepublik Deutschland wird ein Lehrstuhlinhaber in der Regel nach der Besoldungsgruppe W 3 bezahlt (früher C 4). Er verfügt im Haushaltsplan über mindestens eine Planstelle für wissenschaftliche Mitarbeiter und über einen Finanzetat.
Die Aufforderung an eine Lehrkraft, einen Lehrstuhl oder eine Professur zu übernehmen, wird als Berufung (umgangssprachlich Ruf) bezeichnet. Professur und Lehrstuhl sind nicht unbedingt miteinander verbunden - jeder Lehrstuhlinhaber ist Professor, aber umgekehrt gilt dies nicht.
Inhaltsverzeichnis
Überblick
Der Begriff „Lehrstuhl“ ist eine Lehnübersetzung aus dem griechisch-lateinischen cathedra, was mit Lesestuhl umschrieben werden kann, und den erhöhten Stuhl des Lehrers an einer Universität bezeichnete.
Der Professor an einer Universität mit einem Lehrstuhl (Lehrstuhlinhaber) wird auch als Ordinarius (professor ordinarius) bezeichnet. [1] Nach einer Hochschulreform in den 1970er Jahren wurde der Titel Ordinarius in der Bundesrepublik Deutschland abgeschafft, die Bezeichnung wird aber informell weiterhin gebraucht. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bezeichnete der Begriff Ordinarius auch einen Klassenlehrer an einer höheren Schule. An einigen Gymnasien in Österreich wird auch heute noch ein Klassenlehrer so bezeichnet.
Der Begriff Lehrstuhl wird oft auch als Synonym für die Gesamtheit aller Mitarbeiter des entsprechenden Professors benutzt.
Der Lehrstuhl bezieht sich auf ein bestimmtes Fachgebiet, also z. B. Lehrstuhl Festkörperphysik, das der Lehrstuhlinhaber gemeinsam mit seinem bzw. seinen Assistenten bearbeitet. Der Lehrstuhl ist in der Regel einem Institut oder Seminar (im Sinne einer Bildungseinrichtung) angegliedert. Es gibt – gerade in kleineren Fächern – auch Institute, die nur aus einem einzigen Lehrstuhl bestehen, während es umgekehrt an manchen Hochschulen (z. B. der Universität Konstanz) zwar Lehrstühle, aber keine Institute gibt.
Die Fakultät oder der Fachbereich, der einen vakanten Lehrstuhl oder eine Professur zu besetzen hat, bedient sich in Deutschland üblicherweise eines aufwändigen Berufungsverfahrens, um einen Professor/eine Professorin auszusuchen.
Extraordinarien oder außerordentliche Professoren sind dagegen Professoren ohne Lehrstuhl; sie sind meistens den Besoldungsgruppen W 2 beziehungsweise C 3 zugeordnet und verfügen über weniger oder gar keine Mitarbeiterstellen und über geringere Haushaltsmittel. Sie müssen sich aber ebenfalls in einem Berufungsverfahren durchsetzen. Dies unterscheidet sie und die Lehrstuhlinhaber von außerplanmäßigen Professoren.
Deutschland
Ende 2007 lehrten und forschten nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes 37.700 weibliche und männliche Professoren an bundesdeutschen Hochschulen. Während ihre Gesamtzahl seit Mitte der 1990er Jahre nahezu unverändert blieb, ist der Frauenanteil innerhalb der Professorenschaft seit 1995 stetig gestiegen. Der Anteil der Lehrstuhlinhaberinnen wuchs in diesem Zeitraum von 8% auf über 16%. Die Zahl der Professorinnen erreichte 2007 mit rund 6.100 einen neuen Höchststand. [2]
Österreich
In Österreich wurde früher der Begriff Lehrkanzel angewandt, heute weder Lehrkanzel noch Lehrstuhl.
Der Ordinarius war bislang der ordentliche Universitätsprofessor. Seit dem Universitäts-Organisationsgesetz 1993 wird nicht mehr zwischen den ordentlichen Universitätsprofessoren und den außerordentlichen Universitätsprofessoren alten Typs unterschieden (ein Unterschied besteht jedoch zu den außerordentlichen Universitätsprofessoren neuen Typs, welche trotz dieser Bezeichnung nicht zu den Universitätsprofessoren zählen). Die bisherigen ordentlichen Universitätsprofessoren dürfen sich jedoch weiterhin so bezeichnen.
Berühmte Lehrstühle
Eine akademische Tradition erlaubt auch die Benennung von Lehrstühlen nach ihren legendären Vorgängern, Vorbildern oder Stiftern, insbesondere im angelsächsischen Bereich (in Deutschland ist dies bislang völlig unüblich). Drei Beispiele:
- Der Lucasische Lehrstuhl für Mathematik an der Universität Cambridge wurde nach seinem Stifter Henry Lucas benannt. Die Liste seiner Inhaber ist hochkarätig und reicht von Isaac Newton bis Stephen Hawking.
- Der Savilian Chair of Geometry an der Oxford University ist ebenfalls nach seinem Stifter benannt.
- Der Freud Memorial Chair am University College in London wurde nach dem Gründer der Psychoanalyse benannt. Auch er wurde und wird mit hochkarätigen Wissenschaftlern - wie Joseph Sandler, Janine Chasseguet-Smirgel, Hanna Segal oder Peter Fonagy - besetzt.
Siehe auch
Literatur
- Die Lehrstühle an den wissenschaftlichen Hochschulen in der Bundesrepublik [und in Westberlin]. Schwartz & Co, Göttingen 1955 bis 1970 (jährliche Übersicht über Anzahl, Bezeichnung und Besetzung und über die Nachwuchslage in den einzelnen Fachgebieten).
- Elisabeth Boedeker/Maria Meyer-Plath: 50 Jahre Habilitation von Frauen in Deutschland, Göttingen 1974
- Christiane Mück, Karen Mühlenbein: Lehrstuhl-Management. Wie Hochschulen ihre Lehrstühle erfolgreich weiterentwickeln und vermarkten können. VDM Verlag, 2005, ISBN 3-86550-023-4
Einzelnachweise
- ↑ Friedhelm Golücke: Studentenwörterbuch, Gesellschaft für Deutsche Studentengeschichte 4. Aufl. 1984
- ↑ Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung Nr. 240 vom 07.07.2008
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