- Leitwährung
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Als Leitwährung bezeichnet man eine im internationalen Gebrauch besonders bedeutsame Währung. Die internationale Bedeutung einer Währung kann daran bemessen werden, inwiefern sie von den Akteuren als Transaktions- und Reservewährung genutzt wird.
Man findet auch den Begriff der Ankerwährung.[1] Beispiele:
- Während des Bretton-Woods-System war der US-Dollar weltweite Ankerwährung.
- Die Deutsche Mark fungierte im Europäischen Währungssystem de facto - nicht de jure - als Ankerwährung.
Ankerwährungen sind normalerweise Währungen des größten und dominierenden Handelspartners kleinerer Länder: In Amerika der US-Dollar, in Europa der Euro, in Ostasien etwa der Yen.
Historische Beispiele für Leitwährungen sind der chinesische Liang, die griechische Drachme (5. Jahrhundert vor Christus), indische Silbermünzen ("Punch_marked_coins"; 4. Jahrhundert), der römische Denarius, der Byzantinische Solidus, der Islamische Dinar (Mittelalter), der venezianische Dukaten (Renaissance), der Niederländische Gulden und in jüngerer Zeit das Britische Pfund.[2]
Derzeit ist der US-Dollar die weltweit wichtigste Leitwährung (Weltleitwährung). Manche Ökonomen bezeichnen ihn auch als Weltwährung. Die im internationalen Vergleich zweitbedeutendste Währung ist der Euro; die dritte seit 2006 das Britische Pfund, das den Yen von dieser Position abgelöst hat.
Inhaltsverzeichnis
Bedeutung
Wird die Währung eines Landes außerhalb seiner Grenzen in großem Umfang zu Wertaufbewahrungs- und Transaktionszwecken genutzt, so hat dies große Vorteile für das Land:
- Seigniorage-Einnahmen,
- wegfallende Wechselkursunsicherheit und
- verminderte Transaktionskosten.
Laut dem Ökonomen Barry Eichengreen von der Berkeley University ist es den USA aufgrund des Leitwährungstatus des Dollars möglich ein jährliches Leistungsbilanzdefizit von 500 Milliarden Dollar anzuhäufen. Das entspricht einem jährlichen wirtschaftlichen Nutzen von drei Prozent des amerikanischen Volkseinkommens.[3]
Reservewährung
Als Reservewährung bezeichnet man in der Regel eine von den Zentralbanken für Währungsreserven genutzte Währung. Die meisten Studien belegen einen Rückgang der Bedeutung des US-Dollar als Reservewährung und einen gleichzeitigen Anstieg der diesbezüglichen Bedeutung des Euro seit dessen Einführung im Jahre 1999.[4]
International gebräuchliche Reservewährungen Währung 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 US-Dollar 59,0 % 62,1 % 65,2 % 69,3 % 70,9 % 70,5 % 70,7 % 66,5 % 65,8 % 65,9 % 66,4 % 65,5 % 64,1 % 64,1 % 62,1 % 61,4 % Euro – – – – 17,9 % 18,8 % 19,8 % 24,2 % 25,3 % 24,9 % 24,3 % 25,1 % 26,3 % 26,4 % 27,6 % 26,3 % Deutsche Mark 15,8 % 14,7 % 14,5 % 13,8 % – – – – – – – – – – – Pfund Sterling 2,1 % 2,7 % 2,6 % 2,7 % 2,9 % 2,8 % 2,7 % 2,9 % 2,6 % 3,3 % 3,6 % 4,4 % 4,7 % 4,0 % 4,3 % 4,0 % Yen 6,8 % 6,7 % 5,8 % 6,2 % 6,4 % 6,3 % 5,2 % 4,5 % 4,1 % 3,9 % 3,7 % 3,1 % 2,9 % 3,1 % 2,9 % 3,8 % Französischer Franc 2,4 % 1,8 % 1,4 % 1,6 % – – – – – – – – – – – Schweizer Franken 0,3 % 0,2 % 0,4 % 0,3 % 0,2 % 0,3 % 0,3 % 0,4 % 0,2 % 0,2 % 0,1 % 0,2 % 0,2 % 0,1 % 0,1 % 0,1 % Sonstige 13,6 % 11,7 % 10,2 % 6,1 % 1,6 % 1,4 % 1,2 % 1,4 % 1,9 % 1,8 % 1,9 % 1,8 % 1,8 % 2,2 % 3,1 % 4,4 % Quellen:
1995–2010: IWF (Internationaler Währungsfonds): Currency Composition of Official Foreign Exchange Reserves
1999–2005, EZB (Europäische Zentralbank): The Accumulation of Foreign Reserves, Occasional Paper Series, Nr. 43Transaktionswährung
Als Transaktionswährung bezeichnet man die für internationale Güter- und Kapitalgeschäfte vereinbarte Währung. Wird als Transaktionswährung die inländische Währung vereinbart, so stellt dies einen Wettbewerbsvorteil für den betroffenen Akteur dar, da er keine Absicherungs- und Umtauschkosten hat.
Finanztransaktionen
Die gestiegene Bedeutung des Euro zeigt sich auch bei den Finanztransaktionen. Im Jahr 2003 betrug der Anteil der Eurotransaktionen an den Devisenmärkten bereits 25 % gegenüber 50 % in US-Dollar und je 10 % in Pfund Sterling und japanischen Yen.
Bei den Anleihen hat der Euro den Dollar im Jahr 2004 als wichtigste Währung abgelöst. Ende September 2004 waren weltweit über 12 000 Milliarden Dollar an internationalen Anleihen mit fester und variabler Verzinsung ausstehend. Davon entfielen 5 400 Milliarden auf Euro, 4 800 auf US-Dollar, 880 Milliarden auf britische Pfund, 500 Milliarden auf japanische Yen und 200 Milliarden auf Schweizer Franken. Seit Einführung der europäischen Einheitswährung legte der Anteil auf Euro laufender internationaler Schuldverschreibungen von 19 % (1999) auf 32 % (2006) zu, während der Anteil des US-Dollars von 50 % auf ca. 43 % fiel und derjenige des Yen sich auf 6 % halbierte. Bei Neuemissionen entfielen 2006 bereits 46% auf den Euro und nur mehr 39% auf den Dollar.[5] Im Jahr 2008 entfielen 32,2 % der internationalen Schuldverschreibungen auf den Euro.[6]
Zudem ist der Anteil der Dollar-Einlagen an den gesamten ausländischen Kontobeständen der OPEC-Staaten von 75 % im Sommer 2001 auf 61,5 % im Sommer 2004 gefallen. Der Anteil der Euro-Einlagen stieg im gleichen Zeitraum von zwölf auf zwanzig Prozent.[7]
Rohstoffe
Die meisten Rohstoffe werden heute in US-Dollar abgerechnet - so auch der ökonomisch sehr bedeutsame Handel mit Erdöl. Aus der Dollarfakturierung des Erdöls lassen sich zwei Bedeutungen ableiten:
Erstens hat die große und konstante Abhängigkeit der Weltwirtschaft vom Rohöl zur Folge, dass der Wechselkurs jedes Landes gegenüber dem US-Dollar eine entscheidende ökonomische Größe ist - schließlich beeinflusst er in großem Maß die Rohstoffpreise eines Landes.
Zweitens verursacht die fast ausschließliche Dollarfakturierung bilanztechnisch Verbindlichkeiten der US-Zentralbank Federal Reserve gegenüber den erdölexportierenden Ländern in enormem Umfang, da diesen Ländern durch den Ölexport große Dollarbestände zufließen, die sogenannten Petrodollar.
Zukünftige Entwicklung
Während verschiedene Analysten eine zukünftig abnehmende Bedeutung des US-Dollar erwarten, gehen sie von einem Anstieg der Bedeutung des Euro und anderer Währungen aus.
Die Deutsche Bank prognostizierte im Jahr 2007 bis 2010 einen Anstieg des Euroanteils auf 30 bis 40 Prozent der globalen Währungsreserven, was sich jedoch nicht bewahrheitete. Sie begründete dies mit den großen Wechselkurs-Unsicherheiten, denen der US-Dollar ausgesetzt ist (unter anderem aufgrund des enormen Leistungsbilanzdefizits der USA). Die Bank vermutete, dass die Unsicherheit stabilitätssuchende Zentralbanken zu einer stärkeren Diversifikation ihrer Reserven veranlassen könnte. Darüber hinaus ist in mehreren Ländern eine sukzessive Änderung der Währungspolitik (weg von einer reinen Dollarbindung, hin zu einer Bindung an einen Währungskorb) zu beobachten. Ein dritter Grund ist im Anstieg der Währungsreserven selbst zu sehen; Zentralbanken stehen unter politischem Druck, die Reserven zinsbringend anzulegen. Auch aus diesem Grund erscheint eine Diversifikationsstrategie lohnend.[5]
Der frühere Vorsitzende der US-Notenbank Alan Greenspan hält es für möglich, dass der Euro den US-Dollar als Leitwährung ablöst.[8] Laut einer ökonometrischen Analyse von Jeffery Frankel und Menzie Chinn könnte das bereits vor 2020 eintreten, wenn (1) die restlichen EU-Mitgliedsländer (inklusive Großbritannien) ebenfalls den Euro bis 2020 einführen oder (2) sich der Wertverfall des US-Dollar weiter fortsetzt.[9] Andererseits zeigt die Geschichte, dass ein solcher Prozess auch mehrere Jahrzehnte dauern kann, wie im Fall der Ablösung des Pfunds durch den US-Dollar. Laut dem Ökonomen Barry Eichengreen liegt der Hauptgrund der letzten Ablösung an der wirtschaftlich bedingten kontinuierlichen Abwertung des Pfunds, verbunden mit einer im Vergleich zum Dollar hohen Inflation. Diese lag in Großbritannien über die ersten 75 Jahre des 20. Jahrhunderts rund dreimal so hoch wie in den USA.[10][11]
Ob und wie schnell der Euro tatsächlich zur neuen Leitwährung aufsteigen kann hängt also von den langfristigen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen ab, etwa vom Erfolg der Lissabon-Strategie, die darauf ausgerichtet ist, die EU zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt“ zu machen, aber auch von der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung bevölkerungsreicher asiatischer Länder wie Indien und China.
Die Weltbank geht im Jahr 2011 davon aus, dass die Dominanz des Dollars um das Jahr 2025 herum zu Ende gehen und durch ein Währungssystem ersetzt werden könnte, "in dem der Dollar, der Euro und der Yuan als ebenbürtige Währungen gelten".[12]
Quellen
- ↑ Carsten Weerth: Definition: Leitwährung. Gabler Wirtschaftslexikon. Gabler Verlag. Abgerufen am 10. November 2010.
- ↑ Helmut Reisen: Shifting wealth: Is the US dollar Empire falling?. voxeu.org. Abgerufen am 3. Juli 2011.
- ↑ Barry Eichengreen On Timing The Inevitable Decline Of The US Dollar (en), Businessinsider.com. 7. Januar 2011. Abgerufen am 3. Juli 2011.
- ↑ Ex-Notenbankchef: Greenspan sieht Euro als künftige Reservewährung. In: Spiegel Online, 17. September 2007. Abgerufen am 10. November 2010.
- ↑ a b Deutsche Bank Research: "Internationale Reservewährung Euro im Aufwind", EU Monitor 46, 24. April 2007
- ↑ The International Role of the Euro (en) (PDF; 2,0 MB). Europäische Zentralbank (8. Juli 2009). Abgerufen am 10. November 2010.
- ↑ Fehler beim Aufruf der Vorlage:cite web: Die Parameter url und title müssen vorhanden sein. (de). Wiener Zeitung (31. Dezember 2004). Abgerufen am 29. Oktober 2011.
- ↑ Euro could replace dollar as top currency - Greenspan (en), Reuters. 17. September 2007. Abgerufen am 10. November 2010.
- ↑ Chinn Menzie, Jeffery Frankel: Will the Euro Eventually Surpass The Dollar As Leading International Reserve Currency?. (PDF) In: NBER. Januar 2006. Abgerufen am 11. Oktober 2007.
- ↑ Barry Eichengreen: Sterling’s Past, Dollar’s Future: Historical Perspectives on Reserve Currency Competition1 (S. 20). (PDF) In: Tawney Lecture, delivered to the Economic History Society, Leicester. April 2005. Abgerufen am 3. Juli 2011.
- ↑ Why the euro is unlikely to eclipse the dollar (en), New York Times. 2. April 2008. Abgerufen am 3. Juli 2011.
- ↑ Weltbank prophezeit Ende der Dollar-Herrschaft (de), Spiegel Online. 5. Juni 2011. Abgerufen am 21. Juni 2011.
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