Literaturwissenschaftler

Literaturwissenschaftler

Literaturwissenschaft ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Literatur. Sie umfasst nach gängigem Verständnis Teilgebiete wie die Literaturgeschichte, die Literaturkritik, die Literaturinterpretation, die Literaturtheorie und die Editionsphilologie.

Geschichtlich ist sie hervorgegangen

  • aus der universitären Beschäftigung mit (Rhetorik und) Poesie,
  • der Beschäftigung mit dem Roman als Gegenstand der belles lettres und,
  • dem Namen nach, aus der Beschäftigung mit „Literatur“ - bis in das 19. Jahrhundert das Feld der wissenschaftlichen Publikationen.

In der literaturwissenschaftlichen Tradition stehen unter anderem die Theaterwissenschaft und die Medienwissenschaft.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte vom 17. ins 19. Jahrhundert

Lehrstühle für Poesie und Rhetorik

Man liest zuweilen, Johann Christoph Gottsched habe den ersten universitären Lehrstuhl für Poesie innegehabt. Das ist nicht korrekt, denn Lehrstühle in den Bereichen Poesie und Rhetorik gab es in den philosophischen Fakultären europäischer Universitäten schon lange.

Die universitäre Auseinandersetzung mit Poesie blieb bis ins 18. Jahrhundert hinein auf die Poetologie fixiert und damit auf eine Diskussion der Regeln, denen Kunstwerke in den verschiedenen Gattungen der Poesie nach Aristoteles und seinen Nachfolgern entsprechen mussten. Poesie in den Landessprachen blieb gegenüber lateinischer Dichtung auf den Universitäten weitgehend unbeachtet. Den geringsten Raum nahm die im 17. und 18. Jahrhundert aktuelle, mit der Oper ihr Zentrum findende Poesieproduktion ein.

Außeruniversitär: Die Beschäftigung mit dem Roman

Der Roman fand, nicht zur Poesie gehörig, vor allem auf dem Gebiet der Romanproduktion selbst Untersuchungen: in Vorreden zu Romanen und in Kapiteln, die von ihren Autoren in Romane eingebaut wurden, um dort die Geschichte der Gattung und ihre Qualitäten zu diskutieren. Zum Meilenstein wurde auf diesem Feld 1670 Pierre Daniel Huets Tractat über den Ursprung der Romane, 1670 als Vorrede zu Marie-Madeleine de La Fayettes Zayde veröffentlicht. Der in der Interpretation von Texten geschulte Bischof von Avranches schlug bahnbrechend vor, Romane und Poesie generell als Fiktionen vor dem Hintergrund der jeweiligen kulturellen Bedingungen zu interpretieren, denen sie entstammten. Die bestehenden Fachwissenschaften konnten dem Vorschlag wenig abgewinnen, profitabler schien bis weit in das 18. Jahrhundert hinein eine Romankritik, die die gesamte Gattung als moralisch verworfen disqualifizierte.

Die Literaturwissenschaft im Wortsinn des 17. und 18. Jahrhunderts

Die Literaturwissenschaft, die der Literatur, per definitionem dem Feld der Wissenschaften, galt, entwickelte sich als die Wissenschaft der wichtigsten wissenschaftlichen Publikationen und damit weitgehend als bibliographisches Projekt. Ihre Arbeit bestand im Wesentlichen in der Herausgabe großer Wissenschaftsbibliographien. Im Lauf des 18. Jahrhunderts wurde dieses Projekt zunehmend fragwürdig: Fachbibliographien gewannen in den 1770ern gegenüber allgemeinen Überblicken über die Literatur aller Wissenschaften. Das allgemeine Projekt einer Literaturgeschichte und Literaturwissenschaft überlebte, indem es sich am Ende des 18. Jahrhunderts der Poesiediskussion öffnete, die sich selbst Mitte des 18. Jahrhunderts der Romandiskussion geöffnet und damit entscheidend an Attraktivität gewonnen hatte.

Die Literaturwissenschaft des 19. Jahrhunderts

Als im 19. Jahrhundert bahnbrechend in Deutschland neu definiert wurde, was als Literatur zu betrachten sei – im Zentrum der Begriffsdefinition der Bereich der sprachlichen Kunstwerke einer jeweiligen Nation – wandelte sich die Literaturwissenschaft zu einem eminent politischen Projekt. Der Fachterminus „Germanistik“ birgt die neue Traditionslinie: Fachleute aus dem Bereich der Rechtswissenschaft, die in der Lektüre mittelalterlicher deutscher Rechtsquellen geschult waren, hatten als erste die Expertise, das Corpus der Nationalliteratur zu sichern und quellenkritisch zu edieren.

Die neudefinierte Literaturwissenschaft machte europaweit Schule in einer Entwicklung, in der deutsche und französische Fachwissenschaftler Mitte des 19. Jahrhunderts die entscheidenden Vorgaben für Literaturgeschichten anderer Länder machten.

Aktuelle Untergliederungen

Ältere deutsche Literaturwissenschaft

Das Fach Ältere Deutsche Literaturwissenschaft ist ein Teilbereich der Deutschen Philologie. Die Ältere Deutsche Literaturwissenschaft befasst sich mit der deutschen Literatur von den Anfängen im Frühmittelalter bis zum Übergang zur Neuzeit im 16./17. Jahrhundert. Sie analysiert die mittel- und althochdeutschen Texte systematisch nach Gattungen, Formen, Stoffen und Motiven, sowie historisch nach Autoren und Epochen.

Für Absolventen dieses Fachs lassen sich keine „typischen“ Berufsfelder erkennen. Es kommen quantitativ sehr begrenzte berufliche Tätigkeiten in Bildungsanstalten, Verlagen, Medien, Bibliotheken, Museen, Kulturvereinen, im Archiv- und Dokumentationswesen und in der Öffentlichkeitsarbeit in Betracht.

siehe auch: Mediävistik

Neuere deutsche Literaturwissenschaft

In der Neueren Deutschen Literaturwissenschaft werden theoretische Grundlagen und Methoden zur Untersuchung und Interpretation literarischer und nicht-literarischer Texte, wozu auch Theaterstücke und Filme zählen, in deutscher Sprache ab dem 16. Jahrhundert erarbeitet und angewendet. Literarische Epochen und ihr historischer Wandel werden erforscht und Beziehungen zwischen literarischen und anderen (geistes- oder sozialgeschichtlichen) Strukturen und Bedingungen der Herstellung, Verbreitung und Aufnahme von Literatur untersucht.

Die neuere deutsche Literaturwissenschaft ist neben der Linguistik und Mediävistik die dritte Disziplin des Studienfaches Germanistik an deutschen Universitäten.

Neu: Im Sinne von neuzeitlich, bezieht sich auf die Literatur und nicht auf die Wissenschaft. Als erstes großes Werk der neueren deutschen Literatur gilt in der Literaturwissenschaft das Narrenschiff (1494) von Sebastian Brant.

Deutsch: bezieht sich auf die deutsche Sprache; Studienobjekt ist also die deutschsprachige Literatur.

Wissenschaft: Macht darauf aufmerksam, dass beim wissenschaftlichen Lesen von Texten nicht das Rezipieren im Vordergrund steht, sondern vor allem das Reflektieren und Beobachten der Modalitäten. Das wissenschaftliche Nachdenken über Literatur muss methodisch fundiert sein.

Literaturwissenschaft in den so genannten Fremdsprachenphilologien

siehe: Anglistik, Amerikanistik, Romanistik, Slawistik, Orientalistik, Skandinavistik

Vergleichende Literaturwissenschaft

siehe: Komparatistik

Methoden und Theorien

In der Literaturwissenschaft haben sich verschiedene Methoden und Theorien entwickelt:

Unterteilung nach Gegenstand der Untersuchung

Bibliographien

  • Bibliographie der Deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft („BDSL Online“, in der gedruckten Ausgabe bekannt als Eppelsheimer-Köttelwesch, ist die wichtigste germanistische Bibliographie. Frei zugänglich sind die Berichtsjahrgänge 1985-1995. Die meisten deutschen Hochschulbibliotheken besitzen eine Lizenz zum Vollzugriff aus dem jeweiligen Hochschulnetz.)

Literatur

Allgemeine Einführungen

  • Heinz Ludwig Arnold/Heinrich Detering (Hrsg.): Grundzüge der Literaturwissenschaft, München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1996, ISBN 3423301716
  • Rainer Baasner und Maria Zens: Methoden und Modelle der Literaturwissenschaft - Eine Einführung, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Berlin: Erich Schmidt, 2005.
  • Oliver Jahraus: Literaturtheorie: Theoretische und methodische Grundlagen der Literaturwissenschaft, UTB, 2004, ISBN 3825225879
  • Hans Krah, Einführung in die Literaturwissenschaft. Textanalyse, Kiel: Verlag Ludwig, 2006, ISBN 978-3-937719-43-6.
  • Heinrich Bosse/Ursula Renner (Hg.), Literaturwissenschaft. Einführung in ein Sprachspiel, (Rombach Grundkurs Bd. 3), Freiburg 1999.
  • Ursula Kocher, Carolin Krehl: Literaturwissenschaft. Studium - Wissenschaft - Beruf. Akademie Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-05-004413-2 (Akademie Studienbücher - Literaturwissenschaft). 

Geschichte und Kritik der Literaturwissenschaft

  • Robert Weimann: 'New Criticism' und die Entwicklung bürgerlicher Literaturwissenschaft. Geschichte und Kritik autonomer Interpretationsmethoden, München: C. H.Beck, 2., durchges. u. erg. A. 1985
  • Klaus Weimar: Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft bis zum Ende des 19. Jahrhunderts (Taschenbuch), München: Fink, 2. Auflage 2003
  • K.D. Wolff (Hrg.): Das Räuberbuch: die Rolle der Literaturwissenschaft in der Ideologie des deutschen Bürgertums am Beispiel von Schillers „Die Räuber“, Parthas Verlag 2005

Lexika

Literaturgeschichten

  • Hans-Dieter Gelfert: Kleine Geschichte der englischen Literatur, München: C.H.Beck; 2. Auflage, 2005, ISBN 3406528562
  • Jürgen Grimm (Hrg.): Französische Literaturgeschichte, Stuttgart: Metzler, 5. überarbeitete und aktualisierte Auflage, 2006, ISBN 3476021483
  • Reinhard Lauer: Geschichte der russischen Literatur, Sonderausgabe, München: C. H. Beck 2. Auflage 2008, ISBN 978-3-406-50267-5
  • Michael Rössner (Hrg.): Lateinamerikanische Literaturgeschichte, Stuttgart: Metzler, 3. erweiterte Auflage, 2007, ISBN 3476022242
  • Helwig Schmidt-Glintzer: Geschichte der chinesischen Literatur, München: C.H. Beck, 2. Auflage 1999, ISBN 978-3-406-45337-3
  • Hubert Zapf (Hrg.): Amerikanische Literaturgeschichte, Stuttgart: Metzler, 2. aktualis. Aufl. 2004, ISBN 3476020363
  • Victor Zmegac (Hrg.), Geschichte der deutschen Literatur, 3 Bände (1/I und 1/II, sowie 2 und 3), Königstein/ Ts. 1978, Athenäum Verlag.

Weblinks

Siehe auch


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