- Live-View
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Als Live-View (auch: Live Preview) bezeichnet man ein bei Digitalkameras oder Camcordern eingesetztes System, das es ermöglicht, die Bildkomposition nicht über einen optischen Sucher, sondern über den eingebauten Bildschirm vorzunehmen. Hierzu wird das elektronische Signal des Bildsensors in Echtzeit (live) an den Bildschirm übertragen. Die erste nichtprofessionelle Digitalkamera mit einem Flüssigkristallbildschirm und Live-View brachte Casio mit der QV-10[1] im Jahr 1995 auf den Markt. Andere Hersteller arbeiteten an ähnlichen Lösungen, und keine fünf Jahre später war Live-View bei digitalen Kompaktkameras zum Standard geworden.[2]
Inhaltsverzeichnis
Vorteile
- Mit einigen Live-Views kann bei der Benutzung der sogenannten Softwarelupe auch die Vergrößerung eines Bildausschnittes angezeigt werden, womit zum Beispiel eine manuelle Entfernungseinstellung deutlich genauer durchgeführt werden kann.
- Ferner können auch teilweise leicht zusätzliche Bildinformationen, wie zum Beispiel die Blendenzahl, die Verschlusszeit, das gewählte Motivprogramm, die Bildschärfe oder ein Histogramm mit der Verteilung der Helligkeiten im Bild angezeigt werden.
- Bei schwenkbaren Monitoren kann das Monitorbild des Motivs nach dem Auge des Betrachters ausgerichtet werden.
- Live-View kann auch in elektronischen Suchern mit Okularen eingesetzt werden. Bei Okularen mit Dioptrienausgleich erübrigt sich unter Umständen die Notwendigkeit des Benutzens von Brillen zum Ablesen weiterer Anzeigen an der Kamera, wie zum Beispiel beim Einstellen von Kamerafunktionen über die Menüführung.
- Beim Live-View können direkt vor der Aufnahme automatisch Informationen über die Bildschärfe und die Helligkeit in beliebigen Bildpartien gewonnen werden. Moderne Kameras können dabei sogar bestimmte Motive erkennen, wie zum Beispiel Gesichter.
- Die Bildschärfe kann exakt dort ermittelt werden, wo bei der Aufnahme das Bild entsteht, nämlich durch den Bildwandler selbst, wenn dieser für die Live-View-Anzeige zuständig ist. Dadurch braucht in der Kamera kein weiterer Fokussensor ein- und ausgerichtet zu werden (siehe auch Fokussierungsfehler).
- Die Helligkeit und der Kontrast des angezeigten Bildes können bei ungünstigen Beleuchtungsverhältnissen oder bei der Simulation kleiner Blendenöffnungen angepasst werden.
- In einigen Live-Views können Hilfslinien zum Ausrichten der Aufnahmen eingeblendet werden.
- Der Live-View erlaubt bereits vor der Aufnahme das Erkennen und Vermeiden von falsch eingestelltem Weißabgleich oder Bildcharakter, wie zum Beispiel beim Kontrastverlauf, bei der Farbsättigung oder bei der Verwendung von elektronischen Farbfiltern (siehe auch sepia oder schwarzweiß).
- Durch die ruhigere Darstellung auf dem Bildschirm bei Freihandaufnahmen kann schon bei der Motivsuche von einer optomechanischen Bildstabilisierung profitiert werden.
- Die Anzeige auf dem Bildschirm kann verschiedenen in der Kamera eingestellten Aufnahmeformaten, wie zum Beispiel 4:3, 3:2 oder 16:9, sowie Ausschnittvergrößerungen beim Digitalzoom angepasst werden, sofern unterstützt.
- Der Live-View erlaubt immer eine exakte Kontrolle des Bildwinkels, also auch über einen sehr großen Zoombereich oder bei Nahaufnahmen, wo Messsucherkameras, Kompaktkameras mit separatem optischen Sucher oder in Einzelfällen (beispielsweise bei Nahaufnahmen mit sehr kompakten Modellen bei der Verwendung ungünstiger Objektive) sogar Spiegelreflexsucher größere Abweichungen zeigen (unter der Voraussetzung, dass der Bildsensor das Live-View-Bild erzeugt).
- Während des Live-Views müssen sich keine Einstellscheiben und Teilerspiegel im Strahlengang befinden, wie sie beispielsweise in Spiegelreflexkameras eingesetzt werden. Diese Gegenstände reflektieren und streuen ein Teil es einfallenden Lichtes in das Kameragehäuse und in das Objektiv zurück, so dass dadurch Abbildungsfehler wie Reflexe oder Falschlicht verstärkt oder erzeugt werden können.
- Mit einer elektronischen Anzeige kann die Auswirkung der Belichtungszeit auf das Aussehen bewegter Motive (wie zum Beispiel ein Wasserfall) durch zeitliche Integration oder auch die Wirkung einer Bildstabilisierung simuliert werden.
Nachteile
- Für eine permanente Anzeige des Bildes muss der Bildwandler ununterbrochen im Betrieb sein, wodurch er sich entsprechend erwärmt. Dies wirkt sich zwar prinzipiell ungünstig auf das Bildrauschen aus, der unerwünschte Effekt ist aber bei modernen, gegenüber CCD-Sensoren weniger energiehungrigen Active-Pixel-Sensoren verringert worden.
- Die automatische Entfernungseinstellung beruht beim Live-View auf einer Kontrastmessung, die in der Vergangenheit meist langsamer arbeitete als die Phasenvergleichsmessung, wie sie üblicherweise in Spiegelreflexkameras mit Autofokussystemen eingesetzt wird. Inzwischen sind die Unterschiede zwischen den besten spiegellosen Systemen und Spiegelreflexkameras nicht mehr signifikant.[3]
- Bei hellen Lichtbedingungen, wie zum Beispiel bei Sonnenlichteinfall, lässt sich wegen des stark verminderten Kontrasts auf vielen Flüssigkristallbildschirmen kaum noch etwas erkennen. Hier ist ein optischer oder elektronischer Sucher mit Okular vorzuziehen.
- Flüssigkristallbildschirme und elektronische Sucher zeigen die Bilder mit einer gewissen Verzögerung, so dass beim Schwenken oder bei sich schnell bewegenden Motiven unter Umständen nicht der richtige Bildausschnitt beziehungsweise -inhalt angezeigt wird.
- Flüssigkristallbildschirme und elektronische Sucher haben einen begrenzten Farbraum, so dass es zu Fehlbeurteilungen der Farbwiedergabe und zu Farbabweichungen vom Motiv kommen kann.
- Elektronische Sucher weisen gegenüber Spiegelreflexsuchern meist eine spürbar geringere Auflösung auf, die die Beurteilung der Schärfe ohne die Verwendung einer Softwarelupe einschränkt.
- Elektronische Sucher erhöhen den Stromverbrauch der Kamera und verkürzen die typische Betriebszeit pro Batteriesatz oder Akkuladung. Die meisten Kameramodelle aktivieren die Anzeige deshalb nur bei Bedarf und schalten sie nach relativ kurzer Zeit ab, manche erlauben auch den Betrieb ohne Anzeige.
Spiegelreflexkameras
Bei digitalen Spiegelreflexkameras schien es lange Zeit so, als wäre Live-View mit der von der analogen Technik übernommenen Konstruktionsweise und dem vermehrten Bildrauschen durch den Dauerbetrieb der vergleichsweise großen Bildsensoren nicht vereinbar. Üblicherweise wurde das durch das Objektiv eindringende Licht über Spiegel und Prisma umgelenkt, wodurch im Sucher ein entsprechendes Bild entsteht. Nur beim Auslösen wurde der Spiegel weggeklappt und der Verschluss geöffnet, so dass der Film beziehungsweise der Bildsensor nur in diesem Augenblick belichtet wird und benutzt wird.
Um dieses Problem zu umgehen, wurde in der ersten digitalen Spiegelreflexkamera mit kontinuierlichem Live-View, der Olympus E-330, ein zweiter Bildsensor in den Strahlengang platziert. Auf diesen wurde ein Teil des Lichts umgeleitet und das dort entstandene Bild auf der Flüssigkristallanzeige der Kamera dargestellt. Da sich hierbei der Spiegel in der normalen Position befand, war gleichzeitig das Sucherbild verfügbar. In einem zweiten Modus (Makro) wurde der Spiegel hochgeklappt, und der eigentliche Bildsensor lieferte die Live-View-Vorschau. In der Lumix DMC-L1 setzte Panasonic wenig später den sogenannten Live-MOS-Sensor mit geringer Leistungsaufnahme für die kontinuierliche Live-View-Anzeige ein. Bei dieser Bauweise ist dann kein zweiter Bildsensor notwendig, stattdessen ist der Spiegel ständig hochgeklappt und schwingt für den Autofokus herunter und für das Auslösen der Aufnahme wieder hoch. Hierbei wird für die automatische Scharfstellung gleichzeitig Licht auf den Autofokussensor gelenkt. Dadurch ist es möglich, Belichtung und Weißabgleich auf dem Monitorbild einzuschätzen. Der Fotograf kann zwischen Live-View- und Sucheranzeige umschalten. Sony wählte für einige seiner Spiegelreflex-Kameras einen hybriden Weg: Auf den Sony Alpha 500 und dem Schwestermodell Sony Alpha 550 stehen beide Möglichkeiten zum Live-View parat: Für das schnelle Fokussieren über Phasen-AF wird der sogenannte "Quick-LiveView"-Modus verwendet, der wie die Olympus einen zweiten Sensor verwendet. Mit dem Hauptsensor kann dann zusätzlich über "Manual Focus Check LiveView" gearbeitet werden, der -wie der Name schon sagt- bei manueller Fokussierung sinnvoll ist.
Systemkameras
Im August 2008 wurde die erste digitale Systemkamera mit Live-View, die Panasonic LUMIX DMC-G1, vorgestellt. Diese Kamera nach dem Micro-Four-Thirds-Standard kommt ohne den platzraubenden Schwingspiegel aus und hat einen elektronischen Sucher.
Einzelnachweise
- ↑ http://www.casio-europe.com/de/unternehmen/geschichte/produkte/detail/1995_2/ Casio-Website zur QV-10
- ↑ http://www.digitalcamerainfo.com/content/Evolution-of-the-Live-Preview-in-Digital-Photography-.htm Zur Entwicklung des Live View in der Digitalfotografie (englisch)
- ↑ Die Stiftung Warentest hat im Jahr 2010 die Auslöseverzögerungen von 58 hochwertigen Kompakt- und Systemkameras bestimmt. Die schnellsten Kompaktkameras und spiegellosen Systemkameras sind mit deutlich unter 0,2 Sekunden inzwischen genauso schnell wie die guten Spiegelreflexkameras, die langsamsten Spiegelreflexmodelle haben sogar bis zu 0,9 Sekunden benötigt. Digitalkameras auf test.de (abgerufen am 18. Januar 2011)
Weblinks
- Erklärung des Systems vom Hersteller Olympus (PDF; 243 kB)
Kategorien:- Digitalfotografie
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