Live-System

Live-System

Der Begriff Direktstartsystem oder Live-System bezeichnet in der Rechentechnik ein Betriebssystem, das ohne Installation und Beeinflussung des Inhaltes einer im System vorhandenen Festplatte gestartet werden kann. Das gesamte Betriebssystem wird dazu in der Regel auf ein Startmedium wie eine CD-ROM oder ein USB-Stick installiert, was das Starten eines Rechners ohne Festspeicher oder ohne vorinstalliertem Betriebssystem ermöglicht.

Inhaltsverzeichnis

Eingrenzung

Mit Hilfe von Direktstartsystemen, die neben einer CD-ROM selbst auch auf anderen startfähigen Wechseldatenträgern installiert werden können, können auch Rechner ohne Festspeicher (wie z.B. eine Festplatte), sowie Rechner mit beschädigtem Massenspeicher oder mit beschädigtem (vorinstalliertem) Betriebssystem gestartet werden.

In der Regel wird dann vom entsprechenden Speichermedium gestartet. Bei Windows-Rechnern müssen die Einstellungen dafür gegebenenfalls im BIOS vorgenommen und bei Mac-Rechnern die C-Taste gedrückt werden. Nach dem Starten steht eine fertig eingerichtete Betriebssystem-Umgebung mit verschiedenen Anwendungsprogrammen bereit. Nach Entfernung des Startmediums und einem Neustart des Rechners ist dieser wieder im Ursprungszustand, da das ursprüngliche Betriebssystem auf der Festplatte vom Direktstartsystem in der Regel nicht verändert wird. Alle Daten des Direktstartsystems sind dann wieder verschwunden, da diese nur in den Hauptspeicher geschrieben wurden. Aufgrund dieses Konzeptes werden bei Benutzung eines Direktstartsystems keinerlei Benutzeraktivitäten oder Änderungen gespeichert und somit auch keine digitalen Spuren im installierten Betriebssystem hinterlassen. Auf Wunsch können jedoch Konfigurationsdaten gesichert werden, meist auf Festplatte, einem USB-Stick oder einem anderen Festspeicher, um diese später – nach dem nächsten Hochfahren oder auf einem anderen Rechner – wieder nutzen zu können.

Je nach Zielgruppe und Anwendungsbereich bauen Direktstartsysteme auf verschiedenen Betriebssystemen auf und umfassen verschiedene Anwendungen. Weil kein Schreibzugriff auf gegebenenfalls vorhandene Festspeicher benötigt wird, eignen sich Direktstartsysteme besonders für die Hardware-Diagnose, Fehlerbehebung und Datenrettung sowie sicheres Internetsurfen.

Entwicklung und Ausblick

Bereits die ersten Plattenorientierten Betriebssysteme (DOS) ließen sich direkt vom (schreibgeschützten) Startmedium betreiben, auf das nach dem Start nicht – oder nur in Ausnahmefällen – lesend zugegriffen werden musste. Beispiele sind frühe Unix-Versionen, AmigaOS, CP/M, MS-DOS 1.0 (1981) und Mac OS (1984), die damals noch von „Live-Disketten“ betrieben wurden; dieser Begriff selbst war aber früher unbekannt: man hatte schlicht keine anderen Speichermedien, denn Festplatten – so sie denn für das System überhaupt verfügbar waren – waren „unbezahlbar“ teuer. Mit größerer Komplexität der Betriebssysteme wurden später Installationen auf der Festplatte notwendig und Live-Startmedien gerieten in Vergessenheit.

Bequemen Umgang mit Live-CDs ermöglichte dann Mac OS 7. Es wurde mit einer startfähigen Installations-CD oder mehreren Disketten ausgeliefert. Durch einfaches Verschieben eines Systemordners auf CD ließ sich eine voll funktionstüchtige Live-CD erstellen. Macintosh-Anwendungen laufen meist problemlos von einer CD, da sie nicht auf eine beschreibbare Windows-Registrierungsdatenbank oder ähnliches angewiesen sind.

Großes Interesse der Öffentlichkeit und zunehmende Verbreitung fanden Live-CDs mit der Entwicklung von Knoppix, von dem es mittlerweile zahlreiche Derivate gibt.

Die Firma Microsoft hat für die Verwaltung großer Unternehmensnetzwerke Windows PE (Preinstalled Environment) an Entwickler verteilt, eine nicht öffentlich verfügbare Live-CD mit Windows 2000. Das Unternehmen hatte kein Interesse an einfach zu erstellenden und bequem benutzbaren Live-CDs, da sich dadurch eine nur einmal erworbene Windows-Version beliebig und für den Hersteller nicht nachprüfbar auf verschiedenen Rechnern einsetzen ließ, was gegen die Lizenzbedingungen verstößt, wenn von einer Betriebssystem-Einzellizenz Live-CDs erstellt und an Dritte weitergegeben werden; deshalb unterstützt Microsoft das Projekt Bart PE auch nicht. Von Windows Vista wurde jedoch eine PE-Version als Beilage zu Computerzeitschriften verteilt.

Das Linux-Betriebssystem Mandriva Move war konzipiert als ein Live-System, das kommerziell vertrieben wurde. Der Vertrieb wurde allerdings bereits nach kurzer Zeit wieder eingestellt und Mandriva veröffentlicht seitdem seine Live-Distribution unter dem Namen Mandriva One. Diese kann sowohl kostenlos herunter geladen als auch als konfektionierte CD bestellt werden. Der Preis für die CD deckt vermutlich nur die Verwaltungs- und Versandkosten, da er sich in ähnlichen Preisregionen bewegt wie für andere Linux-Distributionen auf CD oder DVD. Es ist fraglich, wie stark sich Live-Systeme vermarkten lassen, da es einerseits viele relativ ausgereifte, frei erhältliche Varianten gibt, andererseits sich die dauerhafte Anwendung einer Live-CD in der Praxis auf Anwendungen wie Firewalls beschränkt, da der Inhalt der CDs nicht verändert werden kann.

Mittlerweile gibt es von den meisten Linux-Varianten eine Live-Version zum unverbindlichen Testen. Da Live-Systeme als kostenlose Download-Version einen großen Umfang an Software mitbringen, erfreuen sie sich zunehmender Beliebtheit. Im Falle von Systemcrashs oder Virenbefall sind sie ein einfach zu bedienendes Medium, das ein großes Spektrum an Hilfsmaßnahmen bietet.

Mit Damn Small Linux und Puppy Linux gibt es weitere Betriebssysteme, die sich komplett auf CDs oder USB-Sticks installieren lassen. Die heutigen Speicherkapazitäten von (beschreibbaren) Sticks und SD-Karten, auch für Live-Systeme von DVD-Umfang, haben noch freien Speicherplatz übrig für Daten, Einstellungen und zusätzliche Programme. Somit eignen sich Live-Systeme in Verbindung mit einem USB-Stick auch als mobiler Arbeitsplatz (z. B. Mandriva Move).

Einsatzmöglichkeiten von Live-Systemen

Zum Ausprobieren

Da ein Live-System grundsätzlich keine Daten auf die Festplatte schreiben muss, eignet es sich dazu, alternative Betriebssysteme auszuprobieren, ohne dabei Gefahr zu laufen bei Fehlkonfigurationen oder Installationsproblemen Schaden zu verursachen.

Systemumzug auf neuen Datenträger oder anderen Rechner

Gebootet von einem separaten Medium lassen sich Betriebssystem(e) und Daten komplett oder selektiv auf eine andere Festplatte übertragen (Migration). Voraussetzung dafür ist, dass vom ursprüngliche Datenträger ein entsprechendes Speicherabbild (Image) mittels Backup erstellt wurde. Für Windows-Systeme kann beispielsweise die für Privatanwender kostenlose Software DriveImage XML eingesetzt werden.

Reparatur eines bestehenden Systems

Vielen Live-Systemen (wie z. B. Knoppix) sind Analyseprogramme integriert (siehe →Boot-CD). Bei Schwierigkeiten mit einem installierten Betriebssystem lässt sich von einem Live-System booten, um Fehler zu finden und zu beheben. Beispiel: Durch das Arbeiten als „Root“ bzw. im Administrator-Modus ist Vollzugriff auf die Festplatten möglich, so können mittels Live-CD eventuell noch Daten gerettet oder das System repariert werden. Nach einem irreparablen Systemzusammenbruch lässt sich alternativ zur Neuinstallation nur noch ein – so man hat – zuvor gesichertes Speicherabbild (Image-Backup) z. B. mit DriveImage XML zurück schreiben (Restore).

Sicher ins Internet

Sofern keine Schreibrechte für Festplatten erteilt werden, ist es praktisch unmöglich, sich über ein Live-System aus dem Internet einen Virus, Wurm, Trojaner oder ein anderes schädliches Programm (Malware) einzufangen, da diese mangels Speicherung nach einem Neustart nicht mehr vorhanden sind – gegen „Phishing“ ist diese Methode jedoch prinzipiell machtlos, aber die Sicherheit für Anwendungen wie Internetbanking ist erhöht, wenn dafür ein System benutzt wird, das ausschließlich diesem Zweck dient, da es nicht durch fremde Nutzungen wie Surfen infiziert werden kann. Auf diesen Überlegungen beruht auch die vom BSI herausgegebene BitBox zum hochsicheren Surfen im Internet.

Media-Center

Ein Live-System eignet sich gut als Streaming-Client für Audio- und Videodaten und kann auch als Streaming-Server oder für Auftritte als DJ sowie VJ Verwendung finden. Das Live-System dyne:bolic unterstützt einige dieser Funktionen.

Virenbekämpfung auf nicht mehr startbaren Systemen

Die c’t-Redaktion veröffentlicht in regelmäßigen Abständen die auf Knoppix basierende Live-Distribution Desinfec’t (ehemals Knoppicillin), die Linux-Versionen mehrerer Virenscanner und Treiber für alle gängigen Dateisysteme inklusive NTFS (Windows) enthält und dafür genutzt werden kann, Viren und andere Malware aufzuspüren und zu löschen, die vom gestarteten Wirtssystem aus u. U. nicht entdeckt werden können. (Virenscanner sind in der Download-Variante nicht mehr enthalten!)

Übersicht Live-Systeme

Linux

Sehr verbreitet sind Live-Systeme auf CD oder DVD zum Kennenlernen von Linux. Sie lassen den Festplatteninhalt bewusst unverändert. Die meisten Live-Systeme lassen sich auf Wunsch auch auf der Festplatte installieren und als vollwertiges Betriebssystem nutzen.

Einige Beispiele sind hier aufgelistet, für eine umfangreiche Liste mit bekannten Live-Distributionen siehe den Artikel Liste der Linux-Distributionen

  • Bankix wird vom c’t Magazin für sicheres E-Banking entwickelt und basiert auf Ubuntu. [1]
  • Damn Small Linux ist eine auf geringen Ressourcenverbrauch spezialisierte Live-Distribution, von USB-Stick bootbar
  • Kanotix ist eine auf Debian basierende Live-Distribution mit sehr guter Unterstützung für aktuelle Hardware. Außerdem ermöglicht ein Installer die Installation von Kanotix auf eine Festplatte.
  • Knoppix ist die wohl bekannteste Linux-Live-Distribution, auf DVD oder CD
  • Morphix ist ein Projekt, bei dem man sich eine eigene Live-CD aus bestehenden Modulen bauen kann (wird nicht mehr weiterentwickelt)
  • Pardus ist ein ausgereiftes Desktop-Betriebssystem mit hervorragender Hardware-Unterstützung, das auch als Live-System von CD/DVD benutzt werden kann.
  • Mandriva One Live-Distribution von Mandriva
  • Puppy Linux ist eine platzsparende Linux-Distribution, die unter anderem direkt von CD oder USB-Stick gestartet werden kann
  • Ubuntu ist bis Version 5.10 unterteilt in Live- und Install-CD, ab Version 6.06 ist es eine CD/DVD, von der sich ein Livesystem booten lässt. Über dieses Livesystem ist dann eine grafische Installation möglich. Trotzdem gibt es weiterhin die Möglichkeit des textmodus-basierenden Installierens für langsamere Computer sowie spezielle Einstellungen.
  • Ubuntu Privacy Remix ist eine auf Ubuntu basierende Live-CD mit dem Ziel, eine abgeschottete und sichere Arbeitsumgebung zur Bearbeitung sensibler Daten bereitzustellen.
  • Vyatta Open-Firmware-Router ist eine auf Debian basierende Router-Lösung.
  • Grml ist für Systemadministratoren und Benutzer von textbasierten Werkzeugen geeignet, unter anderem als Rettungs-CD.
  • INX ist ein Konsolenlinux als Live-CD auf Basis von Ubuntu. Es eignet sich für Anfänger, die den Umgang mit der Konsole und deren Möglichkeiten kennenlernen wollen. Es enthält keinen graphischen Desktop.
  • fluxflux ist ein Livesystem (CD oder USB/SD(HC)) mit dem Windowmanager Openbox für Desktops, Note- und Netbooks (hier finden sich besondere Anpassungen für spezielle Netbooks wie eeePCs, Wind/Akoya, LG X110, NC 10), das auch für ältere Hardware und eine schnelle Installation auf die Festplatte (intern/extern oder SD(HC)) geeignet ist. Es gibt zwei Versionen: eine basiert auf PCLinuxOS (http://fluxflux.net), die andere auf Slackware 12.2 (http://lin2go.com).
  • Slack2Go ist eine auf Slackware basierende Live-Distribution mit sehr guter Unterstützung für aktuelle Netbooks. Es ist sowohl von USB-Medien als auch von CD/DVD lauffähig und lässt sich auch in kürzester Zeit als vollwertiges System installieren.

BSD

Windows

Andere Betriebssysteme

  • AFROS Live-CD: AFROS ist ein komplett freies TOS (Atari) kompatibles Betriebssystem, für die Live CD auf eine Linux Distribution als Unterbau gesetzt, beispielsweise Slax oder Knoppix. Alle zum Unterbau kompatiblen Rechner können AFROS als Live-System ausführen.
  • BeOS-LiveCD (XBEOX) und Shots BeOS-LiveCD: Basis ist BeOS
  • ZETA-Live-CD: Nachfolger von BeOS
  • Durafox Live-Distribution:Basis ist Unix
  • eComStation: (OS/2-Nachfolger)
  • FreeDOS: CD Distribution
  • Mac OS X Live-CD: Kann mit BootCD von laufendem OS X individuell erstellt werden
  • MS-DOS: Alle Versionen lassen sich auch von Diskette starten
  • Open Solaris Live-CD
  • SchilliX Live-CD: Basis ist OpenSolaris
  • Syllable Live-CD

Live-Systeme selbst erstellen

Es gibt mittlerweile auch einige Tools, die das Erstellen eigener Live-Systeme erleichtern:

  • Kadischi, aus dem Fedora-Projekt
  • remastersys, aus dem Ubuntu-Projekt
  • Slax, aus dem Slackware-Projekt
  • mklivecd, aus dem Mandrake-Projekt/PClinuxOS
  • Bart PE für auf Windows (XP und Server 2003) basierende Live-CDs
  • WinBuilder für auf Windows (ab XP) basierende Live-CDs
  • dfsbuild, bootcd für Debian-basierte Live-CDs
  • Morphix, umfangreiche Toolsammlung und fertige Module zur Erstellung Debian-basierter Live-CDs
  • MKDistro, für Dreamlinux
  • Larch für Archlinux
  • SuseStudio ist als umfangreiche Online-Hilfsumgebung zum Erstellen von Live-Betriebssystemen auf Basis einer OpenSuse-Distribution (Server, JeOS, KDE, Gnome, MinimalX) geeignet
  • UNetbootin ist ein Tool zum Erstellen von bootfähigen USB-Sticks aus Linux-ISOs komplett mit Bootloader. Als Linux- und Windows-Version verfügbar. Kann eine Auswahl an Distributionen direkt herunterladen oder beliebige startfähige ISOs verwenden.

Literatur

  • Hattenhauer, Rainer: Linux-Livesysteme – Knoppix, Ubuntu, Morphix, Kanotix, Mepis, Slax & Co, Galileo Press, 2005, ISBN 3-89842-631-9

Weblinks

Einzelnachweise

  1. [1]

Wikimedia Foundation.

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