Lohnerwerke

Lohnerwerke
Lohnerwerke GmbH Wien
Unternehmensform GmbH
Gründung 1821
Unternehmenssitz Wien
Unternehmensleitung

Familie Lohner

Produkte

Fahrzeuge, Flugzeuge

Die Lohner-Werke sind eine Wagen- und Waggonbaufabrik mit Sitz in Wien-Donaustadt, die heute zum kanadischen Bombardier-Konzern gehört. Hervorgegangen aus der k.u.k Hof-Wagenfabrik Jakob Lohner, die v.a. luxuriöse Kutschen erzeugte, stellten die Lohnerwerke ab der Jahrhundertwende vorwiegend Motorräder, Lastkraftwagen, Autobusse, Straßenbahnen und Flugzeuge her.

Lohner war eines der wichtigsten "Hightech"-Unternehmen der österreich-ungarischen Monarchie. Das erste Hybridelektrokraftfahrzeug der Welt war der Lohner-Porsche.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Gründer Jacob Lohner, links sitzend, vermutlich ein Jahr vor seinem Tod
Luxuskutsche von Lohner vmtl. um 1910
Altes Briefpapier mit dem Logo von Jacob Lohner & Comp. vor 1918, unten das Logo der Lohnerwerke ab 1918

Gegründet wurde das Unternehmen am 18. März 1821 von Heinrich Lohner (1786-1855),[1] einem Wagnermeister, der vor der Einziehung in die Französische Rheinarmee aus Deutschland geflüchtet war. Seine revolutionäre Idee war das Zusammenfassen einzelner Wagenbaugewerbe in einer Fabrik zur Produktion von Kutschen in luxuriöser Ausführung. Sein Sohn Jacob Lohner (7. Oktober 1821 - 19. Februar 1892) war ein Wagenfabrikant von Weltruf, spezialisiert auf Luxus- und Ambulanzwagen. Er arbeitete davor beim Sattlermeister Ludwig Laurenzi (gest. 28. Februar 1859). Nach der Meistererkenneung schlossen Ludwig Laurenzi, Jacob Lohner und Josef Neuhs am 31. Dezember 1851 einen Gesellschaftsvertrag. Neuhs schied später aus dem Unternehmen raus und der Name wurde am 2. November 1856 von "L. Laurenzi und Comp." in "Laurenzi und Lohner" umgeändert.

Am 27. Juni 1857 heiratete Jacob Lohner Louise, die Tochter von Ludwig Laurenzi. Ihr Kind Ludwig wurde am 15. Juli 1858 geboren. Nachdem Ludwig Laurenzi 1859 starb, übernahm Jacob Lohner das Unternehmen. Mit einer Schiffsreise gelang er nach Skandinavien wo er am 21. April 1860 per Dekret zum "königlich schwedischen Hoflieferant" ernannt wurde.

Jacob Lohner und sein Schwager Josef Brauner, ebenfalls im Wagnergewerbe, schlossen sich zusammen und registrierten am 31. Juli 1868 beim k.k. Handelsgericht den neuen Firmennamen "Jacob Lohner & Comp.". Mittlerweile produzierte das Unternehmen die Wagen fabriksmäßig, pro Jahr wurden um die 300 bis 500 Wagen erzeugt. Ab dem 21. August 1876 durfte Lohner den Titel eines "k.u.k. Hof-Wagenlieferant" führen. Lohner war weiters königlicher Hoflieferant von Schweden, Norwegen und Rumänien.

Die zunehmenden Exporte erforderten eine größere Betriebsstätte als im 9. Wiener Gemeindebezirk vorhanden war. Das Gelände in der Wiener Servitengasse 19 wurde zu klein. 1873 wurden bereits 10.000 Fahrzeuge produziert. Die Fabrik wurde nach der Wiener Donauregulierung nach Floridsdorf verlegt, das 30.000 m2 anbot. Das Direktionsgebäude blieb im 9. Bezirk in der Porzellangasse 2.

Jacob Lohner schied am 31. Dezember 1886 aus dem Unternehmen aus und verstarb 1892, sein Sohn Ludwig (15. Juli 1858-1925) übernahm die Leitung. Er erhielt den Hoflieferantentitel 1892. Unter seiner Führung wurden die Lohnerwerke die größte Pferdewagenfabrik der Monarchie. 1897 durfte Lohner Benzin-Motorwagen in Betrieb setzen, später wurden Elektroautos serienmäßig produziert. Ludwig Lohner wandte sich ab 1909 dem Flugzeugbau durch, der in Österreich-Ungarn führend wurde.

Lohner erhielt als einer der letzten Aufträge des Hofmarstalls einen Wettbewerb zur Entwicklung einer "Einheits-Karosserie" für die Personenautomobile des Wiener Hofes. Lohner war neben Carl Marius und Sebastian Armbruster während der Regierungszeit von Kaiser Franz Joseph die vom Wiener Hof am häufigsten beauftragte Wagenfabrik. Am 15. Jänner 1918 wurde der Firmenname auf "Lohnerwerke GmbH Wien" im Wiener Handelsregister umgeändert.

Der Sohn von Ludwig war Richard Lohner (22. August 1894 - 4. April 1970 in Kitzbühel)

Zehn Fahrzeuge und zahlreiche Kutschenzeichnungen von Lohner befinden sich heute in der Wagenburg im Schloss Schönbrunn. Zu den Wagen zählen neben einer zehnsitzigen, dunkelgrün lackierte und gelb beschnittene Mailcoach ("Drag") von 1876 der 1893 umgestaltete Leichen-Fourgon des Wiener Hofes von 1889 und der große Fourgon mit Cabriolet von 1898.

Das Archiv des Unternehmens befand sich in der Zentrale an der Porzellangasse 2 im 9. Bezirk, die Werkstätten waren an der Donaufelderstraße 75-79 im 21. Bezirk.

Automobilbau

Der Lohner-Porsche, das erste Hybridfahrzeug der Welt

Als erster Österreicher erkannte er die Bedeutung des Automobilbaus und begann ab 1897 mit fabriksmäßigem Bau. Mit zwei Fahrzeugen nahm er 1898 an der Collektivausstellung österreichischer Automobilbauer im Rahmen der Kaiser-Franz-Joseph-Jubiläumsausstellung in der Wiener Rotunde, auf der die vier ersten im damaligen Österreich gebauten Automobile gezeigt wurden (darunter auch der Wagen von Siegfried Marcus aus den Jahren 1888/89) teil. Da kein brauchbarer Motor zur Verfügung stand, entwickelte er mit dem jungen Ingenieur Ferdinand Porsche einen Elektroantrieb. Der Lohner-Porsche war die Sensation der Weltausstellung 1900 in Paris. Ab 1901 arbeitete man an einem gemischten Antrieb (Benzin/Strom), dem Hybridantrieb.

In der Zeit nach 1900 begann Lohner auch O-Busse, sowie Karosserien für die Firmen Gräf & Stift und Steyr zu bauen, die keine eigene fertigen konnten.

Flugzeugbau

Der Lohner-Pfeilflieger

1909 begannen die Lohnerwerke mit dem Flugzeugbau. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs stellte Lohner 685 Land- und Wasserflugzeuge her. Am Anfang standen einige Prototypen, später (ab ca. 1912) bauten sie 36 Exemplare der weiterentwickelten Etrich Taube und ihre erfolgreichen Eigenentwicklungen, den Lohner Pfeilflieger und die Lohner Flugboote, ein Land- Wasserflugzeug mit 350 PS. Lohner war in Österreich-Ungarn einer der wichtigsten Flugzeugproduzenten und -entwickler. 1918 wurden von den Siegermächten die Werke zerstört und der Flugzeugbau verboten. Unter diesen Umständen und den verlorenen Absatzmärkten war nach dem Krieg nur mehr Karosseriebau möglich.

Neben der Maschinen- und Waggonbau Fabriks AG Simmering und der Grazer Wagen- und Waggonfabriks AG (die später zur Simmering-Graz-Pauker AG fusionierten), waren die Lohnerwerke die wichtigsten Lieferanten für Straßenbahnbetriebe in ganz Österreich.

Ab 1959 Rotax

Im Jahr 1959 wurde die Aktienmehrheit am Rotax-Motorenwerk in Gunskirchen übernommen. Die Rotax-Motoren waren unter Lizenz gebaute Fichtel & Sachs-Motoren, die die Motorroller von Lohner bestückten. Die Wiener Firma zeichnete sich als Pionier des Rollerbaus in Österreich aus, auch Mofas, wie die Baureihe "Sissy", genießen heute noch Kultstatus. Der Roller "Rapid 200" hatte als einziger einen JLO-Motor und keinen Rotax. Der wohl bekannteste Roller von Lohner war der L125.

1970 übernahm der kanadische Bombardier-Konzern die Firmen Rotax und Lohner, die schon den berühmten "SkiDoo" unter Lizenz gebaut hatten, woraufhin sie zuerst in Rotax, dann in Bombardier-Rotax umbenannt wurden. Im Zuge von konzerninternen Umstellungen wurde das ehemalige Wiener Lohnerwerk auf die Herstellung von Light-Rail-Schienenfahrzeugen spezialisiert und agiert nun unter dem Namen "Bombardier Wien Schienenfahrzeuge" (BWS).

Straßenbahn

Wiener Rotax-Tram nach Düwag-Lizenz

Mit dem Straßenbahnbau begannen die Lohnerwerke nach dem Ersten Weltkrieg, als der Flugzeugbau untersagt wurde. So bekamen die Werke 1926 den Auftrag, ganze Straßenbahnwagen für die Wiener Verkehrsbetriebe zu bauen. Damit ging das Wachstum wieder kurz aufwärts, bis das Werk im Jahr 1934 ganz geschlossen werden musste. Im Jahr 1938 nach dem Anschluss wurde es allerdings wieder eröffnet.

Seit den 1950er und 2000er Jahren zählen die ehemaligen Wiener Lohnerwerke zu den wichtigsten Straßenbahnlieferanten Europas; in den Werken erzeugte Fahrzeuge verkehren u.a. in Wien, Köln , Linz, Graz, Croydon, Eskişehir, Stockholm, Saarbrücken und Brüssel. Bis in die 90er Jahre baute Rotax für Wien und andere Städte Österreichs nach Lizenzen des deutschen Straßenbahnherstellers Düwag.

Fußnoten

  1. Vgl. Österr. Akademie d. Wissenschaften: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950. Wien 1972.

Literatur

  • Wolfgang M. Buchta: Lohner Kutschen. Kutschen und Pferdefuhrwerke der k. u. k. Hofwagenfabrik Jacob Lohner & Co zu Wien. Wien 1995
  • Mario Döberl: Lehrjahre eines Hofwagenfabrikanten. Die Studienreisen Ludwig Lohners in Europa und den USA (1878 - 1885). In: Blätter für Technikgeschichte Band 68, S. 97 - 136. Wien 2006
  • Martin Haller: Pferde unter dem Doppeladler. Olms/Verlag Stocker, Graz 2002, ISBN 978-3487084305
  • Ingrid Haslinger: Kunde – Kaiser. Die Geschichte der ehemaligen k. u. k. Hoflieferanten. Schroll, Wien 1996, ISBN 3-85202-129-4.
  • Reinhard Keimel: Flugzeuge der österreichischen Firma Lohner 1909–1923. Sonderheft der Blätter für Technikgeschichte, Technisches Museum Wien, 1990.
  • Thomas Köppen: Die K.K. Hof-Wagenfabrik Jacob Lohner & Co. Ein Beispiel für den Wiener Kutschenbau des ausgehenden 19. Jahrhunderts. In: Achse, Rad und Wagen. Beiträge zur Geschichte der Landfahrzeuge 3 (1995) 18-31. Wiehl (Bergische Achsen KG) 1995
  • Erwin Steinböck: Lohner, zu Land, zu Wasser und in der Luft. Die Geschichte eines industriellen Familienunternehmens von 1823-1970. Weishaupt, Graz 1996. ISBN 978-3900310080.

Weblinks


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