- Kutsche
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Eine Kutsche ist ein gefedertes Fuhrwerk, also ein gefederter, von Zugtieren gezogener, gedeckter Wagen. Eine Kutsche kann ein- oder zweiachsig sein, eine geschlossene Karosserie haben oder ein bewegliches Verdeck. Ganz offene Pferdewagen sind definitionsgemäß keine Kutschen. Gezogen werden Kutschen fast nur von Pferden, wobei es Ein- und Mehrspänner gibt.
Inhaltsverzeichnis
Wortursprung
Das Wort Kutsche leitet sich vom ungarischen Kocsi ab. ‚Kocsi‘ bedeutet „aus Kocs“, dem Namen eines in der ungarischen Grafschaft Komáron gelegenen Dorfes, in dem diese Kutschen erstmalig hergestellt, sowie im Jahre 1272 erstmals urkundlich erwähnt wurden.[1]
Geschichte
Schon die Römer benutzten, zumindest ab dem 2. Jahrhundert nach Chr., gefederte Reisewagen.[2] Die Technik ging aber mit dem Niedergang der Antike offensichtlich verloren. Im 15. Jahrhundert wurde die Federung im ungarischen Kocs erneut erfunden. Die erste urkundliche Erwähnung des Wortes kocsi (damals noch kocsy buchstabiert) datiert in das Jahr 1469.[3] Von da an wurde an den Kutschen stetig verbessert, was immer die Entwicklung der Technik hergab. Der große Erfolg dieses komfortablen Kutsch-Wagens, der sich schnell über den ganzen Kontinent ausbreitete, spiegelt sich darin wider, dass in zahlreichen europäischen Sprachen entsprechende Bezeichnungen nach diesem Erfindungsort benannt wurden (und auch heute noch so genannt werden), beispielsweise coach (englisch), Kutsche (deutsch), coche (französisch), cocchio (italienisch), coche (spanisch).
Eine ganze Reihe von Berufen war im Kutschenbau engagiert: z. B. Stellmacher, Schreiner, Lackierer, Linierer u. v. A.
Kutschen waren auch stets ein Statussymbol, das aber nicht nur durch den Wagen selbst, sondern durch die ganze Equipage ausgedrückt wurde.
Kutschen waren bis zum Ende des 19. Jahrhunderts das Reisemittel für Überlandreisen schlechthin. Die wohlhabende, britische Familie der Krankenpflegepionierin Florence Nightingale unternahm beispielsweise 1837 bis 1838 eine Reise auf den europäischen Kontinent, für die William Edward Nightingale eine sechsspännige Reisekutsche fertigen ließ, die neben der vierköpfigen Familie Nightingale auf dem Dach der Kutsche auch Raum für zwei Dienstmädchen, einen Diener und einen Boten bot. Erst die Entwicklung des Automobils ließ die Kutsche langsam aus dem Straßenbild verschwinden.
In den wenigsten Ländern ist die Kutsche noch ein wichtiges Transportmittel. In Mitteleuropa wird Gespannfahren heute fast nur noch als Hobby oder Sportart ausgeübt. Im offiziellen Kursbuch der Schweiz existierte 2005 weiterhin eine Kutschenlinie (zwischen Pontresina und Roseggletscher).
Von der Kutsche zum Automobil
Am 8. März 1886 bestellte der Automobilpionier Gottlieb Daimler eine Kutsche der Bauart „Americain“ bei Wilhelm Wimpff & Söhne in Stuttgart, die im August 1886 ausgeliefert wurde. Ursprünglich als Geschenk für seine Frau Emma gedacht, „endete“ sie, nachdem Daimler dort einen Motor eingebaut hatte, als das erste vierrädrige Automobil.
Unterscheidungsmerkmale
Kutschen wurden früher von Manufakturen individuell nach Bestellung des Kunden gebaut. Erst ganz am Ende der Ära der Kutschen wurden zumindest Einzelteile industriell hergestellt. Daher sind historische Kutschen stets Unikate. Auch die verschiedenen Wagentypen sind daher nicht mit den heutigen Modellen der Automobilindustrie vergleichbar.
Es folgen dennoch einige Merkmale, um eine Kutsche klassifizieren zu können:
Anzahl der Achsen
zwei oder eine; einachsig z. B. das Hansom Cab und, sofern mit Verdeck versehen, der Gig
Art der Anspannung
siehe Hauptartikel: Anspannung
Position des Wagenlenkers
- Selbstfahrer: Der Selbstfahrer wird vom Besitzer des Wagens bzw. einem der Reisenden selbst gefahren. Erkennbar an der Ausstattung des Fahrersitzes. Typischer Selbstfahrer: Der Phaeton
- vom Kutscher zu fahren.
- Kutschbock vor den Fahrgästen
- Kutschbock vorne über den Fahrgästen
- Kutschbock hinten über den Fahrgästen
- Bei einigen Viktoria-Kutschen gibt es die Möglichkeit den Bocksitz abzumontieren und damit zum Selbstfahrer umzuwandeln.
Sitzanordnung der Passagiere
- vis-à-vis, also von Angesicht zu Angesicht vorwärts und rückwärts blickend
- dos-à-dos, also Rücken an Rücken vorwärts und rückwärts blickend
- alle in Fahrtrichtung blickend
- vis-à-vis quer zur Fahrtrichtung, u.a. Wagonette und der klassische Pferdeomnibus
Verdeck
Die Bremsen
- In Gegenden mit wenigen Steigungen findet man noch heute Kutschen ohne Bremsen. Die Zugtiere können den Wagen selbst über die Aufhalter sowie Kumt beziehungsweise Halskoppel, beim Brustblattgeschirr, oder ein zusätzliches Hintergeschirr abbremsen.
- Hemmschuhe (auch: Bremsschuhe) wurden vor allem im Gebirge zum Bremsen auf längeren Abfahrten verwendet.
- Bergbremse verhindert das Bergabrollen der Kutsche.
- Backenbremse
- Scheibenbremsen sind in modernen Kutschen üblich.
Der Bremshebel
- Zugbremse (ähnlich der Handbremse beim Auto)
- Druckbremse (eine Handbremse zum nach vorne Drücken)
- Spindelbremse (zum Kurbeln)
- Handradbremse
- Fußbremse (bei den meisten modernen Kutschen)
Art der Federung
Die Federung unterscheidet die Kutsche vom Wagen, die Ausführung zeigt den Fortschritt der Technik, aber auch den Stand an (siehe auch: Equipage). Die Federung macht den Transport von Personen bequemer und sicherer. Das Ziehen wird den Zugtieren erleichtert.
Die Aufhängung des Wagenkastens auf vier Pfosten mittels eines Lederriemens war die erste Form der Federung. Die Pfosten wurden später durch Blattfedern und schließlich Federpakete ersetzt.
Typische Federformen
- S-Form und C-Form
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- Elliptische Federn mit den Untertypen:
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- Einfache elliptische Feder
- Doppelelliptikfeder
- Halbelliptikfeder (auch Dreiviertelelliptikfeder genannt)
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- Bügel-C-Feder
- Einige moderne Kutschen haben eine Luftfederung. (z. B. für Geländefahrten).
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Anordnung der Federn am Wagengestell
- Eine Feder pro Rad
- Denuett-Federung. 1 zusätzliche Feder pro Achse verbindet die primären Federn.
- Parallelogramm-Federung. 4 Federn pro Achse. Zwei zusätzliche Federn verbinden die primären Federn quer zur Wagenrichtung.
Spezielle Ausstattungen
z.B.
- In den Wagenkasten integrierte Box mit Lüftungsschlitzen um Hunde sicher unterzubringen (die Dog Box).
- Wildfang um erlegtes Wild zu transportieren (Kennzeichen des Jagdwagens).
Verwendungszweck
- Reisewagen (historisch)
- Postkutsche (historisch und nostalgisch)
- Nahverkehrsmittel (historisch und nostalgisch)
- Droschke (historisch und nostalgisch)
- Repräsentation
- Sportgerät
- für das Geländefahren
- zum Dressurfahren usw.
Wagentypen
Kutschen
- Berline: ähnlich wie der Landauer, aber mit festem Dach
- Bregg (f.): ein großes, hochrädriges Pferdegefährt mit Plätzen für ganze Familien[4]
- Carrick, zweirädrig, zweispännis
- Carruca (römischer Wagen)
- Char-à-Bancs, vierrädriger Jagd- und Ausflugswagen
- Char-à-Côté: eine Art Aussichtswagen
- Coupé: vierrädrige Kutsche mit zwei Sitzplätzen in einer Kabine, bei welcher der Fahrer weit vorn und außerdem draußen saß.
- Duc
- Gelbe Kutsche
- Gig
- Goldene Kutsche (Sondershausen)
- Imperialwagen
- Jagdwagen: Am Heck ist ein Fang zum Ablegen von erlegtem Wild montiert.
- Kalesche
- Kremser
- Landauer
- Omnibus
- Parkwagen
- Phaeton
- Spider-Phaeton: leichte Ausführung eines Phateon
- Stanhope-Phaeton
- Postkutsche
- Sandschneider (Kutsche)
- Sjees
- Stanhope (auch: Stanhope Gig)
- Tilbury leichte, einachsige Kutsche mit geschlossenem Gepäckabteil, benannt nach ihrem Erfinder, Kutschenbauer in London
- Viktoria, bis 1869 Mylord genannt, auch als Bockchaise bezeichnet
- Vis-à-vis
Keine Kutschen
Ganz offen
- Buggy
- Break: schwerer Wagentyp zum Einfahren junger Pferde
- Dog Cart
- Marathonwagen
- Sulky
- Wagonette
Traditionell ungefedert
Museen
- Museum für Kutschen, Chaisen und Karren in Heidenheim an der Brenz
- Kutschenmuseum in Laa an der Thaya (Niederösterreich)
- Marstall-Museum Schloss Nymphenburg (München)
- Die Wagenburg des Kunsthistorischen Museums in Wien
- Fürst Thurn und Taxis Marstallmuseum Schloss St. Emmeram (Regensburg)
- Hessisches Kutschen- und Wagenmuseum in Lohfelden bei Kassel
- Museum Achse Rad und Wagen der BPW-Achsenfabrik in Wiehl (Oberbergischer Kreis)
- Historisches Kutschenmuseum in Neustadt/Dosse (Ostprignitz-Ruppin)
- Kutschenmuseum des Museumsdorfes Kobrow II (Parchim)
- Kutschen und Wagenmuseum in Rottach-Egern am Tegernsee
- Reiseleben - Lebensreise in der Kutschenhalle auf der Schlossinsel in Schleswig eine Ausstellung des Volkskunde Museum Schleswig
Referenzen
- ↑ Quelle: Közlekedési Múzeum Budapest (Transportmuseum mit einer der ältesten Sammlungen an Transportmitteln in Europa).
- ↑ Rekonstruktion eines römischen Reisewagens und eines Wagens aus der Hallstattkultur
- ↑ Quelle: Közlekedési Múzeum Budapest (Transportmuseum mit einer der ältesten Sammlungen an Transportmitteln in Europa).
- ↑ Bertolt Brecht: Die unwürdige Greisin. Kalendergeschichte, 1939 (erstmals 1949 veröffentlicht). Z. B. in: Arbeitstexte für den Unterricht. Generationen. Geschichten und Gedichte über Junge und Alte. Universal-Bibliothek und Reclam (Hrsg.) (Philipp Reclam jun. GmbH & Co.), Stuttgart 1999. ISBN 3-15-015042-6.
Siehe auch
- Zugtier
- Pferdesport
- Anspannung
- Geschirr (Zugtier)
- Karosserie, Wagen
- Pferdebahn
- Londoner Kutschenstreit
- Hauderei
- Fiaker
Weblinks
Commons: Kutschen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Katalog mit Kutschen- und Wagentypen in der Verkehrswerkstatt
- Kutschentypologie nach Benno von Achenbach in der Verkehrswerkstatt
- Buch über englische Kutschen
- Portal zu Kutschen
- Kutschen, Wagenbauerdatenbank und viele Abbildungen der jeweiligen Kutschentypen
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