Londoner Geheimvertrag

Londoner Geheimvertrag

Der Londoner Vertrag 1915 (italienisch Patto di Londra) wurde zwischen Italien auf der einen und den Alliierten Mächten Großbritannien, Frankreich und Russland auf der anderen Seite geschlossen.

Vor dem Ersten Weltkrieg war Italien als Mitglied des Dreibundes mit Deutschland und Österreich-Ungarn verbündet. Da der Dreibund aber ein Defensivbündnis war, der Krieg aber mit der Kriegserklärung der Habsburgermonarchie an Serbien begann, war Italien nicht zum Beistand verpflichtet und erklärte seine Neutralität.

Nach der Annexion Libyens durch Italien 1911 war die Verärgerung über die französische Besetzung Tunesiens im Jahre 1881 in Italien abgeflaut. Andererseits lebten immer noch Italiener unter österreichischer Herrschaft im Trentino und im Küstenland. Umgekehrt war Frankreich im Krieg daran interessiert, seine Wachtruppen von der Alpengrenze zu Italien abziehen zu können, um die Front gegen Deutschland zu stärken.

1915 wurde in London eine Konferenz abgehalten mit dem Ziel des Kriegseintritts Italiens auf Seiten der Triple Entente. Unterzeichnet wurde der Bündnisvertrag am 26. April. Vereinbart wurde, dass Heeres- und Marineabkommen zur Koordinierung der Kriegsanstrengungen gegen die Mittelmächte abgeschlossen werden sollten. Insbesondere verpflichtete sich Russland zu Entlastungsangriffen auf Österreich-Ungarn, wenn dieses seine Hauptmacht gegen Italien richten sollte, Frankreich und Großbritannien verpflichteten sich zur aktiven Bekämpfung der österreichischen Flotte im Mittelmeer. Im Gegenzug verpflichtete sich Italien, gegen alle Gegner mit allen verfügbaren Kräften zu kämpfen.

Für den Friedensschluss wurden Italien große Gebietsgewinne zugesichert:

  • Tirol bis zum Brenner
  • Triest und Istrien außer Rijeka
  • das nördliche und mittlere Dalmatien mit den vorgelagerten Inseln
  • der Besitz des bereits von Italien besetzten Dodekanes in der Ägäis wurde garantiert
  • der Besitz des bereits besetzten Libyen wurde garantiert
  • Italien solle einen gerechten Anteil bei einer möglicherweise erfolgenden Aufteilung der Türkei erhalten
  • im Falle einer Aufteilung der deutschen Kolonien wurden Italien Kompensationen in Afrika zugesagt
  • Italien wurde das Recht zugesprochen, die Außenbeziehungen Albaniens zu leiten

Italien wiederum verpflichtete sich, die Ansprüche Serbiens und Montenegros auf einen Küstenstreifen um Rijeka sowie im südlichen Dalmatien anzuerkennen und sich einer Aufteilung Albaniens auf Serbien, Montenegro, Griechenland und einen kleinen albanischen Reststaat um Durazzo nicht zu widersetzen.

Der genaue Inhalt wurde wie damals üblich geheim gehalten. Nach der Oktoberrevolution veröffentlichte der Rat der Volkskommissare noch im November 1917 den russischen Vertragstext in der Regierungszeitung Iswestija, um die Bevölkerung über die imperialistischen Kriegsziele Italiens aufzuklären.

Nach Ende des Krieges erhielt Italien tatsächlich Südtirol, Triest und Istrien und behielt Libyen und den Dodekanes. Dalmatien wurde allerdings dem neu gebildeten Jugoslawien zugeschlagen, die Zone im Süden der Türkei musste wieder geräumt werden, da die Regierung unter Kemal Atatürk den Friedensvertrag nicht akzeptierte, und bei der Verteilung der deutschen Kolonien ging Italien ebenfalls leer aus.

Zwar waren die italienischen Kriegsanstrengungen weniger erfolgreich gewesen als ursprünglich angenommen, aber trotzdem war die Enttäuschung in Italien groß. Dies war einer der Gründe für das Erstarken des Faschismus.

Literatur


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