Louise Bourgeois

Louise Bourgeois

Louise Joséphine Bourgeois (* 25. Dezember 1911 in Paris; † 31. Mai 2010 in New York City) war eine zeitgenössische französisch-amerikanische Bildhauerin, die sich unter anderem sehr früh mit Installationen auseinandersetzte. Sie lebte und arbeitete seit 1938 in New York City.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Aufgewachsen ist Louise Bourgeois in Choisy-le Roi bei Paris, wo ihre Familie eine Galerie für historische Textilien betrieb. Die Familie unterhielt dort auch eine Werkstatt zum Restaurieren der alten Stoffe. Schon als Kind fertigte Bourgeois in der elterlichen Werkstatt Zeichnungen zur Ergänzung fehlender Teile an. In Paris erwarb sie in den Jahren 1936 bis 1938, unter anderem an der École nationale supérieure des beaux-arts de Paris, die für ihre Arbeit als Bildhauerin notwendigen Grundkenntnisse und Fertigkeiten. Da sie ein Mädchen war, schenkte man ihr in ihrer Kindheit sehr wenig Beachtung, was sie später wie folgt kommentierte:

„Wenn ein Junge geboren wird, dann ist die Familie glücklich. Wenn ein Mädchen geboren wird, dann findet man sich damit ab, man toleriert die Tatsache.“

3sat – Kulturzeit[1]

Zu ihrem Vater Jean-Louis hatte Louise ein sehr angespanntes Verhältnis. Er betrog ihre Mutter Joséphine Bourgeois zehn Jahre im eigenen Haus mit dem englischen Kindermädchen Sadie Gordon Richmond, die Louise die englische Sprache beibrachte. Auf Louise nahm der Vater ebenfalls sehr wenig Rücksicht, machte sich über sie lustig und stellte sie am Esstisch bloß. Um sich abzulenken begann sie daher aus Brot ihre ersten Skulpturen zu formen, die ihren Vater darstellten, welche sie dann am Esstisch heimlich zerstörte. Dies drückte sie in einem Interview folgendermaßen aus:

„Mein Vater redete pausenlos. Ich hatte nie Gelegenheit, etwas zu sagen. Da habe ich angefangen, aus Brot kleine Sachen zu formen. Wenn jemand immer redet und es sehr weh tut, was die Person sagt, dann kann man sich so ablenken. Man konzentriert sich darauf, etwas mit seinen Fingern zu machen. Diese Figuren waren meine ersten Skulpturen, und sie repräsentieren eine Flucht vor etwas, was ich nicht hören wollte. […] Es war eine Flucht vor meinem Vater. Ich habe zahlreiche Arbeiten zu dem Thema 'The Destruction of the Father' gemacht. Ich vergebe nicht und ich vergesse nicht. Das ist das Motto, das meine Arbeit nährt.“

3sat – Kulturzeit[1]

Ihre Schule beschrieb sie als einen Ort der Zuflucht, an dem sie sehr glücklich war und der sie von Zuhause isolierte.[2] In gleicher Weise bot ihre Mutter ihr einen Ort der Zuflucht vor ihrem Vater. Daher beschrieb Bourgeois ihre Mutter als die beste Freundin ihrer Kindheit. In ihren Kunstwerken wird sie oft durch eine Spinne symbolisiert, da sie Weberin war. Ekel empfindet Bourgeois bei diesem Vergleich jedoch nicht, sondern sieht die Spinne als wohlgesinnte Behüterin.[3] Als ihre Mutter im Sterben lag, kümmerte sich Louise Bourgeois um sie. Nach deren Tod unternahm Bourgeois einen Suizidversuch.

Diese Erinnerungen und traumatischen Erfahrungen beeinflussten ihr Leben und Werk und führten zu Kunstwerken wie den Rauminstallationen „The Destruction of the Father“ (deutsch: die Vernichtung des Vaters)[4] und „The Reticent Child“ (deutsch: Das verschlossene Kind).[5][6] Ihre Kunst stellt somit eine Aufarbeitung ihrer Kindheit dar, was sie selbst als Privileg zu sublimieren bezeichnet. Im Jahr 1938 ging sie nach New York, gemeinsam mit ihrem Mann Robert Goldwater, der dort einen Lehrauftrag als Kunsthistoriker annahm. 1939 kehrten beide für kurze Zeit nach Paris zurück, um 1940 ihren ersten Sohn, Michel, zu adoptieren. 1940 gebar sie selbst den Sohn Jean-Louis und 1941 den Sohn Alain.[7] Sie starb im Alter von 98 Jahren in ihrem Wohnort Chelsea in New York City.

Werk

Louise Bourgeois hat sich im Laufe ihres künstlerischen Schaffens mit den unterschiedlichsten Materialien und Techniken auseinandergesetzt. Dabei nimmt sie in einigen Bereichen eine Pionierrolle ein: So ist sie eine der ersten Künstlerinnen, die installativ arbeitete, indem sie ihre Skulpturen als zusammenhängende Teile in einem räumlichen Kontext arrangierte. Ihre Experimentierfreudigkeit führt sie immer wieder zu neuen Verarbeitungsmöglichkeiten und Materialkombinationen. Beispielsweise dienen bei einigen der seit Mitte der neunziger Jahre entstandenen Stofffiguren die verarbeiteten Kleidungsstücke aus Kindheit und Jugend als Fülle sowie als Umhüllung – sie sind Material und Thema, Inhalt und Form. Ein Spätwerk ist die Umgestaltung der Église Louise Bourgeois, ein ehemaliges Rekollektenkloster Le Couvent d’Ô als kleines Museum in Bonnieux, Frankreich, rue Aristide mit integrierten Arbeiten von ihr.

Ausstellungen

Der internationale Kunstbetrieb wurde erst spät auf Louise Bourgeois aufmerksam, deren Werke zunächst ausschließlich in den Vereinigten Staaten Beachtung fanden, insbesondere in New York. Dort wurden in Einzelausstellungen erstmals ihre Zeichnungen (1945) und die in der Zeit von 1941 bis 1953 geschaffenen Skulpturen (1979) der Öffentlichkeit gezeigt. 1980 folgte die Ausstellung ihrer Skulpturen aus den Jahren 1955 bis 1970. Nachdem das New Yorker Museum of Modern Art Louise Bourgeois 1982 eine Retrospektive gewidmet hatte, folgten weitere US-amerikanische Museen. Ab 1989 waren ihre Werke auch in verschiedenen europäischen Ländern zu sehen.

Die Japan Art Association würdigte Louise Bourgeois’ Lebensleistung 1999 mit der Verleihung des Praemium Imperiale, dem bedeutendsten Preis für Zeitgenössische Kunst. Beim Kunstkompass 2005 belegte sie den fünften Platz, 2009 ist sie mit dem dreizehnten Platz die erfolgreichste Frau im Ranking.[8]

Internationales Interesse erweckte Louise Bourgeois mit der Teilnahme an der documenta IX in Kassel (1992) und der Biennale in Venedig (1993). 1994 zeigte die Kestnergesellschaft in Hannover das Werk der amerikanischen Bildhauerin.[6] Im Jahr 1996 widmeten die Deichtorhallen in Hamburg ihrem Werk eine große Retrospektive. Im Frühjahr 1999 fand die Ausstellung Spinnen, Einzelgänger, Paare in der Kunsthalle Bielefeld statt. Gezeigt wurden ihre Werke unter anderem auch auf der Melbourne International Biennial 1999, auf der Documenta 11 (2002), sowie in Ausstellungen in Berlin (Akademie der Künste, 2003), Dublin (Irish Museum of Modern Art, 2003/04), Augsburg (Neue Galerie im Höhmannhaus, 2005), Kunsthalle Bielefeld (2006), Kunsthalle Wien (2006), und Philadelphia Museum of Art.

Die Tate Modern widmete 2007 in London der Künstlerin zeitgleich mit ihrem 95. Geburtstag eine umfangreiche Retrospektive. Vom 5. März bis zum 2. Juni 2008 stellte das Centre Georges Pompidou in Paris einige ihrer Werke aus. Weitere Ausstellungen: Solomon R. Guggenheim Museum (New York) und Museum of Contemporary Art (Los Angeles). Louise Bourgeois begleitete noch die letzte zu ihren Lebzeiten in Deutschland eröffnete Ausstellung in der Sammlung Scharf-Gerstenberg (Nationalgalerie) in Berlin, "Double Sexus. Bellmer – Bourgeois" (24. April bis 25. August 2010).[9] Vom 3. September 2011 bis 8. Januar 2012 findet anlässlich ihres 100. Geburtstags die Ausstellung À L’Infini in der Fondation Beyeler, Riehen statt.[10]

Maman

Hauptartikel: Maman
„Maman" im Mai 2011 in Bern

Ihre 9 Meter hohen Spinnen-Bronzefiguren, die „Maman“ sind zu finden in den öffentlichen Sammlungen[11]: Mori Art Museum, Roppongi, Tokyo, Japan; Leeum, Samsung Museum of Modern Art, Seoul, Südkorea; Eremitage, Sankt Petersburg, Russland; Jardin des Tuileries, Paris, Frankreich; Tate Modern, London, UK; Guggenheim Museum, Bilbao, Baskenland, Spanien; Institute of Contemporary Art, Boston, USA; National Gallery of Canada, Ottawa, Canada; Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Washington D.C., USA; Museo Nacional de Bellas Artes, Palacio del Centro Asturiano, Havanna, Kuba; John and Mary Pappajohn Sculpture Park, Des Moines, USA; Kemper Museum of Contemporary Art, Kansas City, Missouri, USA.

Eine der Spinnen reist seit Mai 2011 im Vorfeld einer Ausstellung zum 100. Geburtstag der Künstlerin der Fondation Beyeler durch die Schweiz. Bis zum 7. Juni war sie auf dem Bundesplatz in Bern zu sehen, anschliessend zog sie weiter nach Zürich und Genf. Seit dem 3. September steht sie in der Fondation Beyeler in Basel.[12]

Auszeichnungen

Einzelnachweise

  1. a b Louise Bourgeois Kulturzeit extra: ein Porträt 3sat.de
  2. Louise Bourgeois – Video bei Youtube (französisch)
  3. Alles ist möglich in New York Kulturzeit extra: Louise Bourgeois – ein Porträt; Teil 2. 3sat.de
  4. tate.org – Room Guide – Room 6 (englisch)
  5. artcritical.com (englisch)
  6. a b Elke von Radziewsky: Die alte Dame als Folterknecht. In: Die Zeit, Nr. 38/1994. „Die Kestnergesellschaft in Hannover zeigt das Werk der amerikanischen Bildhauerin Louise Bourgeois.“
  7. Kunsthalle Bielefeld: Biografie
  8. Kunstkompass 09: Die wichtigsten Künstler. In: Kurier, 29. Mai 2009
  9. Rezension von Johannes Vesper auf musenblätter.de vom 2. August 2010 zu: Udo Kittelmann, Kyllikki Zacharias (Hrsg.): Hans Bellmer – Louise Bourgeois. Distanz-Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-89955-403-8
  10. http://vernissage.tv/blog/2011/09/06/louise-bourgeois-a-linfini-exhibition-at-fondation-beyeler/ Louise Bourgeois: À L’Infini. Exhibition at Fondation Beyeler]
  11. Abbildungen der grossen Maman, Spinnen-Mutter
  12. Mütterliches Monster: Bourgeois’ Spinne in Bern im Bund vom 20. Mai 2011

Literatur

  • Emilie Kiefhaber: Louise Bourgeois: Die Cells der neunziger Jahre. Diplomarbeit an der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, 2010 (othes.univie.ac.at)
  • Donald Kuspit: Ein Gespräch mit Louise Bourgeois. NichtSoKleineBibliothek Nummer 3. Piet Meyer Verlag, Bern 2011.
  • Alfred Werner Maurer: Église Louise Bourgeois in Architekturikonen Provence, Côte d’Azur + Riviera, Philologus Verlag, Basel 2008.

Weblinks



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