Ludwig Reiners

Ludwig Reiners

Ludwig Reiners (* 21. Januar 1896 in Ratibor; † 10. August 1957 in München) war ein Kaufmann und Schriftsteller.[1][2]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Reiners war der Sohn eines Zigarrenfabrikanten. Auf dem Gymnasium in Ratibor legte er 1914 sein Abitur ab. Danach nahm er am Ersten Weltkrieg teil. Er studierte Jura und Volkswirtschaft. 1920 wurde er mit einer Arbeit über die wirtschaftlichen Maßnahmen der Münchner Räterepublik promoviert und trug die Titel Dr. jur. Dr. rer. pol..

Dann begann er in der Stellung des Börsenvertreters der Deutschen Bank eine Laufbahn als Kaufmann, wurde Direktionsassistent in der Schwerindustrie bei der Deutschen Werke AG, Holzhändler auf dem Balkan als Prokurist eines Schweizer Holzkonzerns. Reiners war während des Dritten Reiches NSDAP-Mitglied und zuletzt über 25 Jahre – auch während des zweiten Weltkrieges, aber unterbrochen durch eine Zeit als Landarbeiter nach dem Zusammenbruch 1945 – in Bayern Verkaufsdirektor der Münchner Garnfabrik Richard Jung.[2][1] 1957 starb er nach kurzer schwerer Krankheit.

Reiners wuchs gleichermaßen im Bannkreis Preußens wie der österreichisch-ungarischen Monarchie und ihrer Atmosphäre auf, die er in seiner Darstellung über Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs „In Europa gehen die Lichter aus“ schildert.

In der Zeit der Weltwirtschaftskrise begann er, wirtschaftswissenschaftliche Lehrbücher und Einzeluntersuchungen zu veröffentlichen („Die wirkliche Wirtschaft“, eine Einführung in die Volkswirtschaftslehre in Frage und Antwort, 1930). Daran schlossen sich Bücher über innerliche Fragen, die deutsche Literatur und die Geschichte Englands und Deutschlands.

Nach dem Krieg brachte Reiners schnell nacheinander den größten Teil seiner Bücher auf den Markt. Nun schrieb er für den Stilduden ein Vorwort.

Mit seiner ersten Frau Lotte hatte er einen Sohn und eine Tochter. Er war mit ihr bis zu ihrem Tod im Jahr 1947 verheiratet. 1951 heiratete er die 26-jährige Malerin Hilde Wielandt, die ihm drei Söhne schenkte.[1]

Die Stilkunst

1943 erschien Deutsche Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa. Dem Benutzer öffnet sich nicht nur ein Panoptikum des guten und schlechten Stils, sondern man stellt ihm auch Aufgaben: Die Beschreibung von Gegenständen oder Rückübersetzungen aus dem Englischen ins Deutsche. Reiners nahm viel aus Eduard Engels gleichnamigem Buch von 1911 auf.

Stefan Stirnemann schrieb dazu:[3]

„Reiners übernahm von Eduard Engel bewußt und nach Plan die Auffassung von Stil und Stillehre, die Begriffe und zahllose Beispiele aus schöner und Fachliteratur. Darüber hinaus stahl er ihm treffende Beobachtungen und kräftige Sätze und äffte recht eigentlich Engels Haltung nach: die überlegene Haltung des Kenners. […] Möglich war der Betrug nur im Dritten Reich. Einerseits waren Engels Schriften ohne Rechtsschutz, andererseits durfte Reiners annehmen, daß sie, in Fraktur gedruckt, umso schneller vergessen würden, da der „Führer“ 1941 die Umstellung auf Antiqua verfügt hatte. Er konnte also zuversichtlich das erfolgreiche Buch Eduard Engels – das Wort drängt sich auf: arisieren.“

Der mit Reiners befreundete Dichter Eugen Roth hingegen empfahl Reiners’ Buch. Er lobte Reiners für seinen „Reichtum an Wissen“, für den „überlegene[n] Witz seines Vortrages“, für sein „ausgezeichnetes Buch“. Jedoch nannte er ihn auch einen „Feierabend- und Sonntagsschreiber“, dessen Stilkunst „aus mindestens so vielen eigenen wie fremden Quellen gespeist“ sei. Reiners gab das Buch von Engel am Ende seiner Stilkunst als eine der Quellen für seine Beispiele an.

Ihm zufolge soll man beim Schreiben eines Textes vor allem beachten:

  • Lass das Subjekt etwas tun, schreibe im Verbalstil: nicht „Durch die Gewöhnung an die ständige Unterhöhlung seines Ansehens kam es zu seinem Rückzug ins Privatleben und zur Konzentration auf die Produktion seiner schriftstellerischen Werke“, sondern: „Als man ihn immer mehr verleumdete und er das Leben irgendwann schon gar nicht mehr anders kannte, zog er sich in sein Haus in XY zurück und schrieb dort fortan in größerer Ruhe an seinen Büchern weiter“.
  • Benutze das besondere, nicht das allgemeine Wort: nicht „Das Wasser bewegte sich den Hang hinunter“, sondern: „Der Bach quirlte, zischte, spritzte und toste über den Schuttkegel hinunter ins Wiesental“.
  • Schreibe knapp: nicht „Als wir uns über die unterschiedlichen Erfordernisse in der Sache geeinigt hatten, kamen wir, nachdem wir uns beraten hatten, letztlich überein, dass die Rechte an der Nutzung des Geländes ohne Wenn und Aber bei den Personen bleiben mussten, die sie auch schon vor 1933 innegehabt hatten und denen sie von den Nazis geraubt worden waren“, sondern: „Wir beschlossen, die Landenteignungen der Nazis rückgängig zu machen“.

Weitere Veröffentlichungen

Reiners stellte den Charakter seiner Anpassung im Dritten Reich in dem Ratgeber Die Kunst der Rede und des Gesprächs klar, in dem Hitlers Stil verspottet wird.

In seiner Abhandlung Steht es in den Sternen? – Eine wissenschaftliche Untersuchung über Wahrheit und Irrtum der Astrologie von 1951 sammelte er alles, was sich gegen Sinn und Wahrheit der Astrologie sagen lässt („Das Sternbild des Löwen gibt es nicht!“).[1]

In Europa gehen die Lichter aus ist eine Chronik der Fehler, die zum Ersten Weltkrieg und zur Niederlage der Mittelmächte und zur Auflösung des Deutschen Kaiserreiches führten.[1]

Friedrich ist eine Biografie des preußischen Königs Friedrich II, die sein Leben von der Jugend bis zu seinem Tod darstellt.[1]

Überdies schrieb Reiners eine Biografie Otto von Bismarcks, wobei er viele Originalzitate einarbeitete. Bevor Reiners starb, konnte er nur zwei Bände vollenden (Bismarcks Aufstieg 1815–64 (1956) und Bismarck gründet das Reich 1864–1871 (1957)), so dass die Biografie unvollendet blieb.[4]

Bekannt ist vor allem Reiners’ Anthologie Der ewige Brunnen, für die Reiners nach eigener Aussage die Gedichte ausgesucht hat, "die ein normaler Mensch gern liest".[1] Die heute erhältliche Jubiläumsausgabe ist 2005 von Albert von Schirnding grundlegend überarbeitet worden, wobei ungefähr ein Viertel der enthaltenen Gedichte ausgetauscht worden sind.[5]

Werke

  • Die wirkliche Wirtschaft. 2 Bände. 1932/33
  • Fontane oder Die Kunst zu leben. 1939
  • Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa. 1943, verbesserte Neuauflage Beck, München 1951, ISBN 3-4063-4985-4
  • Sorgenfibel oder: Über die Kunst, durch Einsicht und Übung seiner Sorgen Meister zu werden. Beck, München 1948 (Becksche Reihe) ISBN 3-4063-2981-0
  • Fibel für Liebende – zugleich eine Anleitung, verheiratet und doch glücklich zu sein. 1950
  • Roman der Staatskunst. Leben und Leistung der Lords. C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, München 1951, ISBN 3-4060-2128-X
  • Steht es in den Sternen? Eine wissenschaftliche Untersuchung über Wahrheit und Irrtum der Astrologie. 1951
  • Stilfibel. Der sichere Weg zum guten Deutsch. dtv, München 1951, ISBN 3-4233-4358-3
  • Friedrich. C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, München 1952, ISBN 3-4231-0599-2 (Werk zu Friedrich II. von Preußen, genannt der Große)
  • Wir alle können besser leben. 1953
  • Fräulein, bitte zum Diktat. Paul List Verlag, München 1953, ISBN 3-4716-0014-0
  • In Europa gehen die Lichter aus. Der Untergang des Wilhelminischen Reiches. C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, München 1954, ISBN 3-4230-1699-X
  • Der ewige Brunnen. Ein Volksbuch deutscher Dichtung. C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, München 1955, ISBN 3-4065-3638-7; Jubiläumsausgabe, aktualisiert u. erweitert v. Albert von Schirnding, München 2005, ISBN 978-3-4065-3638-0
  • Die Kunst der Rede und des Gesprächs. Paul List Verlag, München 1955, ISBN 3-7720-0221-8
  • Die Sache mit der Wirtschaft. Briefe eines Unternehmers an seinen Sohn. 1956, ISBN 3-4716-0082-5
  • Wer hat das nur gesagt? 1956 (Zitatenlexikon)
  • Bismarcks Aufstieg 1815–64. C.H. Beck, München 1956, ISBN 3-4230-1573-X
  • Bismarck gründet das Reich, 1864–1871. C.H. Beck, München 1957, ISBN 3-4230-1574-8
  • Verdienen wir zu wenig? 1957

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Zweierlei Garn. In: Der Spiegel. Nr. 34, 1956, S. 32 (22. August 1956, online).
  2. a b Ludwig Reiners auf www.munzinger.de
  3. Stefan Stirnemann: Ein Betrüger als Klassiker. Eduard Engels „Deutsche Stilkunst“ und Ludwig Reiners (PDF-Datei, 75 kB), Kritische Ausgabe 12, 2004, S. 48–50
  4. Persönlichkeiten des historischen deutschen Ostens: Ludwig Reiners
  5. Süddeutsche Zeitung: Alle Stimmungen des Daseins, rezensiert von Jörg Drews am 29-11-2005

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