Fremdwörter

Fremdwörter

Fremdwörter sind Wörter, die aus anderen Sprachen übernommen wurden. Hinsichtlich Lautstand, Betonung, Flexion, Wortbildung oder Schreibung der Zielsprache ist das Fremdwort (noch) unangepasst und wird daher oft als „fremd“ empfunden. Dies steht im Gegensatz zu der Charakteristik eines integrierteren Lehnworts, besonders wenn ein gebräuchliches Synonym in der Zielsprache fehlt. Beim Fremdwort sind sich Muttersprachler des anderssprachigen Ursprungs meist bewusst.

In der modernen Sprachwissenschaft wird die Unterscheidung zwischen „Fremd-“ und „Lehnwörtern“ abgelehnt, da es zu viele Zweifelsfälle gibt. Wie auch in vielen anderen Sprachen – vgl. franz. mots d'emprunt und engl. loanwords – wird deshalb allgemein nur von „Entlehnungen“ bzw. „Lehnwörtern“ gesprochen.

Die Quantitative Linguistik modelliert den Prozess der Übernahme von Fremd- und Lehnwörtern mit Hilfe des Sprachwandelgesetzes. Es zeigt sich immer wieder, dass Entlehnungsprozesse gesetzmäßig ablaufen. Dasselbe gilt für das Fremdwortspektrum, das eine Übersicht gibt, aus welchen Sprachen wie viele Wörter übernommen wurden.

Inhaltsverzeichnis

Fremdwörter im Deutschen

Beispiele

Viele Fremdwörter, die in die deutsche Sprache übernommen wurden, stammen aus (Auswahl)...

dem Englischen chillen, Date, Download, Fastfood, Handout, Jetlag, Meeting, Mountainbike
dem Französischen à propos, Ambiente, Friseur, Haute Couture, Limousine, Portemonnaie, savoir-vivre, vis-à-vis
dem Italienischen basta, Grappa, Inferno, Konto, Pizza, Saldo, Spaghetti, Zucchini
dem Spanischen Embargo, Nachos, Salsa, Tapas
dem Lateinischen ergo, Konferenz, sic
dem Arabischen Admiral, Gitarre, Alkohol, Kaffee, Kaliber, Koffer
dem Hochchinesischen Feng Shui, Kung Fu, Litschi, Qigong, Sampan, Tofu
dem Kantonesischen Chop Suey, Mah-Jongg, Tee
dem Japanischen Soja
dem Ungarischen Gulasch

Geschichte

Lateinische Lehn- und Fremdwörter

Latein verbreitete sich durch Lehnwörter wie Straße, Frucht, Sichel, Koch erstmals im germanischen Sprachbereich, als das Römische Reich zwischen dem 1. Jh. v. Chr. und dem 6. Jh. n. Chr. große Teile Europas beherrschte. Die Begriffe drangen vor der zweiten Lautverschiebung in die deutsche Sprache ein und wurden von ihr erfasst und umgeformt (tegula > Ziegel, fenestra > Fenster).

Auch nach dem Zusammenbruch des römischen Imperiums und nach der zweiten Lautverschiebung kamen lateinische Ausdrücke, jetzt schon stärker als Fremdwörter empfunden, ins Deutsche:

• zur Zeit der Christianisierung (6.-9. Jahrhundert, über Kirche und Klöster)

• durch die Einführung des römischen Rechts im Deutschen Reich (Ende des 15. Jahrhunderts, Akte, Familie, Konferenz, Advokat)

• im Zeitalter des Humanismus (Addition, Professor, Sekunde)

• während der industriellen Revolution (Industrie, Lokomotive)

Seit dem Ende der Antike war Latein die Sprache der Wissenschaft. Griechisch begann erst mit der Renaissance wieder eine Rolle zu spielen.

Seit dem Ausgang des Mittelalters

In der Zeit der Entstehung der großen Handelsgesellschaften wurden bei uns kaufmännische Ausdrücke aus dem Italienischen eingebürgert (Konto, Saldo). Das Italienische ist auch in der Kunst (Torso, Fresko) und der Musik (forte, Andante) prägend.

Zur Zeit des Barocks und der Aufklärung galt es in Deutschland geradezu als unfein, sich in der eigenen Muttersprache auszudrücken. Das Französische war das Idiom der guten Gesellschaft. Die Sprachpuristen Philipp von Zesen und Johann Heinrich Campe wirkten dem durch z.T. gekonnte Verdeutschungen (z. B. Abstand [Distanz], Anschrift [Adresse], Augenblick [Moment], Beistrich [Komma], Bücherei [Bibliothek], Gesichtskreis [Horizont], Leidenschaft [Passion], Mundart [Dialekt], Nachruf [Nekrolog], Rechtschreibung [Orthographie], altertümlich [antik], herkömmlich [konventionell], Erdgeschoss [Parterre], Lehrgang [Kursus], Stelldichein [Rendezvous], tatsächlich [faktisch], Voraussage [Prophezeiung], Wust [Chaos]) entgegen.

Viele derartige Neuschöpfungen haben sich, nicht zuletzt durch den Nationalismus des 19. Jahrhunderts, im Deutschen durchsetzen können. Politische Eingriffe von oben blieben hier aber schwächer als anderswo, z. B. in der Türkei, wo so viele arabische Begriffe durch neugeschaffene türkische ersetzt wurden, dass moderne Türken die Sprache ihrer Vorväter nicht mehr verstehen. Urständige Begriffe sind im Deutschen etwa bei Post und Bahn an die Stelle französischer getreten (Bahnsteig [Perron], Umschlag [Kuvert]). Neuere Versuche, Fremdes ins Eigene zu übersetzen (Nuance > Abschattung) sind wenig erfolgreich geblieben.

Bis heute ist der Löwenanteil der deutschen Fremdworte französischen Ursprungs. Erst mit dem technischen und industriellen Siegeszug der USA und seit im 20. Jahrhundert das Englische das Französische auch als die Sprache der Diplomatie abzulösen begonnen hat, ist der Strom französischer Ausdrücke ins Deutsche versiegt. Dafür überschwemmen es jetzt technische, aber auch andere Termini aus dem Englischen bzw. im engeren Sinne dem Amerikanischen (Meeting [Treffen], Computer [Rechner]).

Deutsche Wörter in anderen Sprachen

Auch deutsche Wörter werden in andere Sprachen übernommen und sind dort dann Fremdwörter.

  • im Bosnischen/Kroatischen (oft von österreichischer Aussprache beeinflusst): auspuh: Auspuff, tašna: (Tasche); sowie ausschließlich im Bosnischen: paradajz: (Paradeiser, d. h. Tomate), šrafciger: (Schraubenzieher), vinkl: (Winkel)
  • im Englischen: abseilen, angst, ansatz, blitzkrieg, bratwurst, dachshund, doppelgänger, ehrgeiz, fräuleinwunder, gedanken experiment, glockenspiel, hinterland, hohlraum, kindergarten, leitmotiv, nazi, poltergeist, putsch, rucksack, sauerkraut, stillstand, übermensch, wanderlust, wunderkind, zeitgeist, zwieback
  • im Französischen: bunker, leitmotiv, weltanschauung, waldsterben
  • im Italienischen: leitmotiv, weltanschauung, wurstel
  • im Japanischen: アルバイト arubaito (Studentenjob, von Arbeit), カルテ karute (Karteikarten in der Medizin), バウムクーヘン baumukūhen (Baumkuchen), ゲレンデ gerende (Skigelände)
  • im Niederländischen: ansichtkaart, sowieso, überhaupt
  • im Russischen: Butterbrot, Eisberg, Landschaft, Schlagbaum, Zeitnot, Halstuch [galztuk]
  • im Slowakischen: palatčinky (crêpe, aus dem österreichischen Palatschinken, mit dem ostmitteldeutschen Plinsen oder Plinzen verwandt)
  • im Spanischen: fuss (Hundekommando), kinder (Kindergarten in Lateinamerika, über das Englische ins Spanische gelangt), kuchen (Chile), leitmotiv, platz (Hundekommando), sitz (Hundekommando), weltanschauung
  • im Swahili: shule

siehe auch: die Liste deutscher Wörter in anderen Sprachen oder Germanismus

Internationale Suche „Wörterwanderung“

Für eine Ausschreibung mit dem Titel „Wörterwanderung“ sammelten im Sommer 2006 über 1600 Menschen aus 57 Ländern „ausgewanderte Wörter“ mit persönlichen Erlebnissen und Erläuterungen zu Bedeutungsverschiebungen in anderen Sprachen. Der Deutsche Sprachrat hat einige Ergebnisse inzwischen veröffentlicht (vgl. Limbach 2007).

Das deutsche „Hinterland“ steht beispielsweise in England für das Gebiet hinter einem Frachtschiffhafen, in Italien für die dicht besiedelte Gegend um Mailand und in Australien für Gebiete, die in einem größeren Abstand von der Küste liegen, jedoch im Gegensatz zu den riesigen Flächen im Landesinneren („Outback“).

Das dänische „habengut“ für Dinge, die man besitzt und mit sich tragen kann, kam mit deutschen Wandergesellen. Ein Teilnehmer aus der Schweiz berichtete von „schubladisieren“, abgeleitet von „Schublade“, in der französischen Schweiz im Sinne von zu den Akten legen, auf die lange Bank schieben bzw. nicht behandeln wollen. In der englischen Jugendsprache hat sich das Wort „uber“ – „über“ ohne Umlaut – als Steigerungsform von „super“ oder „mega“ herausgebildet. Der deutsche Wort „Zeitgeist“ wird dort sogar als Adjektiv „zeitgeisty“ verwendet. In Italien, so ein Einsender, hat sich das Wort „Realpolitik“ in der Zeit des Eisernen Vorhangs verbreitet, mit Willy Brandt assoziiert, heute zunehmend als „wahre, sinnvolle, lebensnahe Politik“ verstanden.

Die meisten Zusendungen nannten ins Englische, Russische, Ungarische und Polnische ausgewanderte Wörter. Auch Vietnamesisch, Koreanisch, Chinesisch, Japanisch, Arabisch, Persisch, Hebräisch, Brasilianisch, Spanisch, Finnisch, Estni­sch, Afrikaans, Swahili, Wolof und Kirundi kommen vor.

Spitzenreiter ist nach wie vor das französische „vasistas“ für „Oberlicht“ oder „Kippfenster“, abgeleitet vom deutschen „Was ist das?“. An zweiter Stelle steht der „Kindergarten“, den es im englischen, französischen, spanischen und japanischen Sprachgebrauch gibt, gefolgt vom russischen „Butterbrot“, das ein belegtes Brot, allerdings auch ohne Butter, bezeichnet und dem Wort „kaputt“ im Englischen, Spanischen, Französischen und Russischen.

Zitate

Immanuel Kant schrieb in Kritik der reinen Vernunft (B 402 Fußnote):

„Übrigens habe ich wegen der lateinischen Ausdrücke, die statt der gleichbedeutenden deutschen wider den Geschmack der guten Schreibart eingeflossen sind, [...] zur Entschuldigung anzuführen: dass ich lieber etwas der Zierlichkeit der Sprache habe entziehen als den [philosophischen] Schulgebrauch durch die mindeste Unverständlichkeit erschweren wollen.“

Ludwig Reiners erzählt eine Geschichte vom falschen Umgang mit Fremdwörtern:

„Berühmt ist die Geschichte, wie sich ein paar Leute beim Wein verabreden, ein völlig neues sinnloses Fremdwort »repunsieren« zu erfinden und in jeder beliebigen Bedeutung zu verwenden. Und wirklich wagt niemand, sie nach der Bedeutung zu fragen, jeder tut, als ob er es längst kenne, und versucht je nach dem Zusammenhang seinen Sinn zu erraten: Gestern haben wir herrlich repunsiert.O, war es interessant? Oder Herr Ober, wo kann man hier repunsieren?Bitte geradeaus, zweite Tür links. Nur bei Deutschen, die vor jedem fremdländischen Wort auf die Knie fallen, ist dies Experiment möglich.“

Ludwig Reiners: aus seiner zum Klassiker gewordenen Stilkunst, Fünfter Teil: Ein Streitgespräch über den Gebrauch von Fremdworten.

Goethe schrieb gegen jene, welche jeden Gebrauch eines Fremdworts ablehnen:

„Gott Dank! daß uns so wohl geschah:
Der Tyrann sitzt auf Helena!
Doch ließ sich nur der eine bannen,
Wir haben jetzo hundert Tyrannen.
Die schmieden, uns gar unbequem,
Ein neues Kontinentalsystem.
Teutschland soll rein sich isolieren,
Einen Pestkordon um die Grenze führen,
Daß nicht einschleiche fort und fort
Kopf, Körper und Schwanz von fremdem Wort.“

Goethe: Die Sprachreiniger aus den Xenien.

Siehe auch

Literatur

  • Theodor W. Adorno: „Wörter aus der Fremde“ in Noten zur Literatur (Teil 2), Bibliothek Suhrkamp 1959, ISBN 3-518-01071-9
  • Karl-Heinz Best: Wo kommen die deutschen Fremdwörter her? In: Göttinger Beiträge zur Sprachwissenschaft 5, 2001, 7-20.
  • Karl-Heinz Best: Ein Beitrag zur Fremdwortdiskussion. In: Die deutsche Sprache in der Gegenwart. Festschrift f. Dieter Cherubim zum 60. Geburtstag. Hrsg. v. Stefan J. Schierholz in Zusammenarbeit mit Eilika Fobbe, Stefan Goes u. Rainer Knirsch. Lang, Frankfurt u.a. 2001, S. 263-270. ISBN 3-631-37009-1
  • Karl-Heinz Best (²2003). Quantitative Linguistik. Eine Annäherung. 2., überarb. u. erw. Aufl. Göttingen: Peust & Gutschmidt. ISBN 3-933043-10-7
  • Duden: Das große Fremdwörterbuch. Herkunft und Bedeutung der Fremdwörter, 4. Auflage, Dudenverlag 2007, ISBN 3-411-04164-1
  • Helle Körner: Zur Entwicklung des deutschen (Lehn-)Wortschatzes. In: Glottometrics 7, 2004, 25-49.
  • Jutta Limbach: Ausgewanderte Wörter. Hueber, Ismaning 2007. ISBN 3-19-107891-6
  • Peter von Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, Band I: Einführung, Grundbegriffe, 14. bis 16. Jahrhundert, de Gruyter, Berlin und New York 1991. (2. überarb. u. ergänzte Aufl. 2000.) ISBN 3-11-016478-7
  • Peter von Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, Band II: 17. und 18. Jahrhundert, de Gruyter, Berlin und New York 1994. ISBN 3-11-014608-8
  • Ludwig Reiners: Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa. München 1991, ISBN 978-3406349850
  • Andrea Stiberc: Sauerkraut, Weltschmerz, Kindergarten und Co. Deutsche Wörter in der Welt. Herder, Freiburg/ Basel/ Wien 1999. ISBN 3-451-04701-2
  • Harald Wiese: Eine Zeitreise zu den Ursprüngen unserer Sprache. Wie die Indogermanistik unsere Wörter erklärt, Logos Verlag Berlin, 2007, ISBN 978-3832516017.

Weblinks


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