Ludwig Stern

Ludwig Stern

Ludwig Stern (* 12. August 1846; † 9. Oktober 1911) war ein deutscher Ägyptologe, Koptologe und Keltologe.

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung und Tätigkeiten

Ludwig Stern darf als ein Universalgelehrter gelten, wie er selbst in wilhelminischer Zeit selten war. Geboren in Hildesheim als Sohn der Johanne Sophie, geb. Bartels, und des Polizeidirektors Christian Ferdinand Stern, hatte er zunächst in Göttingen romanische und orientalische Philologie studiert, sich unter Einfluss von Heinrich Brugsch der Ägyptologie zugewandt und nach dem Staatsexamen ein Lehramt im pommerschen Freienwalde angenommen.

Eine Wende in seinem Leben trat ein, als er, mit einem Stipendium des preußischen Kultusministeriums versehen, den Romancier und Ägyptenkenner Georg Ebers auf einer Reise nach Kairo begleiten durfte, dem er auch bei der Entzifferung des nach ihm bekannten Papyrus Ebers assistierte. In Kairo leitete Stern 1873-1874 die Bibliothek des Khediven und erhielt die Offizierswürde des großherrlich-türkischen Madschidi-Ordens. Nach seiner Rückkehr wurde er als Direktoral-Assistent der Königlichen Museen in Berlin eingestellt und betreute die ägyptische Abteilung. Er übersetzte ein Standardwerk über die Altertümer auf Zypern.[1] 1886 wechselte er mit seiner Habilitation zur Königlichen Bibliothek, die ihn zehn Jahre später, am 1. Oktober 1905, als Nachfolger von Valentin Rose zum Leiter der Handschriftenabteilung ernannte.

Neben der Hieroglyphenschrift beherrschte Ludwig Stern fast alle orientalischen Sprachen mit Ausnahme der ostasiatischen. Er beschäftigte sich speziell mit der jüngsten Sprachstufe des Ägyptischen, dem Koptischen, und verfasste seine einflussreiche Koptische Grammatik, Leipzig 1880, die einen erheblichen Fortschritt im Verständnis der Sprache bedeutete, lange als die detaillierteste koptische Grammatik galt und noch heute fallweise benutzt wird. Darüber, dass er nie eine ordentliche Anstellung im Fach fand, wurde er zunehmend verbittert[2] und wandte sich schließlich einem ganz neuen Fach, der Keltologie zu. Hier ist er unter anderem bekannt als Mitgründer der Zeitschrift für celtische Philologie (mit Kuno Meyer) sowie durch seine Edition des aus dem 18. Jahrhundert stammenden irischen Gedichts Cúirt an Mheadhon Oidhche.[3]

In der Handschriftenabteilung der Königlichen Bibliothek nahm Ludwig Stern kenntnisreich und vorurteilslos die Katalogisierung der 1881 durch das Vermächtnis Ludmilla Assings acquirierten Varnhagen von Enseschen Sammlung vor. Als "beispielgebendes Meisterwerk moderner Autographenkatalogisierung" (Georg Leyh)[4] wurde diese Arbeit vorbildlich für den sechsbändigen Gesamtkatalog der Handschriftensammlung mit 14.500 Namen. Ferner führte Stern das Akzessionsjournal, sammelte die Korrespondenz Theodor Mommsens und edierte Schiller- und Kant-Autographen. Die Drucklegung des Varnhagen-Katalogs beschäftigte ihn noch auf dem Sterbebett, wo er, unterstützt durch seine Assistentin Elsbeth Triepke, dem 1000 Seiten starken Werk noch drei Tage vor seinem Tod die Imprimatur geben konnte. Auf seinen Wunsch wurde er ohne Teilnahme einer Abordnung der Bibliothek in Hamburg beigesetzt.

Literatur

  • L. Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Behrend, Berlin 1911.
  • E. Jacobs: Ludwig Stern †. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 29 (1912), H. 1, S. 26-31.
  • N. Gatter: „Sie ist vor allen die meine“. Die Sammlung Varnhagen bis zu ihrer Katalogisierung. In: Wenn die Geschichte um eine Ecke geht. Almanach der Varnhagen Gesellschaft 1 (2000), S. 239-271, ISBN 3-8305-0025-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. L. Palma di Cesnola: Cypern, seine alten Städte, Gräber und Tempel. Autorisierte deutsche Bearbeitung von L. Stern, Jena 1879
  2. Vgl. die von K.Th. Zauzich, Ein wissenschaftsgeschichtliches Kuriosum, in Göttinger Miszellen 210, 2006, pp. 105-110, publizierten Notizen Sterns in einer selbsterfundenen Geheimschrift
  3. Ludwig Stern: Der mitternächtige Gerichtshof, in: Zeitschrift für celtische Philologie, Band 5, 1905, S. 193-415
  4. Zit. nach Hans Lülfing: Die Handschriftenabteilung. In: Deutsche Staatsbibliothek 1661-1961. Bd. 1: Geschichte und Gegenwart. Leipzig 1961, S. 352

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Stern (Familienname) — Stern ist ein Familienname. Namensträger Inhaltsverzeichnis A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z …   Deutsch Wikipedia

  • Ludwig Jacobowski — (* 21. Januar 1868 in Strelno (Provinz Posen); † 2. Dezember 1900 in Berlin) war ein deutscher Lyriker, Schriftsteller und Publizist. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Bedeutung …   Deutsch Wikipedia

  • Ludwig Bölkow — Ludwig Bölkow, Portrait von Günter Rittner 1978 Ludwig Bölkow (* 30. Juni 1912 in Schwerin; † 25. Juli 2003 in Grünwald bei München) war ein deutscher Ingenieur und Unternehmer. Sein Vater Ludwig (1886–1952) war W …   Deutsch Wikipedia

  • Ludwig II., König von Bayern — Ludwig II. von Bayern nach einem Gemälde von Gabriel Schachinger, posthum vollendet 1887. Es zeigt den König im Gewand des Großmeisters des Ordens des heiligen Georgs und hängt im Museum von Schloss Herrenchiemsee. Ludwig I …   Deutsch Wikipedia

  • Ludwig II. Bayern — Ludwig II. von Bayern nach einem Gemälde von Gabriel Schachinger, posthum vollendet 1887. Es zeigt den König im Gewand des Großmeisters des Ordens des heiligen Georgs und hängt im Museum von Schloss Herrenchiemsee. Ludwig I …   Deutsch Wikipedia

  • Ludwig II. von Bayern — nach einem Gemälde von Gabriel Schachinger, posthum vollendet 1887. Es zeigt den König im Gewand des Großmeisters des Ordens des heiligen Georgs und hängt im Museum von Schloss Herrenchiemsee. Ludwig I …   Deutsch Wikipedia

  • Ludwig Wilhelm Erhard — Ludwig Erhard 1957 mit seinem Buch Wohlstand für Alle Ludwig Wilhelm Erhard (* 4. Februar 1897 in Fürth; † 5. Mai 1977 in Bonn) war ein deutscher Politiker ( …   Deutsch Wikipedia

  • Ludwig II. von Bayern — Ludwig II. von Bayern nach einem Gemälde von Gabriel Schachinger, posthum vollendet 1887. Es zeigt den König im Gewand des Großmeisters des Ordens des heiligen Georgs und hängt im Museum von Schloss Herrenchiemsee. Ludwig I …   Deutsch Wikipedia

  • Ludwig Börne — Ludwig Börne, Gemälde von Moritz Oppenheim, Öl auf Leinwand (1827) Carl Ludwig Börne (* als Juda Löb Baruch am 6. Mai 1786 im jüdischen Ghetto von Frankfurt a. M.; † 12. Februar 1837 in Paris) war ein deutscher J …   Deutsch Wikipedia

  • Ludwig Adamovich junior — Ludwig Adamovich (links) mit Wladimir Putin, 2001 Ludwig Karl Adamovich (* 24. August 1932 in Innsbruck) ist ein österreichischer Jurist. Er war von 1984 bis 2002 Präsident des Verfassungsgerichtshofes der Republik Österreich. Er ist der Sohn von …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”