- Lukas Moser
-
Lukas Moser, auch Lucas Moser (* um 1390; † nach 1434) war ein deutscher Maler.
Inhaltsverzeichnis
Der Tiefenbronner Magdalenenaltar
Sein Hauptwerk ist der Magdalenenaltar (1432) 300x240 cm in der Pfarrkirche zu Tiefenbronn. Alle weiteren ihm von Forschern zugeschriebenen Werke müssen als fraglich gelten. Der Magdalenenaltar ist auf verschiedene Weise außergewöhnlich ist für die Zeit seiner Entstehung. Das Werk ist stark vom aufkommenden niederländischen Realismus beeinflusst und zeigt die gute Beobachtungsgabe des Künstlers, was beispielsweise an der bewusst schief angebrachten Regenrinne, dem Fachwerkhaus im Hintergrund und auch dem musterhaften Zierdach im Zentrum des Bildes ersichtlich wird. Die dargestellten Hochseeschiffe im Hintergrund links im Bild zeigen vielerlei Details. Insgesamt darf man Mosers Realismus aber nicht an fotografischen Maßstäben messen. Die Hauptseite des Altars trägt außerdem folgende Inschrift: „Schri kunst schri und klag dich ser din begert iecz niemen mer so o we / 1432 / LUCAS MOSER MALER VON WIL MAISTER DEZ WERK BIT GOT VIR IN“ ("Schrei Kunst schrei, und beklag dich sehr, deiner begehrt jetzt niemand mehr so, o weh. 1432. Lukas Moser Maler von Weil, Meister des Werks, bitte Gott für ihn!") in der Moser sein Werk zum einen als Kunst bezeichnet, und sich zum anderen darüber beklagt, dass diese nicht mehr gefragt sei. Beides ist für das frühe 15. Jahrhundert ungewöhnlich. Weiterhin informiert die Inschrift über die Hauptpatrone des Altares Magadalena, Antonius und Erhard und die mit dem Besuch des Altares verbundenen Ablässe an den Festtagen der Patronatsheiligen. Diese Privilegierung des Altares machte ihn zum Ziel von Wallfahrern. Die Holzplastik der nur mit ihren langen Haaren bekleideten Maria Magdalena im geöffneten Mittelschrein ist eine spätere Zutat von 1520/25, für die der Schrein etwas angepasst wurde.
Lukas Moser - ein Phantom?
1969 behauptete Gerhard Piccard, die Inschrift mit dem Malernamen Lukas Moser sei eine Erfindung und "Lukas Moser" somit eine Kunstfigur [1]. Piccard meinte, dass die Inschrift schon typographisch aus der Zeit der Werkentstehung herausfalle und frühestens im späten 18. Jahrhundert entstanden sein könne. Im frühen 19. Jahrhundert habe man sich in Tiefenbronn an den Formen der unbekleidet dargestellten Maria im härenen Gewand gestört und habe sie daher übermalen lassen wollen. Um dies zu verhindern, sei die anklagende Inschrift gegen die Kunstverachtung angebracht worden. Nach Gerhard Piccard ist der Altar ein vom Hirsauer Kloster im Magdalenenwallfahrtsort Vezelay in Frankreich gekauftes Retabel, das den neuen Besitzern eine Magdalenen-Wallfahrt ermöglichte und damit weitere Einnahmen durch das im 15. Jahrhundert für die Kirche sehr einträgliche Geschäft mit dem Ablass erschloss. Es handele sich also um ein französisches Gemälde, das Piccard in die Zeit um 1380 datierte. Zur inhaltlichen Aussage der Inschrift argumentierte er folgendermaßen: Maler waren im Mittelalter in Zünften oder später Gilden organisierte Handwerker, die ein Gemälde nur nach erteiltem Auftrag ausführten. Der Auftraggeber bestellte sich beim Meister ein Werk mit genau festgelegtem Inhalt und hatte Einfluss auf seine Ausführung, da er für alle entstehenden Kosten aufkam und die Arbeit des für die Gemälde verantwortlichen Meisters mit seiner Werkstatt bezahlte. Der Maler hätte folglich keinen Grund zu dieser Inschrift gehabt, wenn er sich aber trotzdem diese Aussage erlaubt hätte - und selbst der zu späteren Zeiten in die Wirren des Bauernkrieges verwickelte Maler Jerg Ratgeb hat sich nicht in ähnlicher Weise geäußert -, wäre das für ihn aus verständlichen Gründen sehr unangenehm geworden. Im 19. Jahrhundert, die Malergilden oder -zünfte waren längst aufgehoben und der Maler, den man inzwischen Künstler nannte, hatte häufig mit existenziellen Problemen zu kämpfen, weil man seine von ihm ersonnene und meist ohne Auftrag geschaffene Kunst nicht immer verstand und sie deshalb nicht kaufen wollte. Im 19. Jahrhundert und bis in unsere Gegenwart hinein konnte und kann man diese Inschrift deshalb sehr wohl nachempfinden, weil sich der Berufsstand des Malers und die gesamten ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen seit der Zeit des späten Mittelalters verändert haben. Die Entstehungszeit der Inschrift mag nach gegenwärtigem kunstgeschichtlichem Forschungsstand nicht vollständig geklärt werden können, sie widerspricht jedoch aus den dargelegten Gründen dem Selbstverständnis der Maler aus dem 15. Jahrhundert. Andererseits sagt das Bemühen um "Lukas Moser" sehr viel über unsere Gegenwart aus, die nach dem zu bewundernden Individuum, eben nach einer Künstlergestalt, verlangt.
Auf die spektakuläre These Piccards folgten umfangreiche Untersuchungen, die 1971 in einem Fachkongress in München diskutiert wurden. Die versammelten Experten wiesen Piccards These zurück und verteidigten die Echtheit der Inschrift und des Künstlernamens Lukas Moser.
Die Inschrift
Die verschiedenen in der Inschrift verwendeten Schrifttypen sind teils gotisch, teils imitieren sie hebräische und byzantinische Schriftformen, teils weisen sie auf humanistische Typen voraus. Dies hat die Skepsis gegenüber der Inschrift befördert. Mit Sicherheit ist die Inschrift aber bei Restaurierungen überarbeitet und dabei vielleicht auch gerningfügig verfälscht worden.
Die Stifterwappen
Die (von Piccard als nachträglich angesehenen, tatsächlich aber ursprünglichen) Wappen in der Predella weisen auf die Stifter hin: Bernhard von Stein zu Steinegg (bei Tiefenbronn) und seine ersten Frau Agnes Meiser von Berg, die bereits (um 1420) verstorben war, als der Altar entstand.
Künstler und Stil
Nach der Auskunft der Inschrift stammte Moser aus Weil der Stadt bei Stuttgart. In der schwäbischen Malerei findet sich jedoch Nichts seiner Kunst Vergleichbares. Vielmehr ist es die französische Buchmalerei der Gebrüder Limburg und die altniederländische Malerei des Meisters von Flémalle, der Lukas Moser seine Anregungen verdankt, womit er einer der fortschrittlichsten deutschen Maler seiner Zeit ist. Sein Auftauchen in Schwaben und seine Nachwirkung bleiben aber rätselhaft. Eine Identifizierung mit einem in Ulmer Quellen nachweisbaren Meister mit Namen "Lukas" wird heute in Frage gestellt.
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Der Spiegel, 4. August 1969, S. 102, ( http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45740949.html)
Literatur
- Wilhelm Boeck: Lucas Moser, Der Magdalenenaltar in Tiefenbronn. (= Universal-Bibliothek; Nr. B 9124 / Werkmonographien zur bildenden Kunst; Nr. 124). Reclam, Stuttgart 1971, ISBN 3-15-009124-1
- Franz Heinzmann, Mathias Köhler: Der Magdalenenaltar des Lucas Moser in der gotischen Basilika Tiefenbronn. (= Große Kunstführer; Bd. 195). Schnell und Steiner, Regensburg 1994, ISBN 3-7954-1074-6
- Mathias Köhler: St. Maria Magdalena Tiefenbronn. Kunstverlag Josef Fink. Lindenberg 1998.
- Helmut May: Lucas Moser. E. Fink, Stuttgart 1961
- Gerhard Piccard: Der Magdalenenaltar des Lukas Moser in Tiefenbronn. Ein Beitrag zur europäischen Kunstgeschichte. Harrassowitz, Wiesbaden 1969
- Johannes Graf von Waldburg-Wolfegg: Lukas Moser. Junker und Dünnhaupt, Berlin 1939 (zugl. Phil. Diss., Univ. Frankfurt)
- Wilhelm Adolf Schmidt: Moser, Lucas. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 22, Duncker & Humblot, Leipzig 1885, S. 383.
- Lukas Moser, in: Lexikon der Kunst, Bd V. Seeman Verlag, Leipzig, 2. Aufl. 2004, S. 3-4.
Kategorien:- Deutscher Maler
- Person (Ulm)
- Historische Person (Baden-Württemberg)
- Geboren im 14. Jahrhundert
- Gestorben im 15. Jahrhundert
- Mann
Wikimedia Foundation.