Manchester-Triage-System

Manchester-Triage-System

Das Manchester-Triage-System (MTS) bezeichnet ein standardisiertes Verfahren zur Ersteinschätzung in der Notaufnahme. Darunter wird die erste Eingruppierung eintreffender Patienten verstanden. Dabei geht es darum, möglichst schnell, aber dennoch sicher und nachvollziehbar Behandlungsprioritäten festzulegen. Im Gegensatz zur Triage wird dabei davon ausgegangen, dass alle eintreffenden Patienten innerhalb eines bestimmten Zeitfensters tatsächlich behandelt werden können; eine Gruppe „Sterbender“, die nicht behandelt wird, ist demnach nicht vorgesehen. Im angloamerikanischen Sprachraum wird der Begriff „Triage“ für beide Ansätze genutzt, während im Deutschen „Triage“ für außerklinische und Katastrophenfälle und „Ersteinschätzung“ für die routinemäßige klinische Priorisierung verwendet wird.

Das Manchester-Triage-System wurde in den 1990er Jahren in Großbritannien entwickelt. Inzwischen hat es auch außerhalb der britischen Insel Verbreitung gefunden. Ersteinschätzungssysteme gibt es vor allem in Australien, Kanada und den USA, aber auch in Portugal und Spanien. In Deutschland hat die Charité als erste Uniklinik dieses Verfahren eingeführt. In Österreich wird das MTS u.a. in Graz im LKH Graz-West angewendet.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Das Manchester-Triage-System wurde von der Manchester Triage Group (MTG) entwickelt. Diese wurde im Jahre 1994 mit dem Ziel gegründet, einen Konsens zwischen Notfallmedizinern und Pflegekräften bezüglich zu vereinbarender Standards in der Ersteinschätzung zu erreichen.

1994 gab es in etlichen Krankenhäusern Großbritanniens unterschiedliche Schemata zur Festlegung von Behandlungsprioritäten. Diese basierten zum einen auf unterschiedlichen Merkmalen und hatten zum anderen unterschiedliche Zeitfenster. Auch die Anzahl der möglichen Eingruppierungen variierte.

Die Notwendigkeit eines einheitlichen Schemas wurde vor dem Hintergrund des Wunsches gesehen, einheitliche Versorgungsstandards zu etablieren; daneben sollte auch eine einfache, aber hinreichend aussagefähige Dokumentation möglich sein.

Die MTG sammelte zunächst auf breiter Basis Informationen über die verwendeten Schemata, um anschließend die Gemeinsamkeiten einerseits, die Unterschiede andererseits herauszuarbeiten. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse fand eine Diskussion statt, an deren Ende ein Modell zur Ersteinschätzung stand, das sich in den Folgejahren in Großbritannien etabliert hat.

Verfahren

Das Manchester-Triage-System geht von Leitsymptomen aus. Innerhalb kurzer Zeit werden die Indikatoren „Lebensgefahr“, „Schmerzen“, „Blutverlust“, „Bewusstsein“, „Temperatur“ und „Krankheitsdauer“ eingeschätzt und entsprechend dieser Einschätzung der Patient in eine von fünf Gruppen eingeordnet.

Diesen Gruppen sind jeweils maximale Wartezeiten zugeordnet, also die Zeitspanne, nach der ein Patient spätestens der weiteren Behandlung zugeführt sein soll. Die Gruppen sind:

Einschätzungsgruppen nach MTS
Gruppe Bezeichnung Farbe max. Wartezeit
1 SOFORT rot 0 Minuten
2 SEHR DRINGEND orange 10 Minuten
3 DRINGEND gelb 30 Minuten
4 NORMAL grün 90 Minuten
5 NICHT DRINGEND blau 120 Minuten

Um den Ersteinschätzenden zu unterstützen, wurden Diagramme (sogenannte Präsentationstabellen) entwickelt, in denen die wesentlichen möglichen Symptome den fünf Prioritäts-Gruppen zugeordnet sind. Diese Diagramme sind mit Begriffen bezeichnet, die dem Ersteinschätzenden spontan einfallen sollen, wenn er das wesentliche Leitsymptom wahrnimmt. Neben den erwartungsgemäß vorhandenen Diagrammen „Asthma“ oder „Brustschmerz“ gibt es auch solche, die auf den ersten Blick eher seltsam anmuten, aber im Alltag einer Notaufnahme regelmäßig vorkommen und daher ihre Berechtigung haben: „hinkendes Kind“ oder „besorgte Eltern“.

Jedem dieser Diagramme ist zudem eine Erläuterung beigegeben, aus der zum einen spezielle Hinweise zur Nutzung des Einschätzungsdiagramms hervorgehen, die zusätzlich aber auch spezielle Indikatoren enthält, wie z.B. „unpassende Vorgeschichte“ für die Tabelle „besorgte Eltern“ – in diesem Fall soll der Ersteinschätzende auf die Möglichkeit eines Missbrauchs hingewiesen werden.

Siehe auch

Literatur

  • U. B. Crespin, G. Neff (Hrsg): Handbuch der Sichtung. Stumpf & Kossendey-Verlag, Edewecht 2000, ISBN 3-932750-20-9.
  • R. Kirchhoff (Hrsg.): Triage im Katastrophenfall. primed-Fachbuch-Verlag, Erlangen 1984, ISBN 3-88429-115-7.
  • Kevin Mackway-Jones, Janet Marsden, Jill Windle (Hrsg.): Ersteinschätzung in der Notaufnahme. Das Manchester-Triage-System. Huber, Bern 2006, ISBN 978-3-456-84317-9 (deutschsprachige Ausgabe übersetzt, bearbeitet und herausgegeben von Jörg Krey und Heinzpeter Moecke).

Weblinks

  • ersteinschaetzung.de, deutschsprachige Website zum Manchester-Triage-System vom Herausgeber des Buches Ersteinschätzung in der Notaufnahme.

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