Marcel Pilet-Golaz

Marcel Pilet-Golaz
Marcel Pilet-Golaz

Marcel Pilet-Golaz (* 31. Dezember 1889 in Cossonay; † 11. April 1958 in Paris) war ein Schweizer Politiker (FDP). Er gehörte 1929 bis 1944 dem Bundesrat an und war 1940 Bundespräsident sowie 1933 und 1944 Vizepräsident.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Parlament

Bundesrat

Marcel Pilet-Golaz wurde am 13. Dezember 1928 in den Bundesrat gewählt. Als die Schweiz 1940 den deutschen Westfeldzug und die Niederlage Frankreichs erlebte, leitete Pilet-Golaz das Departement des Äusseren. Er galt als Pragmatiker, der sich mit dem deutschen und italienischen Faschismus zumindest friedlich arrangieren wollte; manche warfen ihm auch persönliche Sympathie für den Faschismus vor. Am 31. Dezember 1944 übergab er sein Amt, nachdem er am 7. November seinen Rücktritt bekanntgegeben hatte.

Während seiner Amtszeit stand er den folgenden Departementen vor:

In zahlreichen Witzen wurde eine persönliche Rivalität zwischen dem französischsprachigen Pilet-Golaz und seinem Deutschschweizer Kollegen Rudolf Minger unterstellt.

Aussenpolitik

Als Leiter der Aussenpolitik seit dem 2. März 1940 musste Pilet-Golaz eine Balance finden zwischen den deutschen Forderungen, den alliierten Einwänden und dem Unabhängigkeitswillen der Schweiz. Sein Weg, ein relativ gutes Verhältnis zum Deutschen Reich aufzubauen, war stark umstritten, sowohl während des Krieges als auch danach.

Besonders die Radioansprache, die Pilet-Golaz als Bundespräsident am 25. Juni 1940, kurz nach der Kapitulation Frankreichs hielt, liess vielfältige Interpretationen zu. Die mit dem übrigen Bundesrat abgestimmte Rede sollte das Volk trotz der neuen Lage in seiner Eigenständigkeit versichern. Durch seine Wortwahl erreichte er jedoch das Gegenteil.

Pilet-Golaz sprach im Namen des Bundesrates davon, die drei grossen Nachbarn der Schweiz hätten nun den Weg des Friedens beschritten, nun sei es auch für die Schweiz an der Zeit, vorwärts zu blicken und am Wiederaufbau der im Umbruch stehenden Welt mitzuwirken. Der Zeitpunkt der inneren Wiedergeburt sei da, jeder der Eidgenossen müsse den „alten Menschen“ ablegen.

Beurteilung

Viele meinten, in diesen Worten eine Übernahme von Gedankengut der Nationalsozialisten zu hören. Denn die vor dem deutschen Westfeldzug üblichen Worte wie «Widerstand», «bewaffnete Neutralität», «Unabhängigkeit» kamen in der Rede nicht vor.

Diese Interpretation der Worte von Pilet-Golaz wurde dadurch verstärkt, dass er im September 1940 die Führer der nationalsozialistisch orientierten Nationale Bewegung Schweiz (NBS) zu einer persönlichen Audienz empfing. Daraufhin musste sich Pilet-Golaz der heftigen Kritik weiter Teile der Öffentlichkeit und des Parlamentes stellen. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurden Rücktrittsforderungen laut, denen sich Pilet jedoch zu entziehen wusste. Die NBS wurde im November 1940 zusammen mit den Kommunisten auf der linken Seite vom Bundesrat verboten.

Andererseits schien für die Schweiz im Juni 1940 jede Provokation des Dritten Reichs gefährlich. Der Abschuss deutscher Flugzeuge durch die Schweizer Luftwaffe im Grenzgebiet zu Frankreich hatte zu massiven Vergeltungsdrohungen geführt. Nicht wenige hielten Zurückhaltung und Anpassung für den notwendigen Preis, um die Unabhängigkeit zu erhalten.

Einen Monat nach jener Radioansprache verkündete der militärische Oberbefehlshaber General Henri Guisan beim Rütlirapport die Réduit-Strategie zur Aufrechterhaltung der Schweizer Unabhängigkeit. Dies wurde vielfach als Antwort auf die „anpasserische“ Rede von Pilet-Golaz interpretiert.

Pilet-Golaz' Vorstellungen, was die Kompromisse betraf, die die Schweiz seines Erachtens hätte eingehen sollen, gingen jedoch nie so weit wie die des Schweizer Ministers (Gesandten) in Berlin, Hans Frölicher. In der modernen Geschichtswissenschaft ist man davon abgekommen, Pilet-Golaz als alleinigen Buhmann der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs und potentiellen Kollaborateur anzusehen, wie dies in der Volksmeinung und in zahlreichen historischen Publikationen der Nachkriegszeit der Fall war. Vielmehr ist es notwendig, Pilet-Golaz Meinung als durchaus exemplarisch für einen, wenn auch zahlenmässig geringen, Teil der Schweizer Bevölkerung einerseits, der Staatsorgane andererseits anzusehen. Auch General Guisan wird heute in einem wesentlich nüchterneren Licht gesehen als in den unmittelbaren Nachkriegs-Jahrzehnten.

Karriereende

Nachdem 1944 seiner Ankündigung, zur Sowjetunion diplomatische Beziehungen aufzunehmen, von dort eine schroffe Ablehnung folgte, verlor Pilet-Golaz alle Unterstützung und musste zurücktreten.

Nach dem Krieg äusserte sich Pilet-Golaz nicht zu seinem Verhalten.

Literatur

Weblinks


Vorgänger Amt Nachfolger
Ernest Chuard Mitglied im Schweizer Bundesrat
1929–1944
Max Petitpierre

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