Marklo

Marklo

Marklo (altsächs: marka "Grenze", "Grenzgebiet" und lôh "Lichtung", "Wiese", "Gehölz", "Hain") war ein zentraler Versammlungsort der vorchristlichen Altsachsen. Von Marklo berichtet eine einzige historische Quelle – die Lebensbeschreibung des Heiligen Lebuin.

Inhaltsverzeichnis

Die Marklo-Versammlung in der Vita Lebuini

In der Vita Lebuini wird gesagt, dass die Altsachsen keinen König hatten. Stattdessen gab es für einzelne Landesteile (pagi) eingesetzte Fürsten (satrapes), die jährlich in einer allgemeinen Versammlung (generale consilium) zusammenkamen, um dort Gesetze zu ändern, wichtige Rechtsstreite zu entscheiden und Fragen bezüglich Krieg und Frieden zu beraten. Der Ort dieser Versammlung lag mitten in Sachsen, am Fluss Weser, und trug den Namen Marklo. Bei der Versammlung zugegen waren alle Fürsten (satrapes), ferner aus den einzelnen Landesteilen zwölf erwählte Edle (electi nobiles) und ebenso viele Freie (liberi) und ebenso viele Laten (lati).

Während einer solchen Zusammenkunft erschien der Missionar Lebuin († um 775) unter den Anwesenden und stellte diese vor die Wahl, entweder den christlichen Glauben anzunehmen und so ihre königlose Herrschaft weiterführen zu dürfen – oder von einem benachbarten König gewaltsam unterworfen zu werden. Die Altsachsen empörten sich dagegen und vertrieben den Missionar vom Versammlungsort.

Das Versammlungsverbot in der Gesetzgebung Karls des Großen

Der spätere Eroberer Altsachsens, Karl der Große, schränkte die politischen Handlungsmöglichkeiten der Unterworfenen ein, indem er ihre Versammlungen verbot. Im Artikel 34 der Capitulatio de partibus Saxoniae - eine Gesetzesschrift, die zwischen den Jahren 787 und 803 datiert ist - verbot der Frankenkönig sämtliche öffentlichen Zusammkünfte (generaliter conventus publicos) in Sachsen, außer jenen ordentlichen Gerichtsverhandlungen, die durch vom König selbst eingesetzte Grafen (comes) abgehalten wurden. Diese Bestimmung muss auch die Marklo-Versammlung beendet haben.

Die Bedeutung der Marklo-Versammlung in der Geschichtsforschung

Die Altsachsen haben sich selbst nicht schriftlich dokumentiert. Die Geschichtsforschung ist deshalb, neben Ergebnissen aus Archäologie und Sprachwissenschaft, auf die zeitgenössischen Quellen christlicher Nachbarländer angewiesen. Diese überwiegend fränkischen Quellen betreffen Altsachsen aber zumeist indirekt oder beiläufig. Der Bericht über die Marklo-Versammlung ist, neben der Kirchengeschichte des Beda Venerabilis aus dem frühen 8. Jahrhundert, die einzige Schriftquelle, die spezifische Informationen über die herrschaftlichen und sozialen Verhältnisse jenes vorchristlichen Volkes liefert. Somit ist der Marklo-Bericht einerseits von herausragender Bedeutung, bietet andererseits aber für historische Ableitungen nur eine gefährlich schmale Grundlage.

In der Forschungsliteratur wird die Marklo-Versammlung häufig bezeichnet als „die sächsische Stammesversammlung.“ Gemeint ist damit eine allgemeine, regelmäßig und zentral tagende Institution, ähnlich einem Reichstag oder Allthing. Manche Forscher sehen - durch die Interpretation des lateinischen Wortes „electi“ (erwählt, ernannt, bestimmt, erlesen) als „vom Volk gewählt“ – in der Marklo-Versammlung sogar eine Art Abgeordnetenparlament (M. Lintzel), was in der germanischen Geschichte ein Unikum wäre.

Andere Historiker dagegen verwerfen die Vorstellung der Marklo-Versammlung ganz und gar, weil sie den Bericht der Vita Lebuini für erdichtet halten (M. Springer). Sie vermuten, dass die Altsachsen lediglich Zusammenkünfte der üblichen Art vorchristlicher Germanen abhielten (Thing).

Die Lokalisation von Marklo

Die genaue Lokalisation von Marklo ist unbekannt. Es gibt keinen weiterführenden Hinweis zu diesem Ort als die betreffende Textstelle in der Vita Lebuini: „in media Saxonia iuxta fluvium Wisuram ad locum qui dicitur Marclo“ (mitten in Sachsen an der Weser bei einem Ort namens Marklo).

In den 1930er Jahren, als in Deutschland das Interesse an den Altsachsen und ihrem Widerstand gegen die christlichen Franken besonders groß war, hat man versucht, Marklo mittels alter Ortsbezeichnungen näher zu bestimmen. Wahrscheinlichkeiten wurden behauptet für:

  • die heutige Gemeinde Marklohe (bei Nienburg). Dieser Ort erweiterte 1931 seinen ursprünglichen Namen von Lohe zu Marklohe. 52.6710789.157378
  • den Stadtteil Lohe der Stadt Bad Oeynhausen 52.1802478.800645. Die Nachbarstadt Herford pflanzte 1934 nahe der Stadtgrenze einen Gedenkbaum zu Ehren des Heiligen Lebuin, der angeblich dort vor den ihn verfolgenden Sachsen verborgen wurde.52.1449598.714175
  • den Stadtteil Wasserstraße der Stadt Petershagen (bei Minden). 52.4769259.08947

In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, dass es weniger als 30 km östlich von Lebuins eigentlichem Missionszentrum, der niederländischen Stadt Deventer, eine Gemeinde Markelo gibt (Provinz Overijssel), deren Name immerhin seit 1180 als Marclo bezeugt ist. 52.2318976.500068

Literatur

Quellen

Zu Marklo:

  • Anonymus: Vita Lebuini I. Monumenta Germaniae Historica, SS 30,2 [vielleicht verfasst 840-862, vielleicht erst um 900]
  • Hucbald: Vita Lebuini II [verfasst 917-930]. Übersetzt von W. Arndt, in: Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit, herausgegeben von G. H. Pertz, 8. Jh., Bd. 2, Berlin, 1863
  • sie auch: Beda: 5,10. Beda: Kirchengeschichte des englischen Volkes, 1982, S. 458 f.

Zur Gesetzgebung Karls des Großen:

  • Leges Saxonum und Lex Thuringorum 1918: Hg v. C. Freiherrn von Schwerin, (MGH Fontes iuris germanici antiqui in us. schol.), Hannover und Leipzig

Literatur

  • Lintzel, M.: Ausgewählte Schriften, Berlin, 1961
  • Matthias Becher: Marklohe/Marklo. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 19, S. 289f.
  • Rainer Pape: Marklo und die Heeresfurt in den Sachsenkriegen. In: Herforder Jahrbuch 24 (1988), S. 121-135.
  • Springer, M.: Die Sachsen, 2004, S. 135-152 u. 228f.
  • Widukind von Corvey Res gestae Saxonicae - Die Sachsengeschichte, Reclam 1992
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