Altniederdeutsch

Altniederdeutsch

Die Altniederdeutsche Sprache oder Altsächsische Sprache umfasst die Sprache des alten Siedlungsgebietes der Sachsen und Angeln von den Anfängen der schriftlichen Überlieferung bis ins frühe Mittelalter.[1]

Inhaltsverzeichnis

Begriffe

Die Begriffe altniederdeutsch und altsächsisch haben in der Regel die gleiche Bedeutung. Der Begriff altniederdeutsch ist in den letzten Jahrzehnten in der Sprachwissenschaft immer üblicher geworden. Für manche Sprachwissenschaftler hat der Begriff altniederdeutsch den Nachteil, dass er eine Zugehörigkeit des Altniederdeutschen (oder Altsächsischen) zum Deutschen suggeriert, die für diese frühe Zeit noch nicht gegeben ist. Eine weitere Besonderheit des Begriffs altniederdeutsch ist, dass er früher ein Sammelbegriff für das Altsächsische und das Altniederländische war.[1] Siehe dazu auch Niederdeutsche Sprache, Abschnitt Niederfränkisch.

Historisches

Bereits im 5. Jahrhundert hatte sich die angelsächsische Sprache abgespalten, die sich in England - durchaus in Kontakt mit dem sächsischen Festland - zum Altenglischen entwickelte. Die Sprache der Angeln und Sachsen in England wird deshalb gewöhnlich nicht mehr zum Altniederdeutschen hinzugerechnet. Die Entwicklung des Niederdeutschen auf dem Boden des ostfränkischen, später Heiligen Römischen Reichs ist von jeher stark von den hochdeutschen Mundarten beeinflusst worden[2].

Verwandte

Dem Altsächsischen besonders ähnlich sind das Altenglische und das Altfriesische. Diese drei Sprachen werden auch unter dem Begriff Nordseegermanische Sprachen zusammengefasst. Weitere verwandte Sprachen sind das Altniederländische und das Althochdeutsche. [3][4]

Abkömmlinge

Der moderne Abkömmling des Altniederdeutschen ist die moderne niederdeutsche Sprache (Plattdeutsch).

Verbreitung

Das Gebiet des Altniederdeutschen im 9. Jahrhundert ist nur schlecht belegt, umfasst aber im Wesentlichen das heutige Niedersachsen, Westfalen, Lipperland, Engern und Ostfalen, einschließlich den heutzutage zu Sachsen-Anhalt gehörenden, linkselbischen Gebieten (etwa von Halle bis Magdeburg). Im Süden verlief die Sprachgrenze zum Fränkischen und damit zum Althochdeutschen (Oberdeutschen) auf einer Linie von Merseburg über Göttingen bis zum Sauerland und Ruhrgebiet. Teile des Niederrheinlandes und ein Teil der Niederlande etwa nördlich vom Ruhrgebiet bis nach Groningen und im Westen bis an die Zuiderzee gehörten ebenfalls zum altniederdeutschen Sprachgebiet. Südlich davon begann das Altniederfränkische oder Altniederländische Sprachgebiet. Im Norden grenzte das Gebiet von Groningen bis nach Bremerhaven an das altfriesische Sprachgebiet, sowie in Schleswig-Holstein ans altdänische und im Nordosten etwa auf der Linie Plön und bei Lüneburg die Elbgrenze entlang ans westslawische Sprachgebiet.

Durch die deutsche Ostexpansion nach Osten und Norden, sowie den aufblühenden Handel vor allem der Hansestädte, entwickelte sich die altniederdeutsche Sprache zur Schrift- und Verkehrssprache. Es bildete sich das Mittelniederdeutsche heraus, das zu einer Spaltung in das alte Stammgebiet und die kolonisierten Gebiete östlich der Elbe führte, in der zahlreiche fremde Einflüsse aufgenommen wurden. Der Differenzierungsprozess zum Mittelniederdeutschen dauerte etwa 150 Jahre. Der unten erwähnte Sachsenspiegel repräsentiert den Sprachstand nach diesem Prozess.

Quellen und Dokumente

Die altsächsische bzw. altniederdeutsche Sprache ist nur in wenigen Dokumenten überliefert, so in einigen Taufgelöbnissen, die die Sachsen unter Karl dem Großen sprechen mussten, der nur bruchstückhaft überlieferten altsächsischen Genesis und vor allem in der größten Dichtung, dem Heliand, der als episches Werk nach dem Muster germanischer Heldensagas die Geschichte von Jesus Christus erzählt. Die wenigen anderen Quellen sind zumeist Übersetzungen aus dem Lateinischen und daher in der Lexik begrenzt.

Bei der Untersuchung der schriftlichen Quellen muss zudem bedacht werden, dass sie meist nicht von Sachsen, sondern von Franken oder Baiern aufgezeichnet wurden, die vermutlich der sächsischen Sprache nur begrenzt mächtig waren.

Erheblich reichhaltiger ist die Quellenlage für den angelsächsischen Raum, z.B. das Beowulf-Epos.

Merkmale

Wesentliches Merkmal des Altsächsischen ist, dass die hochdeutsche Lautverschiebung nicht vollzogen wurde. Das betrifft unter anderem die Konsonanten p, t und k. Die Lautverschiebung breitete sich im 6. bis 8. Jahrhundert vom Alpenraum her immer weiter nach Norden aus und blieb an der Sprachgrenze zum Sächsischen stehen.

Sprachprobe

Sprachprobe aus dem Heliand; der Abschnitt entspricht in episch nacherzählender Form den Anfangsversen des 2. Kapitels aus dem Evangelium nach Lukas):

Thô ward fon Rûmuburg rîkes mannes
obar alla thesa irminthiod Octaviânas
ban endi bodskepi obar thea is brêdon giwald
cuman fon them kêsure cuningo gihuilicun,
hêmsitteandiun sô wîdo sô is heritogon
obar al that landskepi liudio giweldun.
Hiet man that alla thea elilendiun man iro ôdil sôhtin,
helidos iro handmahal angegen iro hêrron bodon,
quâmi te them cnôsla gihue, thanan he cunneas was,
giboran fon them burgiun. That gibod ward gilêstid
obar thesa wîdon werold.

Da geschah von Rom aus, (dass) des herrschenden Mannes
über alle diese Menschheit, Octavians,
Bann' und Botschaft an die, über die er breite Gewalt hatte,
gekommen (ist) von dem Kaiser, an jegliche Könige
Fürsten (und), soweit seine Herzöge
über alle diese Landschaft die Leute beherrschten.
(Darin hieß es), dass (alle) im Ausland (lebenden) Menschen ihre Heimat aufsuchen sollten,
die Helden ihren Stammsitz, ihrer Herren Boden entgegen,
ein jeder käme zu der Sippe, von der er Abstammung habe,
zu der Burg, von der er geboren sei. Das Gebot wurde befolgt
über diese weite Welt.

Quellen

  1. a b Steffen Krogh: Die Stellung des Altsächsischen im Rahmen der germanischen Sprachen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1996, ISBN 3-525-20344-6, S. 70+83-84. 
  2. Claus Jürgen Hutterer: Die germanischen Sprachen : ihre Geschichte in Grundzügen. 2. Auflage. Drei-Lilien-Verlag, Wiesbaden 1987, ISBN 3-922383-52-1, S. 243, Kap. IV.3.61. 
  3. Claus Jürgen Hutterer: Die germanischen Sprachen : ihre Geschichte in Grundzügen. 2. Auflage. Drei-Lilien-Verlag, Wiesbaden 1987, ISBN 3-922383-52-1, S. 195, Kap. IV.3.1. 
  4. Adolf Bach: Geschichte der deutschen Sprache. 9. Auflage. VMA-Verlag, Wiesbaden, S. 78ff (§ 44). 

Siehe auch

Weblinks


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