Masochist

Masochist

Unter Masochismus versteht man die Tatsache, dass ein Mensch (sexuelle) Lust oder Befriedigung dadurch erlebt, dass er Schmerzen zugefügt bekommt oder gedemütigt wird.

Das Gegenstück zum Masochismus ist der Sadismus; Theodor Reik fasst den Masochismus implizit als passiven Sadismus auf.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft des Begriffs

Der Begriff Masochismus wurde im Jahr 1886 erstmalig von dem deutschen Psychiater und Gerichtsmediziner Dr. Richard von Krafft-Ebing wissenschaftlich verwendet. Er bezieht sich auf den Schriftsteller Leopold von Sacher-Masoch (1836-1895), der in mehreren Werken Schmerz- und Unterwerfungsverhalten in Beziehungen zu Frauen schildert (z.B. Venus im Pelz, 1870).

Medizinische Einordnung

Klassifikation nach ICD-10
F65.5 Störung der Sexualpräferenz
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Masochistisches sexuelles Begehren und entsprechende masochistische Praktiken werden inzwischen nicht mehr generell als Störungen der Sexualpräferenz angesehen. Der ICD-10 F65.5. nimmt diese Einteilung allerdings noch vor; er ist jedoch im Hinblick auf die Diagnose Masochismus nicht besonders ausführlich.

So gilt Sadomasochismus nach ICD-10 als „Störung der Sexualpräferenz“ (Schlüssel F65.5), die dort wie folgt beschrieben wird:

Es werden sexuelle Aktivitäten mit Zufügung von Schmerzen, Erniedrigung oder Fesseln bevorzugt. Wenn die betroffene Person diese Art der Stimulation erleidet, handelt es sich um Masochismus; wenn sie sie jemand anderem zufügt, um Sadismus. Oft empfindet die betroffene Person sowohl bei masochistischen als auch sadistischen Aktivitäten sexuelle Erregung.[1]

Die American Psychiatric Association hat mit dem Erscheinen des DSM IV im Jahr 1994 weiterreichende Diagnosekriterien veröffentlicht, nach denen Sadomasochismus eindeutig nicht mehr als Störung der Sexualpräferenz angesehen wird. Die Diagnose Masochismus (DSM IV 302.83) oder Sadismus (302.84) darf demnach hinsichtlich der sexuell motivierten Ausprägung dieser Störungen nur noch gestellt werden, wenn der Betroffene anders als durch die Ausübung sadistischer oder masochistischer Praktiken keine sexuelle Befriedigung erlangen kann, oder seine eigene sadistisch oder masochistisch geprägte Sexualpräferenz selbst ablehnt und sich in seinen Lebensumständen eingeschränkt fühlt oder anderweitig darunter leidet (sgn. "B-Kriterium").

Einvernehmlich gelebte oder auch heimliche sexuelle Vorlieben für masochistische Praktiken im Sinne des BDSM erfüllen in aller Regel die Kriterien für die Diagnosestellung des Sadismus im heutigen medizinischen Sinne nicht und sind eine soziologisch andersartige, aber nicht seltene Ausprägung der individuellen Sexualität. Die Übergänge zwischen individuell ausgeprägter Sexualität und Störung der Sexualpräferenz können jedoch nicht in allen Fällen sicher definiert werden. Eine Überlagerung von sexuellen Präferenzstörungen und der Ausübung von sadomasochistischen Praktiken kommt jedoch vor.

Ursachen

Die Ursachen für die Freude am Erleben von Schmerz und Demütigung sind in der Persönlichkeit des Betroffenen zu suchen; der Masochist hat ein entstandenes Verlangen nach Unterordnung, Unterdrückung und Demütigung.

Ausprägungen des Masochismus

Masochistische Praktiken können zu Verletzungen verschiedenster Art (z. B. Schnittwunden, Knochenbrüche, Prellungen, Quetschungen, Überdehnungen der Extremitäten, Zerrungen, Gehirnerschütterung) führen. Im Extremfall können masochistische Verhaltensweisen tödlich enden.

Nicht vorwiegend sexuell motivierter Masochismus

Der Masochist empfindet Sehnsucht nach Unterordnung und Demütigungen, teils sogar nach persönlichen Misserfolgen. Die Patienten beziehen Lustgefühle aus entsprechenden Situationen und führen entsprechende Situationen teils absichtlich herbei. Als besondere Form des nicht vorwiegend sexuell motivierten Masochismus können auch kompensatorische Handlungen zur Selbstverletzung angesehen werden. In diesen Zusammenhang können auch psychische Störungen wie Onychophagie und Trichotillomanie eingeordnet werden. Nicht selten werden solche Selbstverstümmelungen mit (subjektiv empfundenem) hohem psychischen Druck in Zusammenhang gebracht. Oft liegen die Ursachen jedoch tiefer und sind in der Persönlichkeit des Betroffenen verankert.

Sexuell motivierter Masochismus

Die Patienten empfinden sexuelle Befriedigung nur in Situationen der Demütigung bzw. Unterdrückung oder durch das Erleben von Schmerzen. Der Sexualpartner kann dabei auch durch ein anonymes, unpersönliches oder fiktives Gegenüber ersetzt sein. Selbstverletzungen kommen auch hier vor, in der Regel jedoch nicht als kompensatorische, sondern als Teil der sexuellen Handlung. Abzugrenzen hiervon ist der kompensatorische Masochismus bei dem die masochistischen Handlungen nicht als Einleitung oder Mittel zur Durchführung sexueller Handlungen einschließlich des Geschlechtsverkehrs vorgenommen werden, sondern diese vollkommen ersetzen.

Behandlung

Die Behandlung des Masochismus ist oftmals langwierig und schwierig; versuchsweise mit Psychotherapie.

Einzelnachweise

  1.  : ICD-10-GM Version 2005

Literatur

  • Leopold von Sacher-Masoch: Venus im Pelz. Frankfurt am Main: Insel Verlag, 1968
  • Martin A. Hainz: Cave Carnem. Eros, Macht und Inszenierung in Sacher-Masochs Venus im Pelz. In: arcadia, Bd 39, 2004•1, S.2-26
  • Ders.: Mehr als ein Syndrom – zu Leopold von Sacher-Masoch (1836 – 1895). In: Im Schatten der Literaturgeschichte, ed. Jattie Enklaar, Hans Ester, Evelyne Tax. Amsterdam, New York: Rodopi 2005 (=Duitse Kroniek, Bd 54), S.41-54
  • Arthur Adamov: Fin Août. in: Je... Ils.... Paris: Gallimard, 1969 (dt.: Ende August in: Mattheus/Matthes (Hrg.): Ich gestatte mir die Revolte. München: Matthes & Seitz, 1985)
  • Bettina Wuttig: Weibliches Begehren und Macht. Eine psychoanalytische Betrachtung im Licht der poststrukturalistischen Wende, Ibidem 1999, ISBN 3932602854
  • Michael Farin (Hrsg.): Phantom Schmerz. Quellentexte zur Begriffsgeschichte des Masochismus. Belleville, München 2003
  • Theodor Reik: Aus Leiden Freuden, deutsche Originalausgabe 1940 bei Imago (London). Die Neuausgabe Aus Leiden Freuden. Masochismus und Gesellschaft (Hamburg: Hoffmann und Campe Verlag 1976) enthält auch die Ergänzungen der amerikanischen Ausgabe Masochism in Modern Man (New York 1941).
  • Léon Wurmser: Das Rätsel des Masochismus. Psychoanalytische Untersuchungen von Über-Ich-Konflikten und Masochismus, Springer, Berlin u.a. 1993 (2., korr. A. 1998); NA d. 2., korr. A. u.d.T.: Das Rätsel des Masochismus. Psychoanalytische Untersuchungen von Gewissenszwang und Leidenssucht, Psychosozial, Gießen 2008
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