Massaker von Aussig

Massaker von Aussig

Das Massaker von Aussig (auch Aussig-Massaker genannt) war ein gegen die deutsche Zivilbevölkerung gerichteter Pogrom, am 31. Juli 1945, dem vorletzten Tag der Potsdamer Konferenz der alliierten Siegermächte, in Ústí nad Labem (deutsch Aussig an der Elbe) in der Tschechoslowakei bzw. im ehemaligen Sudetenland.

Inhaltsverzeichnis

Verlauf

Den Anlass zu diesem Pogrom gab eine an diesem Tage erfolgte Explosion eines Munitionsdepots im Stadtteil Krásné Březno (Schönpriesen), welche als Anschlag der Werwölfe deklariert wurde. Nach Erkenntnissen aus der Forschung und geheimen tschechischen Unterlagen kann davon ausgegangen werden, dass der Anschlag auf das Depot und auch die angebliche Reaktion der Bevölkerung eine gezielte Aktion der Abteilung Z des tschechoslowakischen Innenministeriums, des OBZ, gewesen ist. Das Ziel der Aktion war, einen für das Ausland klar erkennbaren Grund zu schaffen, die restlose Vertreibung der deutschen Minderheit aus dem Sudetenland zu vollziehen. Um diesbezügliche Informationen und Zusammenhänge in die gewünschte Richtung zu lenken, wurde der Initiator dieses Pogroms, Stabshauptmann Bedřich Pokorný, mit der offiziellen Untersuchung der Vorgänge beauftragt.

Sofort nach der Explosion wurden deutsche Zivilisten von tschechischen Revolutionsgarden ohne nähere Untersuchung als vermeintlich Schuldige ausgemacht. Erkennbar waren die Deutschen an weißen Armbinden, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis mindestens Ende 1946 alle Deutschen in der Tschechoslowakei tragen mussten.

Die Menschen wurden blindwütig erschlagen, in einem Löschwasserspeicher ertränkt oder von der Elbebrücke gestoßen und im Wasser beschossen. Die Leichen trieben bis ins benachbarte Sachsen. 80 Leichen wurden allein bei Meißen aus der Elbe gezogen, weitere Leichen wurden bei Bad Schandau angeschwemmt.

Opfer

Die Zahl der Toten bei diesem Massaker wurde jahrelang mit etwa 2000 angegeben. Genaue Opferzahlen sind schwer festzustellen, zumal die tschechischen Archive nicht freigegeben wurden. Die Angaben von deutschen Überlebenden schwanken zwischen 1.000 und 2.700. Ein Argument gegen derartig hohe Opferzahlen besteht darin, dass später keine entsprechende Zahl von Vermisstenmeldungen vorgelegt wurde. Bei anderen Pogromen an Deutschen, etwa dem Brünner Todesmarsch und den Erschießungen von Saaz/Žatec und Postelberg/Postoloprty Anfang Juni 1945 korrespondieren hingegen die im Laufe der 1950er Jahre erstellten Vermisstenlisten zahlenmäßig gut mit den nach 1989/90 auch anhand tschechischer Quellen plausibel bezifferbaren Opferzahlen

Tschechische Historiker sprechen von 43–100 Toten; deutsche Historiker gehen von einer Maximalzahl von 220 Opfern aus.[1][2] [3]

Täter und deren Verurteilung

Es gibt seit langem Behauptungen, dieses Massaker sei von der damaligen tschechoslowakischen Regierung unter Ministerpräsident Zdeněk Fierlinger organisiert worden. Durch die Arbeit von Otfrid Pustejovsky (s.u.) gilt heute als gesichert, dass der im tschechoslowakischen Innenministerium tätige Stabskapitän Bedřich Pokorný ein Hauptorganisator dieses Verbrechens war. Er hatte neun Wochen zuvor den Brünner Todesmarsch (Beginn am 31. Mai 1945) organisiert. Eine offizielle juristische Aufbereitung des Geschehens hat bisher nicht stattgefunden. Das Beneš-Dekret 115/46 erklärte derlei Handlungen bis 28.Oktober 1945 im Kampfe zur Wiedergewinnung der Freiheit, ... oder die eine gerechte Vergeltung für Taten der Okkupanten oder ihrer Helfershelfer zum Ziel hatte, ... für nicht widerrechtlich.

Der Zeitpunkt des Massakers

Eine Besonderheit des Massakers ist sein später Zeitpunkt, denn die Welle der offenen Gewalt gegen die Sudetendeutschen wurde von Staatspräsident Edvard Beneš auf Druck der britischen Regierung ab dem 16. Juli 1945 und damit fast auf den Tag genau zum Beginn der Potsdamer Konferenz gestoppt.

Gedenken und Aufarbeitung

Am 31. Juli 2005 enthüllte der Oberbürgermeister Petr Gandalovič auf der Dr.-Edvard-Beneš-Brücke eine Gedenktafel für die Opfer des Massakers an den deutschen Zivilisten als Zeichen der Versöhnung.

Der Text der Inschrift lautet „Zum Gedenken an die Opfer der Gewalt vom 31. Juli 1945“. Dass es sich hier ausschließlich um Deutsche gehandelt hat, wurde nicht erwähnt.

Die genaue Opferzahl bleibt bis heute unbekannt. Eine juristische Aufarbeitung der Ereignisse ist bisher nicht erfolgt.

An der Außenfassade des neuen Altvaterturms auf dem Wetzstein bei Stadt Lehesten im südlichen Thüringer Wald wurde am 28. August 2005 eine Bronze-Relieftafel angebracht.

Siehe auch

Literatur

  • Jan Havel, Vladimír Kaiser, Otfrid Pustejovsky: Ein Nachkriegs-Verbrechen: Aussig 31. Juli 1945. Albis International, Ústí nad Labem 2005, ISBN 80-86067-70-X. Tschechische Ausgabe: Stalo se v Ústí nad Labem: 31. července 1945. Město Ústí nad Labem, Ústí nad Labem 2005. (= Memorabilia ustensis. 9.) ISBN 80-86646-11-4.
  • Otfrid Pustejovsky: Die Konferenz von Potsdam und das Massaker von Aussig am 31. Juli 1945. Untersuchung und Dokumentation. München 2001.
  • Peter Steinkamp: Aussig 1945. in: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Darmstadt 2003, ISBN 3-89678-232-0, S. 12–18
  • Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte & Theodor Schieder (Hauptbearb.): Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa. Bd. 4, 1 & 4, 2: Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei. Bonn 1957 [4]

Einzelnachweise

  1. Peter Steinkamp: Aussig 1945. In: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Darmstadt 2003, S. 16.
  2. Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hrsg): Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei. Band 1, 2. Weltbild, 1994, ISBN 3-89350-560-1.Aussig: Bd.1: 6, 10, 13, 15f., 68, 71, 73, 81, 110, 128, 340. Bd.2: 64, 284, 286,318, 518f., 572, 627, 679.
  3. Wilhelm Turnwald: Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen. 1951, Aussig: S. 95, 119, 121ff., 131, 133f., 152, 318, 340, 397.
  4. zu den häufigen Neuaufl., den Vorarbeiten von Fritz Valjavec seit 1951 und dem Online-Zugang siehe Lemma des Ministeriums

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