Theodor Schieder

Theodor Schieder

Theodor Schieder (* 11. April 1908 in Oettingen; † 8. Oktober 1984 in Köln) war ein deutscher Historiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Von 1926 bis 1933 studierte er Geschichte, Germanistik und Geographie u.a bei Hermann Oncken und Karl Alexander von Müller und wurde in München mit der Dissertation: „Die kleindeutsche Partei in Bayern in den Kämpfen um die nationale Frage“ promoviert. 1939 habilitierte er sich in Königsberg. Von 1942 bis 1944 lehrte er als Professor in Königsberg, Ostpreußen und seit 1948 bis zu seiner Emeritierung 1976 an der Universität zu Köln, wo er als hochangesehener Historiker u. a. für die Bundesregierung arbeitete. Nach dem Krieg gehörte Schieder zusammen mit Werner Conze zu den einflussreichsten Historikern der Bundesrepublik. Von 1962 bis 1964 war Schieder Rektor der Kölner Universität und leitete ab 1965 dort die Forschungsabteilung des Historischen Seminars. Zugleich war er Präsident der Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und zeitweilig Präsident der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Seit 1957 gab er die Historische Zeitschrift heraus und war von 1967 bis 1972 Vorsitzender des Historikerverbandes. 1971 wurde ihm der Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste verliehen. 1972 erhielt er die Goldene Medaille der Humboldt-Gesellschaft.

Schieder arbeitete zur Geschichte des Liberalismus und Nationalismus sowie der Staatslehre und der europäischen Geschichte vom 18. bis 20. Jahrhundert. Weitere wissenschaftliche Schwerpunkte lagen in der Erforschung europäischer Nationalbewegungen und Volksgruppen sowie der Geschichtstheorie.

Rolle im Nationalsozialismus

Eine breitere Debatte über die Rolle von Historikern wie Theodor Schieder und Werner Conze in der Zeit des Nationalsozialismus fand auf dem Historikertag 1998 in Frankfurt/M. statt.

Theodor Schieder war seit 1937 Mitglied der NSDAP. Schieder, Albert Brackmann, Werner Conze, Hans Rothfels und andere Historiker traten bereits in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen für eine „kämpferische Wissenschaft“ ein, die volkstumspolitische Forderungen – u. a. Revision der Versailler Verträge – mit einer Politik der Lebensraum-Konzepte verband. Dazu gehörte die Germanisierung des „Ostraumes“ (für die ins Generalgouvernement vertriebenen Polen wollte Schieder – Denkschrift vom 7. Oktober 1939 – Platz schaffen durch „Herauslösung“ des Judentums aus den polnischen Städten) und der „Schutz“ der Deutschen vor „Umvolkung“ durch „Überfremdung“ und durch Vermischung mit anderen „Volksgruppen“ und „Rassen“. Sie waren in der Ostforschung und Volks- und Kulturbodenforschung der „Nord- und Ostdeutschen Forschungsgemeinschaft“ (NOFG) tätig.

Schieders Anregungen schlugen sich im Generalplan Ost nieder. 1942 bedankte sich der ostpreußische Gauleiter Erich Koch für Schieders Einsatz bei der Konfiszierung der Mitgliederverzeichnisse von Synagogen.

Schieder, Conze, Maschke, Aubin und andere konnten ihre Arbeit nach 1945 in der Bundesrepublik mit geringfügigen Änderungen fortsetzen. Aus „Volksgeschichte“ als Forschungsgegenstand wurde „Sozialgeschichte“, die inhaltlichen und geographischen Schwerpunkte blieben gleich. Teilweise wurden komplette NS-Institutionen in Auffanggesellschaften überführt wie das Herder-Institut in Marburg mit seinem Leiter Aubin.[1]

In einem Interview sagte der Historiker Michael Wolffsohn, Schieder sei ein "richtig knallharter nationalsozialistischer Rassist" gewesen.[2]

Schriften

  • Deutscher Geist und ständische Freiheit im Weichselland (1940)
  • Faschismus und Imperialismus in: Geschichte des italienischen Volkes (1941)
  • Der Typus in der Geschichtswissenschaft (1952)
  • als Hauptbearbeiter: Dokumentation zur Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa Hg. Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, 1953–1961[3]
  • Das deutsche Kaiserreich von 1871 als Nationalstaat (1961)
  • Begegnungen mit der Geschichte (1962)
  • Geschichte als Wissenschaft (1965/68)
  • Staaten und Gesellschaft (1958/70)
  • Handbuch der europäischen Geschichte (Hg., seit 1968)
  • Friedrich der Große (1983)

Sekundärliteratur

  • Hans-Ulrich Wehler: Nachruf auf Theodor Schieder. 11. April 1908–8. Oktober 1984. In: Geschichte und Gesellschaft 11 (1985), S. 143–153.
  • Wolfgang J. Mommsen: Vom Beruf des Historikers in einer Zeit beschleunigten Wandels. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 33 (1985), S. 387–405.
  • Lothar Gall: Theodor Schieder. In: Historische Zeitschrift 241 (1985), S. 1–25.
  • Angelika Ebbinghaus, Karl Heinz Roth: Vorläufer des Generalplans Ost. Eine Dokumentation über Theodor Schieders Polendenkschrift vom 7. Oktober 1939. In: 1999. Zeitschrift für die Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts 7 (1992), Heft 1, S. 62–94.
  • Jörn Rüsen: Kontinuität, Innovation und Reflexion im späten Historismus: Theodor Schieder. In: Jörn Rüsen, Konfigurationen des Historismus. Studien zur deutschen Wissenschaftskultur. Frankfurt/M. 1993, S. 357–397.
  • Götz Aly: Theodor Schieder, Werner Conze oder Die Vorstufen der physischen Vernichtung. In: Winfried Schulze, Otto Gerhard Oexle, Hg.: Deutsche Historiker im Nationalsozialismus. Frankfurt/M. 1999, S. 163–182.
  • Ingo Haar: Historiker im Nationalsozialismus. Deutsche Geschichtswissenschaft und der 'Volkstumskampf' im Osten. Göttingen 2000.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Tagungsbericht Die Volksgeschichte der NS-Zeit: Vorläuferin der Sozialgeschichte der Bundesrepublik? Werner Conze und Theodor Schieder in der Diskussion. 9. Juni 1997, Berlin, in: H-Soz-u-Kult, 16. Juni 1997.
  2. Prof. Michael Wolffsohn über Seilschaften und Doktorväter
  3. in Lemma des Ministeriums: Einzelheiten, Vorarbeiten von Fritz Valjavec, Online-Link zu großen Teil des Produkts

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