- Medizinisches Versorgungszentrum
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Ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) ist eine vom deutschen Gesetzgeber mit dem GKV-Modernisierungsgesetz 2004 eingeführte Einrichtung zur ambulanten medizinischen Versorgung. Ähnlich wie in den Polikliniken der DDR können dort beliebig viele zugelassene Ärzte im Angestelltenverhältnis arbeiten, was in den herkömmlichen Arztpraxen nur sehr eingeschränkt erlaubt ist. MVZs müssen fachübergreifend sein, d. h. Fachärzte unterschiedlicher Richtungen oder psychologische Psychotherapeuten beschäftigen, und unter ärztlicher Leitung stehen.
Ein MVZ kann von jedem nach dem SGB zugelassenen Leistungserbringer gegründet werden. Die Zielsetzung bzw. Vorteile liegen in der Kosteneinsparung (gemeinsamen Nutzung von Ressourcen, wie z. B. Geräte, Räume, Personal), engen Zusammenarbeit mehrerer Fachrichtungen mit kurzen Wegen (interdisziplinär) sowie in der Entlastung von verwaltungstechnischen Aufgaben der Mediziner. [1] Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung waren im 2. Quartal 2010 1.567 medizinische Versorgungszentren zugelassen. [2]
Die Rechtsgrundlage bildet § 95 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Gesellschafter eines MVZ können nur zugelassene Leistungserbringer nach dem SGB V sein, also auch Krankenhäuser, Heilmittelerbringer oder andere. MVZ nehmen an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Für die „ärztliche Leitung“ gelten grundsätzlich die Vorschriften des Krankenhausrechts. Es muss sich nicht um ein Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung handeln, d. h. er muss nicht mit als Vertragsarzt tätig sein. Für die Patienten ähnelt das MVZ einer Gemeinschaftspraxis, es entsteht kein direkter Behandlungsvertrag mit dem behandelnden Arzt, sondern mit dem MVZ.
Inhaltsverzeichnis
Zulassung und Gründung
Ein MVZ kann von jedem nach dem SGB V zugelassenen Leistungserbringer (neben Ärzten und Psychotherapeuten auch Apotheker, Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sowie Heil- und Hilfsmittelerbringer) gegründet werden, der aufgrund von Ermächtigung, Zulassung oder Vertrag an der medizinischen Versorgung von gesetzlich versicherten Patienten teilnimmt. Nicht als Träger eines MVZ zugelassen sind Privatkrankenanstalten, pharmazeutische Unternehmer, Krankenkassen oder deren Verbände, Kassen(zahn)ärztliche Vereinigungen, Krankenhausgesellschaften, Träger von Managementgesellschaften, Zahntechniker etc. Einzelheiten dazu sind u.a. im Vertragsarztrechtsänderungsgesetz festgelegt. Voraussetzungen für die Zulassung sind:
- Mindestens zwei Vertragsärztliche volle Zulassungen in verschiedenen Fachrichtungen.
- Fachübergreifende Tätigkeit: das MVZ ist dann eine fachübergreifende Einrichtung, wenn in ihr Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen tätig sind. Für ein MVZ sind somit mindestens zwei Fachärzte erforderlich. Ausschlaggebend für die Bewertung ist die Vertragsärztliche Zulassung. So erfüllt ein Facharzt für Allgemeinmedizin (als Hausarzt) und ein hausärztlich Tätiger Internist nicht die Voraussetzung der fachübergreifenden Tätigkeit.
- Vorlage eines Gesellschaftsvertrags und Benennung eines ärztlichen Leiters. Der ärztliche Leiter ist in medizinischen Angelegenheiten keinerlei Weisungen unterworfen. Die ärztliche Leitung muss nicht mit Geschäftsführungsbefugnissen ausgestattet sein.
- Übernahme einer Bürgschaft durch alle Gesellschafter (Gründer) für die Forderungen der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung für das MVZ (für Neugründungen seit dem Jahr 2007).
Rechtsformen
Der Gesetzgeber geht in § 95 Abs. 1 S. 6 SGB V davon aus, dass MVZ sich aller zulässigen Organisationsformen, d. h. aller Rechtsformen der Personen- und Kapitalgesellschaften, bedienen können. Allerdings wird die OHG derzeit nicht als MVZ-Trägerin anerkannt. Eine OHG ist auf den Betrieb eines Handelsgewerbes ausgerichtet; die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit fällt jedoch nicht unter den Begriff des Handelsgewerbes. Als Rechtsform kommen somit in Frage:
- Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
- Partnerschaftsgesellschaft (PartG)
- Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
- Kommanditgesellschaft (KG)
- GmbH&CoKG
Tatsächlich werden die meisten MVZ in der Trägerschaft von BGB-Gesellschaften oder als GmbH geführt. Im aktuellen Eckpunktepapier zum Versorgungsgesetz der Bundesregierung ist die Begrenzung auf GmbHs und Personengesellschaften vorgesehen. [3]
Durch die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren ist erstmals Gelegenheit geschaffen worden, ambulante Versorgung auch durch angestellte Ärzte anzubieten. MVZ werden oft als Schritt gesehen, die bisherige sektorale Trennung von ambulanter und stationärer medizinischer Versorgung in Deutschland aufzuheben.
Abrechnung
Die Quartalsabrechnung eines MVZ läuft gegenüber der KV ähnlich einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis ab. Das MVZ führt die Abrechnung gegenüber der KV durch. Das Vertragsverhältnis besteht hier also zwischen MVZ und KV.
In der Privatärztlichen Abrechnung stellt das MVZ die Forderung (Rechnung) an den Patienten, da der Behandlungsvertrag zwischen Patient und MVZ besteht.
Im Haftungsfall erfolgt die Herantretung von Patient und Kostenträgern direkt an das MVZ, ähnlich wie bei Krankenhäusern.
Steuerliche Besonderheiten des MVZ
Gründung
Die Besteuerung in der Gründungsphase ist zum einen abhängig von der gewählten Rechtsform als auch von der Vorgehensweise der Gründung.
Bei einer Umwandlung einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer GbR in eine MVZ-GbR bestehen steuerlich keine Besonderheiten, da die steuerliche Mitunternehmerschaft (unter geänderten arztrechtlichen Bedingungen) fortgeführt wird.
Wenn Ärzte ihre Praxen bzw. ihre Anteile an Gemeinschaftspraxen bei der Gründung bzw. Erweiterung einer MVZ-GbR einbringen, kann dies unter bestimmten Voraussetzung gemäß § 24 UmwStG steuerneutral ohne Aufdeckung von stillen Reserven gestaltet werden. Neben der Buchwertfortführung ist u.a. zwingende Voraussetzung, dass ein Betrieb, Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil mit sämtlichen funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen in die MVZ-GbR eingebracht wird.
Sofern eine MVZ-Kapitalgesellschaft durch Einbringung einer Praxis bzw. eines Anteils einer Gemeinschaftspraxis gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten entsteht, ist § 20 UmwStG anwendbar. Auch hier ist unter bestimmten Voraussetzungen (u.a. Einbringung sämtlicher funktional wesentlicher Betriebsgrundlagen) der Buchwertansatz möglich. Zu beachten ist jedoch, dass der Einbringende , sofern er seinen Gewinn bis dato nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt hat, eine Einbringungsbilanz erstellen muss und damit zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG unter Aufdeckung eines Übergangsgewinns übergehen muss. Des Weiteren gehen bei Buchwertfortführung die stillen Reserven undifferenziert von der Person des Einbringenden auf alle Gesellschafter über. Dies kann im Ergebnis dazu führen, dass latente Steuerbelastungen von einem auf den anderen Gesellschafter zu Lasten von dessen Vermögen übergehen. Sofern § 20 UmwStG anwendbar ist, stellen bei Buchwertfortführung die gewährten Anteile an der Kapitalgesellschaft sogenannte „einbringungsgeborene“ Anteile dar. Bei einer Veräußerung dieser Anteile innerhalb von sieben Jahre nach Einbringung tritt eine spezielle Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach § 22 UmwStG ein.
Laufende Besteuerung
Für die Rechtsformwahl aus steuerlicher Sicht ist die steuerliche Gesamtbelastung im Vergleich der alternativen Rechtsform entscheidend. Hierbei sind verschiedene Teilbereiche in der laufenden Besteuerung zu berücksichtigen:
Bei Vorliegen einer Personengesellschaft liegen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit vor. Sofern es sich um eine gewerbliche Personengesellschaft handelt, liegen gewerbliche Einkünfte vor. In beiden Fällen unterliegen die Einkünfte der Einkommensteuer der Gesellschafter (natürliche Person) bzw. der Körperschaftsteuer (juristische Person). Bei gewerblichen Einkünften ergibt sich zusätzlich eine Gewerbesteuerpflicht, die Gewerbesteuer ist jedoch bei den Gesellschaftern auf ihre Einkommensteuer anrechenbar.
Bei Kapitalgesellschaften entsteht auf Ebene der Gesellschaft Körperschaft- und Gewerbesteuer auf den steuerlichen Gewinn. Sofern die Gesellschafter bei der Kapitalgesellschaft im Anstellungsverhältnis stehen, stellen die Gehaltszahlungen gewinnmindernde Betriebsausgaben dar. Auf Ebene der Gesellschafter ist auf die Gehaltszahlungen Einkommensteuer zu entrichten. Ausschüttungen der Gesellschaft werden im Rahmen der Abgeltungsteuer mit derzeit 25% zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer pauschal besteuert.
Eine generelle Aussage, welche Rechtsform steuerlich am sinnvollsten ist, kann nur im individuellen Einzelfall nach den erwarteten Gewinnen und angemessenen Gehaltszahlungen berechnet werden. Je höher der erwartete Gewinn ist und je länger erwirtschaftete Gewinne thesauriert werden können, umso vorteilhafter wird die Rechtsform der Kapitalgesellschaft.
Entwicklung
Zum 1. Quartal 2010 (Stichtag 31. März 2010) gab es in Deutschland 1.503 medizinische Versorgungszentren mit 7.526 tätigen Ärzten, davon 6.206 im Angestelltenverhältnis; ein Quartal zuvor waren es noch 1.454 MVZ mit 7.127 Ärzten, davon 5.793 angestellt[4]. Dabei fällt auf, dass vor allem der Anteil der in einem MVZ angestellten Ärzte massiv steigt, während der Anteil der in einem MVZ freiberuflich tätigen Ärzte eher stagniert. Der Präsident der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery zeigte sich im August 2011 von dieser Entwicklung „überrascht“. [5]
In der DDR waren Haus- und Fachärzte, fast ausschließlich, in sogenannten Polikliniken tätig. Diese Polikliniken wurden im Zuge der Wiedervereinigung nahezu vollständig abgeschafft. Nur Einrichtungen nach § 311 SGB V a. F. (Dispensaire-Einrichtungen) hatten unter Umständen Bestandsschutz. Das gesetzgeberische Konzept der medizinischen Versorgungszentren hatte die ehemaligen Polikliniken zum Vorbild. Weiter sollte es insbesondere den Krankenhäusern ermöglicht werden, auch ambulante Leistungen anzubieten. Die baulichen Gegebenheiten heutiger medizinischer Versorgungszentren sind im Unterschied zu den ehemaligen Polikliniken nur selten klinikähnlich.
Kritik
Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages weisen auf folgende öffentliche Kritikpunkte an MVZs hin: "MVZ stehen immer wieder in der öffentlichen Kritik, insbesondere aus der Ärzteschaft, was angesichts der zunehmenden Konkurrenz im ambulanten Sektor kaum verwundern kann. Dabei wird hauptsächlich kritisiert, dass das „Eindringen“ von Managementgesellschaften, privaten Klinik-Trägern und Krankenhäusern in den ambulanten Versorgungsmarkt die freie Arztwahl der Patienten einschränke, die Freiberuflichkeit der ärztlichen Tätigkeit gefährde und niedergelassene Facharztpraxen verdränge. Tatsächlich führen die MVZ in absoluten Zahlen (1.454 MVZ vs. 88.722 zugelassene Praxen) jedoch nach wie vor ein Nischendasein." [6]. In der Diskussion werden bislang keine Erfahrungsberichte oder Praxisbeispiele bezüglich der Kritikpunkte angeführt.
Einzelnachweise
- ↑ Die Bundesregierung informiert, 8/2009: Medizinisches Versorgungszentrum Nachfolger der Poliklinik.
- ↑ Medizinische Versorgungszentren (MVZ). auf der Webseite der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
- ↑ Eckpunkte zum Versorgungsgesetz. 8. April 2011.
- ↑ Kassenärztliche Bundesvereinigung (abgerufen am 31. Januar 2011)
- ↑ MVZ-Kompetenz: Bild des Arztberufs wird bunter vom 31. August 2011
- ↑ Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Aktueller Begriff – Medizinische Versorgungszentren (MVZ). Vom 19. August 2010 (abgerufen am 26. Mai 2011).
Literatur
- Steuerliche Fragestellungen bei der Gründung Medizinischer Versorgungszentren. In: MedR. 2007, Heft 1, S. 28-29.
- MVZ-GmbH gefährdet die Gemeinnützigkeit nicht. In: f&w. 5/2007, 24. Jahrg.
- Übertragung einer ärztlichen Praxis auf ein MVZ - wann ist das sinnvoll? In: Blopress Ärzte-Wirtschaftsdienst. 4/2008.
- F.J. Dahm, K.-H. Möller, R. Ratzel: Rechtshandbuch medizinische Versorgungszentren. Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-22078-X.
- B. Zwingel, R. Preißler: Das medizinische Versorgungszentrum - Rechtliche Rahmenbedingungen für Gründung und Betrieb. Dt. Ärzte-Verlag, Köln 2005, ISBN 3-7691-3227-0.
- Lars Lindenau: Das medizinische Versorgungszentrum - Rechtliche Grundlagen und Ausblick in die GKV. Müller, Heidelberg 2008, ISBN 978-3-8114-3222-2.
Kategorie:- Gesundheitswesen (Deutschland)
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