- Menschschädel von Rhünda
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Der Menschenschädel von Rhünda, auch Frau von Rhünda, oder Mann von Rhünda, ist ein paläontologischer Fund aus Nordhessen.
Inhaltsverzeichnis
Funddaten
Der fossile Schädel ohne Unterkiefer ist ein seltener paläontologischer Fund aus der Zeit um 10.000 v. Chr. Er gehört zu den wenigen gut erhaltenen Schädelfunden aus der Eiszeit in Deutschland.
Der Schädel des eiszeitlichen Menschen ist eine nach einem Unwetter in der Nacht vom 19. auf den 20. Juni 1956 an einem neu entstandenen Ufer des Rhündabaches nahe der Rhündamündung in die Schwalm in Rhünda bei Felsberg gefundener Schädel. Er lag ungefähr 80 cm unter der Erde. Der Schädel ist vermutlich aus den oberhalb von Rhünda gelegenen Wäldern herabgespült worden und im Laufe der Zeit verwest, verfallen und anschließend kalkversintert. Die Fundschichten bestanden aus einem mergeligen Kalktuff auf kalkigem Schwemmlöß und Basaltschutt. Durch den Ortslehrer E. Glatzer, der den Wert der Entdeckung erkannte, gelangte der Fund am 22. Juli 1956 zu Prof. Dr. Eduard Jacobshagen von der Universität Marburg.
Datierungsversuche
Der Schädel wurde mehrfach versucht zu datieren. Am 26. August 1956 präsentierte Jacobshagen den Schädelfund von Rhünda auf dem internationalen Kongress 100 Jahre Neandertaler in Düsseldorf als einen neuen Fund vom Typus Homo sapiens neanderthalensis; er war somit der Ansicht, der Schädel von Rhünda sei der einer Neandertalerin, der so genannten „Frau von Rhünda“, was er an der Grazilität der Knochen nach dem Reinigen und Zusammensetzen belegte. Dieser Zuordnung zufolge hätte der Schädel 30.000 Jahre alt sein müssen.
Doch schon auf dem Kongress hatte sich eine heftige Diskussion entfacht, ob der Fund wirklich ein Neandertaler sei. Seine Interpretation wurde bezweifelt. 1962 publizierten die Anthropologen Heberer und Kurth aus Göttingen, dass es sich bei dem Rhünda Schädel um einen Vertreter des modernen Menschen (Homo sapiens) handele. Ihre Zuweisung basiert auf Untersuchungen an einer Neuzusammensetzung des Schädels. Als 1962 Kalktuffproben aus der Fundschicht mit der C14-Methode als nacheiszeitlich 8365 +/-100 Jahre B.P. datiert wurden, verstummte die wissenschaftliche Diskussion über die Frau von Rhünda jahrelang.
Die Erkenntnisse galten als gesichert und wissenschaftlich belegt. Nach allgemeiner Ansicht war der Schädel nun nicht mehr in den Kreis der seltenen Funde von jungpaläolithischen Eiszeitjägern und Sammlern einzureihen. Eine direkte Datierung am Knochenmaterial des Schädels wurde jedoch nicht vorgenommen. Dann wurde nochmals 1990 anhand der Analyse der Fundschichten ein Alter von 8.300 Jahren bestimmt, da aber der Schädel den Rhündabach herunter getrieben ist, war dieses Alter aber zu bezweifeln und nur auf die Kalkversinterung zu beziehen.
Endgültige Datierung
Der Paläontologe Wilfried Rosendahl datierte 2002 den Schädel nach seinen Untersuchungen mit den neusten und modernsten Methoden auf ein Alter von 12.000 Jahren. Er war der erste, der direkt Untersuchungen am Schädel vornahm. Zur genauen Datierung mit der AMS-14C-Methode schickte er eine Schädelprobe nach Groningen in die Niederlande. Es ergab das sensationelle Ergebnis, dass der Schädel ein geologisches Alter von 10.000 Jahren +/- 80 v. Chr. aufzuweisen hat und damit dem Spätglazial beziehungsweise dem ausgehenden Jungpaläolithikum zuzuordnen ist.
Geschlechtsfindung des Objektes
Vermutlich hat der eiszeitliche Mensch von Ründa in dem oberhalb von Rhünda gelegenen Gebiet (heute bewaldet) gelebt, es konnten jedoch keinerlei Nachweise der Ansässigkeit aus dieser Zeit gefunden werden. Ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt ist nicht eindeutig geklärt, Anhand der Knochendichte könnte es eine Frau sein, aber auch ein Mann, der längere Zeit spärlich Nahrung finden konnte. Jetzt wird davon ausgegangen, dass es sich um einen Mann handelt.
Nunmehr wird der Schädel mit Paläo-DNA-Analysen untersucht, die Aufschlüsse darüber geben könnten, wie sich der Mensch genetisch in 12.000 Jahren verändert hat. Zudem geben die Zähne am Oberkiefer vielleicht Aufschluss über die Ernährung des eiszeitlichen Menschen von Rhünda. Aus dem Zahnschmelz könnte man eventuell Infektionskrankheiten nachweisen.
Aufbewahrt wird der Archäologische Fund im Hessischen Landesmuseum Kassel in Kassel.
Literatur
- G. Heberer, G. Kurth (1962): Fundumstände, relative Datierung und Typus des oberpleistozänen Schädels von Rhünda (Hessen). Anthropologie, S.23-27; Brno.
- E. Jacobshagen (1957): Der Schädelrest der Frau von Rhünda (Bezirk Kassel). Anat. Anz., 104, S. 64-87, 8. Abb.; Jena.
- W. Rosendahl (2002): Neues zur Altersstellung des fossilen Menschenschädels von Rhünda (Schwalm-Eder-Kreis), Hessen. Arch. Korrespondenzblatt, 32(1), 4 S.; Mainz
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