Merve Verlag

Merve Verlag

Der Merve Verlag ist ein deutscher Kleinverlag in Berlin-Schöneberg mit dem Programmschwerpunkt auf Philosophie, Kunstgeschichte und Politik.

Inhaltsverzeichnis

Verlagsgeschichte

Als Gründungsdatum des Verlages kann der 17. Februar 1970 gelten. An diesem Tag wurde von den späteren Verlagsgründern Peter Gente, Merve Lowien und Rüdiger Möllering erstmals ein Buch gedruckt, Wie sollen wir ‚das Kapital‘ lesen von Louis Althusser, das noch ohne Verlagsnamen erschien.[1] Im Gründungsvertrag der GmbH aus dem Juni 1970 werden Peter Gente, Merve Lowien, Dieter Reincke, Michael Kwiatkowski und Rüdiger Möllering als Verlagsmitglieder genannt. Sie bezeichneten sich in den ersten Jahren als sozialistisches Kollektiv. Der Verlagsname geht auf den Vornamen von Merve Lowien zurück; der Vorschlag, diesen als Verlagsnamen zu wählen, stammte von Hanns Zischler [2] [3]. Später trat Gentes Lebensgefährtin Heidi Paris in den Verlag ein und das Kollektiv löste sich auf. Zusammen mit Peter Gente bestimmte sie über mehr als zwei Jahrzehnte wesentlich das Programm.

In der neomarxistischen Frühphase des Verlags lag ein Schwerpunkt auf Italien. Den linksradikalen Gruppen Il Manifesto und Lotta Continua wurden hier ein Forum gegeben, wichtige leninistische Philosophen wie Lucio Colletti oder Toni Negri wurden durch Merve in der BRD bekannt. Hier erschienen aber auch Papiere der Frankfurter Gruppe „Revolutionärer Kampf“, an der auch Joschka Fischer beteiligt war.

Das Verlagsarchiv wurde 2006 vom Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe angekauft. Peter Gente verließ nach 37 Jahren den Merve Verlag und siedelte 2007 nach Thailand über. Heute besteht der Merve Verlag unter der Leitung von Tom Lamberty weiter, der seit dem Tod von Heidi Paris 2002 im Verlag arbeitet.

Programm

1977 wurden - nach einem Besuch von Gente und Paris bei Michel Foucault - Werke von Foucault ins Verlagsprogramm aufgenommen. Seine Texte sowie Rhizom und Tausend Plateaus von Gilles Deleuze und Félix Guattari gehören bis heute zu den bestverkauften Büchern. In den 1980er Jahren veröffentlichte der Merve Verlag zahlreiche Werke aus dem Umkreis der französischen Postmoderne und des Poststrukturalismus. Weitere namhafte Autoren des Verlags sind Dirk Baecker, Jean Baudrillard, Hannes Böhringer, Rainald Goetz, Jean-Luc Godard, François Jullien, Thomas Kapielski, QRT (Konradin Leiner), Jean-François Lyotard, Heiner Müller, Wolfgang Müller, Michel Serres, Harald Szeemann, Jacob Taubes und Paul Virilio. Bekannt wurde der Verlag unter anderem auch durch laufende Veröffentlichungen, die sich analytisch mit dem Thema „Neue Technologien“ auseinandersetzen. In jüngerer Zeit hat der Verlag mit Marcus Steinweg, Alain Badiou, Jacques Rancière und Nicolas Bourriaud Texte zur Kunsttheorie publiziert und mit Autoren wie Friedrich von Borries, Matthias Böttger, Stefan Heidenreich und Ralph Heidenreich zur Architektur und zur Ökononmiediskussion beigetragen. Die einzige Reihe des Verlages, in der die Mehrzahl der Publikationen erscheint, nennt sich „Internationaler Merve Diskurs“ (IMD) – vormals „Internationale Marxistische Diskussion“ (IMD).

Das Verlagsprogramm umfasst bisher ca. 350 Titel. Durchschnittlich erscheint etwa jeden Monat ein neuer Titel.

Auszeichnung

Im Jahre 2001 erhielt der Merve Verlag auf Grund seines engagierten und intellektuell anspruchsvollen Programms als erster Preisträger den Kurt-Wolff-Preis zur Förderung einer vielfältigen Verlags- und Literaturszene.

Weblinks

Literatur

  • Philipp Felsch: Merves Lachen, in: Zeitschrift für Ideengeschichte 2 (2008), S. 11-30.
  • Sabine Vogel: Die Kunst der Verschwindens. Es begann im Geist der 68er-Bewegung: Jetzt hat Peter Genre sein Lebenswerk, den Merve Verlag, weitergegeben, in: Berliner Zeitung, 2. Januar 2008.
  • Mark Terkessidis: Als die Kämpfe kleiner wurden. In 30 Jahren von der "Internationalen Marxistischen Diskussion" zum "Internationalen Merve Diskurs", in: Jungle World, 26. Januar 2000.

Einzelnachweise

  1. Merve Lowien, Weibliche Produktivkraft - Gibt es eine andere Ökonomie? Berlin 1977, S. 35 f.
  2. „Denker und Punk“, Die Zeit, 15. Februar 2007, Nr. 8
  3. Merve Lowien, Weibliche Produktivkraft - Gibt es eine andere Ökonomie? Berlin 1977, S. 45.

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