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Die Demokratische Partei (jap. 民主党, Minshutō, engl. Democratic Party of Japan, DPJ) ist eine politische Partei in Japan. Sie ist die zweitstärkste Kraft in der japanischen Politik hinter der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP). Sie wurde 1996 gegründet und hat seither weite Teile der Opposition gebündelt, eines ihrer Ziele ist die Transformation Japans in ein Zweiparteiensystem. Nach dem jährlichen Bericht zur Parteienfinanzierung hatte die Partei im Fiskaljahr 2006 rund 42.000 Mitglieder und erhielt staatliche Parteienfinanzierung in Höhe von 10,48 Mrd. Yen (rund 60 Mio. Euro)[1].
Da die DPJ zur Volkspartei gewachsen ist und die japanische Politik stark personenorientiert ist, lässt sich die politische Richtung nicht genau eingrenzen. Sie vertritt jedoch in stärkerem Maße als die LDP liberale Positionen und wird als „mitte-links“-Partei beschrieben. Die stärkste Unterstützung bei Wahlen erhält sie in den städtischen Ballungsräumen. Wie die LDP gliedert sich die DPJ in Faktionen; diese sind jedoch weniger scharf abgegrenzt und gründen sich auf Parteizugehörigkeiten und Loyalitäten aus der Zeit vor der Parteigründung.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung und Geschichte
Die Initiative zur Gründung der Demokratischen Partei ging 1996 von Naoto Kan und Yukio Hatoyama aus der Neuen Partei Sakigake aus, die zusammen mit der LDP und der schwächelnden Sozialdemokratischen Partei (SDP) regierte. Nach dem Rücktritt von Premierminister Tomiichi Murayama befand sich die SDP in einer existentiellen Krise und die größte Oppositionspartei, die Neue Fortschrittspartei (NFP), stand unter Vorsitz des dominanten Ex-LDP-Politikers Ichirō Ozawa. Mit dem Ziel, eine dritte Kraft aufzubauen, bildeten Kan und Hatoyama zusammen mit Kunio Hatoyama (NFP) und Tomiko Okazaki (früher SDP) ein Gründungskommitee für die Demokratische Partei.
Im September 1996 wurde die DPJ mit 50 Unterhaus- und 5 Oberhausabgeordneten formell gegründet, den Vorsitz teilten sich Naoto Kan und Yukio Hatoyama. Trotz dieser unklaren Führungsstruktur, noch fehlender Parteibasis und unklarem Parteiprogramm erhielt die Partei bei der Unterhauswahl im Oktober 1996 52 Sitze und baute ihre Position als drittstärkste Partei leicht aus. Anfangs blieb die Zukunft der DPJ im inneren Richtungsstreit zwischen eher konservativen ehemaligen Sakigake-Mitgliedern und ehemaligen Sozialdemokraten unsicher. Im September 1997 wurde die Doppelspitze abgeschafft: Kan wurde Parteivorsitzender, Hatoyama Generalsekretär.
Ozawas NFP verlor ab 1996 eine Reihe von Mitgliedern, die sich zu neuen Gruppierungen zusammenschlossen. Zum Jahresende 1997 löste sich die NFP schließlich ganz auf. Die entstandenen Gruppen im Parlament, die Taiyōtō („Sonnenpartei“) von Tsutomu Hata, die Kokumin no Koe („Stimme des Volkes“) von Michihiko Kano und Katsuya Okada, die Shintō Yūai („Neue Brüderlichkeitspartei“) von Kawabata Tatsuo, die From Five von Morihiro Hosokawa und der Minshū Kaikaku Rengō („Demokratischer Reformbund“) schlossen sich im Januar 1998 der DPJ-Fraktion im Parlament an, die Partei übernahm schlagartig die Führungsrolle in der Opposition.
Neugründung 1998
Am 27. April 1998 wurde die „neue DPJ“ gegründet, die die Mitgliedsparteien der gemeinsamen Parlamentsfraktion vereinigte – drei davon hatten sich inzwischen zur Minseitō zusammengeschlossen. Unter Naoto Kans Vorsitz konnte die DPJ bei der Oberhauswahl 1998 ihre schwache Position in der zweiten Kammer verbessern. Allerdings scheiterte Kan 1999 bei der Wahl zum Parteivorsitzenden, Yukio Hatoyama wurde sein Nachfolger.
„Ära Koizumi“ und die Wahlniederlage 2005
Aus den Unterhauswahlen 2000 ging die Partei um 34 Sitze gestärkt hervor. Eine gemeinsame Wahlstrategie mit den inzwischen auf eine Splitterpartei reduzierten Sozialdemokraten und der Liberalen Partei von Ichirō Ozawa war anfangs auch gegen den populären Premierminister Jun’ichirō Koizumi erfolgreich. 2002 übernahm Kan erneut den Parteivorsitz. Im September 2003 trat die Liberale Partei der DPJ bei. Bei den Unterhauswahlen 2003, zu denen sie erstmals mit einem Schattenkabinett und einem klar formulierten Wahlprogramm (Manifesto) antrat, gewann die Partei 177 von 194 Sitzen für die Opposition: Auch wenn sie die LDP-Mehrheit nicht entscheidend angreifen konnte, war es der DPJ gelungen zur dominierenden Oppositionspartei anzuwachsen.
2004 musste Kan nach einem Skandal um versäumte Einzahlungen ins Rentensystem zurücktreten, den Parteivorsitz übernahm Katsuya Okada. Der Reformkurs von Premierminister Koizumi führte unterdessen zu inneren Streitigkeiten in der LDP. Als die geplante Postprivatisierung 2005 am innerparteilichen Widerstand zu scheitern drohte, schien die Stunde der DPJ gekommen. Koizumi ließ die Gegner der Postprivatisierung, die sogenannten „Rebellen“, aus der LDP ausschließen und rief Neuwahlen aus. Allerdings gelang es der DPJ nicht, Kapital aus der Situation zu schlagen. Die hohe Popularität Koizumis, die Tatsache, dass das politische Programm der DPJ in vielen Bereichen noch radikalere Reformen als Koizumi forderte, und die nur zögerliche Thematisierung des unpopulären Irak-Einsatzes der Selbstverteidigungsstreitkräfte führten bei den Unterhauswahlen am 11. September 2005 zu einer heftigen Niederlage. Die DPJ verlor 64 Sitze, der Vorsitzende Okada trat zurück.
Seiji Maehara und der Livedoor-Skandal
Noch im September 2005 übernahm Seiji Maehara die Führung der Partei. Er gewann knapp gegen Naoto Kan, der sich wieder zur Wahl gestellt hatte. Damit entschied sich die Partei für ein jüngeres, frisches Gesicht, um sich selbst von innen erneuern zu können. Maehara selbst sagte dazu: „Ich werde daran arbeiten, die Partei wieder aufzubauen und die Demokratie auch in Japan zum Funktionieren bringen.“ Parteipolitisch ist es letztlich das Ziel, und diese Aussage war auch aus Reihen der DPJ schon zu hören, Japan dem Zweiparteiensystem näher zu bringen. So sagte am 22. Oktober 2003 (im Rahmen des Zusammenschlusses von DPJ und LP) Kan: „Die LDP sollte die Macht wenigstens einmal an die DPJ abgeben, so dass ein Zweiparteiensystem entsteht, das Regierungswechsel ermöglicht.“
Anfang 2006 versuchte die DPJ politisches Kapital aus dem Livedoor-Skandal zu ziehen: Nachdem Bilanzfälschung, Insiderhandel und aggressive Übernahmepolitik zum Zusammenbruch des Internetunternehmens Livedoor geführt hatten, wurden Vorwürfe gegen die regierende LDP laut, in die illegalen Aktivitäten von livedoor verwickelt zu sein.[2] Eine in diesem Zusammenhang als Beweis vorgebrachte E-Mail stellte sich jedoch als von der DPJ lancierte Fälschung heraus, woraufhin Maehara am 31. März als Parteivorsitzender zurücktrat.[3][4]
Am 7. April wurde der erfahrene Ichirō Ozawa mit 119 gegen 72 Stimmen für Naoto Kan zum Parteivorsitzenden gewählt. Ozawa, der den politischen Gegner LDP als langjähriger Abgeordneter, früherer Generalsekretär und Innenminister von innen kennt, sagte nach der Wahl: „Ich empfinde große Verantwortung angesichts der vor uns liegenden Aufgaben - der Erneuerung der Partei und dem Weg an die Macht.“[5]
Gewinn der Oberhausmehrheit 2007
Aus den Wahlen zum Oberhaus am 29. Juli 2007 ging die DPJ als stärkste Partei hervor. Der Wahlkampf war von einem Skandal im staatlichen Rentensystem, mehreren Ministerrücktritten und damit verbundenen Zweifeln an der Führungsstärke von Ministerpräsident Abe bestimmt gewesen. Das Ozawa Manifesto, das Wahlprogramm der DPJ, machte drei Wahlversprechen:
- Einführung eines "Rentensparbuchs" zur Dokumentation der Rentenansprüche
- Einführung eines Kindergelds in Höhe von 26,000 Yen und Anstrengungen für eine kinderfreundlichere Gesellschaft
- Wiederbelebung ländlicher Regionen durch Förderung der Landwirtschaft mittels eines "individuellen Einkommenszuschusssystems"
Die Erfüllung dieser Versprechen steht aber mindestens bis zu den nächsten Unterhauswahlen aus, da die Regierungsfähigkeit der LDP durch der Verlust der Mehrheit in der zweiten Kammer nur geringfügig beeinträchtigt wird. Beachtenswert ist allerdings die dritte Forderung, mit der die DPJ auf ländliche Wähler zielt, die durch die japanische Wahlkreisaufteilung höheres Gewicht als Stadtbewohner haben und das Rückgrat der LDP-Wählerschaft bilden. Zumindest bei der Wahl von 2007 schien diese Strategie aufzugehen: In den bevölkerungsarmen, überwiegend ländlichen Präfekturen mit nur einem Direktmandat schnitt die Demokratische Partei besser ab als in früheren Wahlen[6]. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob dies tatsächlich einen strukturellen Wandel der Wählerpräferenzen andeutet oder ob der Wahlsieg lediglich auf die skandalbedingte Schwäche der LDP zurückzuführen war.[7][8]
Ablehnung der großen Koalition
Nach dem Wahlsieg stellte die DPJ im September 2007 ihr Schattenkabinett als „nächstes japanisches Kabinett“ vor. Demnach soll Ichirō Ozawa Premierminister werden. Der einflussreiche ehemalige Parteivorsitzende Naoto Kan ist als einer seiner Stellvertreter vorgesehen. Schattenaußenminister ist Yoshio Hachiro.[9]
Im Herbst 2007 verhandelten Ozawa und Premierminister Yasuo Fukuda angesichts der neuen Mehrheitsverhältnisse (Nejire Kokkai) und dem politischen Streit über die Verlängerung des Antiterrorismusgesetzes über die Bildung einer großen Koalition, wobei ungeklärt ist, von welcher Seite die Initiative für die Gespräche ausging. Die Partei lehnte eine mögliche Zusammenarbeit mit der LDP ebenso wie das folgende Rücktrittsangebot von Ozawa ab. Seit dem Scheitern der Initiative hat die DPJ ihre Oppositionsarbeit intensiviert, bemüht sich Regierungsinitiativen im Parlament zu verzögern und drängt auf vorzeitige Neuwahlen.
Parlamentsfraktionen
Die DPJ-Fraktion (民主党・無所属クラブ, Minshutō – Mushozoku Kurabu; DPJ/Unabhängiger Klub) im Unterhaus hat 114 Mitglieder (Stand: April 2008). Im Oberhaus existiert eine gemeinsame Fraktion (民主党・新緑風会・国民新・日本, Minshutō – Shinryokufūkai – Kokumin Shin – Nippon; DPJ/Shinryokufūkai/Neue Volkspartei/Neue Partei Japan) mit 120 Mitgliedern, Fraktionsvorsitzender ist dort Tadamasa Kodaira.
Faktionen
Auch wenn der Faktionalismus in der DPJ nicht so fest gefügt ist wie in der LDP, sind auch die Abgeordneten der DPJ in Faktionen organisiert, die sich oft aus gemeinsamer politischer Herkunft vor der Parteigründung ergeben. Im Vergleich zur LDP fluktuieren die Grenzen zwischen den Faktionen stärker und ein Abgeordneter kann auch Mitglied mehrerer Gruppierungen gleichzeitig sein. Dementsprechend verhalten sich die Faktionen bei politischen Entscheidungen und Abstimmungen auch seltener als geschlossenen Blöcke. Die Faktionen der DPJ sind:
- Isshinkai (一新会, dt. „Erneuerungsrat“), Ozawa-Gruppe von Anhängern des Parteivorsitzenden (Ozawa selbst gehört nicht dazu) bestehend aus ehemaligen Mitgliedern der Liberalen Partei
- Minshakyōkai (民社協会, dt. „Demokratisch-Sozialistische Gesellschaft“), Kawabata-Gruppe unter dem Abgeordneten Tatsuo Kawabata aus Mitgliedern der ehemaligen Demokratischen Sozialistischen Partei (民社党, Minshatō), einem Shinshintō-Vorläufer
- Seiken Senryaku Kenkyūkai (政権戦略研究会, dt. „Forschungsrat für politische Strategie“), Hata-Gruppe unter dem ehemaligen Premierminister Tsutomu Hata
- Seiken Kōtai o Jitsugen suru Kai (政権交代を実現する会, dt. „Versammlung zur Umsetzung eines Politikwechsels“), Hatoyama-Gruppe unter dem ehemaligen Parteivorsitzenden Yukio Hatoyama
- Shishi no Kai (志士の会, dt. „Versammlung der Patrioten“), Noda-Gruppe unter dem Unterhausabgeordneten Yoshihiko Noda
- Ryōunkai (凌雲会, dt. „Über-den-Wolken-Rat“), Maehara-Gruppe des ehemaligen Parteivorsitzenden Seiji Maehara
- Kuni no Katachi Kenkyūkai (国のかたち研究会, dt. „Forschungsrat für den Zustand des Landes“), Kan-Gruppe unter dem ehemaligen Parteivorsitzenden Naoto Kan
- Liberal no Kai (リベラルの会, Riberaru no Kai, dt. „Versammlung der Liberalen“), Gruppe um die Unterhausabgeordneten Hideo Hiraoka und Shōichi Kondō
- Shinseikyoku Kondankai (新政局懇談会, dt. „Beratungsgremium für eine neue politische Situation“), Yokomichi-Gruppe um den Abgeordneten Takahiro Yokomichi bestehend aus ehemaligen Sozialdemokraten/Sozialisten
Die offiziellen Namen der Faktionen sind ähnlich sinnfrei wie bei der konkurrierenden LDP; allerdings drückt die Mitgliedschaft in den Faktionen wegen des breiten politischen Spektrums der DPJ – es reicht von ehemaligen Sozialisten wie Naoto Kan oder Takashi Yonezawa bis zu konservativen ehemaligen Mitgliedern der LDP wie Seiji Maehara oder dem Vorsitzenden Ichirō Ozawa – in stärkerem Maße gemeinsame politische Positionen aus als bei der LDP.
Führungsstruktur
Parteivorsitzende
„alte“ DPJ (1996–1998)
- Naoto Kan, Yukio Hatoyama (Co-Vorsitz) Sep. 1996–Sep. 1997
- Naoto Kan Sep. 1997–Apr. 1998
„neue“ DPJ (1998–)
- Naoto Kan Apr. 1998–Sep. 1999
- Yukio Hatoyama Sep. 1999–Dez. 2002
- Naoto Kan Dez. 2002–Mai 2004
- Katsuya Okada Mai 2004–Sep. 2005
- Seiji Maehara Sep. 2005–Apr. 2006
- Ichirō Ozawa Apr. 2006
Parteivorstand
Wichtige Positionen im Parteivorstand neben dem Parteivorsitzenden sind
- die „amtierenden Parteivorsitzenden“ (代表代行, daihyō daikō; seit 2007: Naoto Kan, Azuma Koshiishi),
- der Generalsekretär (Yukio Hatoyama),
- der Vorsitzende des politischen Forschungsausschusses (政策調査会, seisaku chōsakai; Masayuki Naoshima) und
- der Vorsitzende des Komitees für Parlamentsangelegenheiten (国会対策委員会, Kokkai Taisaku Iinkai; Kenji Yamaoka).
Daneben gehören zum Vorstand unter anderem die „höchsten Berater“ (saikō komon; Tsutomu Hata, Kōzō Watanabe, Hirohisa Fujii), sieben stellvertretende Parteivorsitzende, die Vorsitzenden des Wahlkampfausschusses und des Exekutivrats und elf regionale Verantwortliche organisiert nach den Verhältniswahlblöcken im Unterhaus.[10]
Weblinks
- Offizielle Website (Japanisch, Englisch)
Quellen
- ↑ 政党交付金使途等報告書,平成19年 9月14日公表(平成18年分 定期公表):民主党
- ↑ Financial Times, 16.02.06: New twist in Livedoor scandal touches Koizumi (engl.)
- ↑ BBC News, 31.03.06: Japan opposition leader resigns (engl.)
- ↑ bpb. Fischer Weltalmanach 2007. Länderprofil Japan.
- ↑ BBC News, 07.04.05: Japanese opposition picks leader (engl.)
- ↑ Resultate der Einerwahlkreise 2001, 2004 und 2007 bei asahi.com
- ↑ Financial Times, 30.07.2007: Japan’s election was won by default (engl.)
- ↑ Power and Interest News Report, 07.08.07: Intelligence Brief: Japan's Foreign Policy After the Elections (engl.)
- ↑ Vollständiges DPJ-Schattenkabinett auf der offiziellen Website
- ↑ DPJ Standing Officers Council
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