Modena Team

Modena Team

Modena Team war der Name eines Formel-1-Rennstalls aus Modena in Italien, der von Lamborghini Engineering betrieben und in der Saison 1991 bei der Formel-1-Weltmeisterschaft eingesetzt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Die Hintergründe

Das Projekt GLAS

Lamborghini Engineering, eine für Formel-1-Aktivitäten zuständige Tochter des italienischen Sportwagenherstellers Lamborghini, hatte 1988 einen Saugmotor mit zwölf Zylindern entwickelt, der ab 1989 an verschiedene Kundenteams in der Formel 1, darunter Larrousse und Team Lotus, geliefert wurde. Im Laufe des Jahres 1989 hatte der mexikanische Geschäftsmann Fernando Garcia Luna bei Lamborghini Engineering die Entwicklung eines Formel-1-Chassis in Auftrag gegeben, das er in einem mexikanischen Team unter dem Namen GLAS (Gonzales Luna & Associados) ab 1991 in der Formel 1 einsetzen wollte. Lamborghini Engineering erarbeitete ein Chassis mit der Bezeichnung Lambo 290, das beim Großen Preis von Mexiko 1990 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Bevor es zu weiteren Arbeiten kommen konnte, zog sich Gonzales Luna ohne vorherige Vergütung der geleisteten Arbeit zurück. Lamborghini Engineering wurde mit einem weit entwickelten Chassis zurückgelassen.

Der Aufbau des Modena Teams

Im Sommer 1990 entschlossen sich Lamborghini Engineering und der Mutterkonzern Chrysler Corporation, das Chassis-Projekt auf eigene Rechnung fortzusetzen. Es war nicht beabsichtigt, das Chassis einem (möglicherweise bestehenden) fremden Rennstall zur Verfügung zu stellen, etwa in der Art, wie es Lola Cars mit dem Team Larrousse tat; vielmehr wollte Lamborghini Engineering ein eigenes Formel-1-Team aufbauen und den Renneinsatz selbst durchführen.

Leiter des Rennstalls wurde der italienische Unternehmer Carlo Patrucco (nach anderen Quellen – unrichtig – Paolo Patrucco), der in den 1980er-Jahren Präsident des Sportbekleidungsherstellers Fila gewesen und zu dieser Zeit Vizepräsident des italienischen Industrieverbandes war. Patrucco investierte erhebliche Geldbeträge in das Projekt und leistete ein wenig organisatorische Hilfe. Die mit dem Rennsport verbundenen Fragen entschied allerdings bereits in diesem frühen Stadium weitestgehend Mauro Forghieri, der technische Direktor von Lamborghini Engineering. Teammanager waren in der Vorbereitungsphase die bei Lamborghini Engineering beschäftigten Ingenieure Marco Tollentino und Augusto Bovati. Für das Jahr 1991 wurde diese Aufgabe allerdings Jaime Manca Graziadei übertragen, der zuvor Rennleiter bei Minardi war. Übereinstimmende Aussagen mehrerer Beteiligter belegen jedoch, dass Mauro Forghieri die wesentlichen Entscheidungen selbst traf und die Rolle Graziadeis weitgehend beschränkt war.

Das Rennsportteam nahm im August 1990 seinen Betrieb auf. Die Bezeichnung des Teams gab Anlass zu Irritationen. Überraschend hatte man nicht den prestigeträchtigen Namen Lamborghini gewählt, sondern den Rennstall Modena Team genannt. Hintergrund hierfür waren Unsicherheiten über die sportlichen Erfolgsaussichten des Teams. Geringe oder ausbleibende Erfolge hätten möglicherweise den Ruf des Namens Lamborghini beschädigt, sodass zunächst ein neutraler Name bevorzugt wurde. Nach Aussage von Carlo Patrucco war für den Fall des Erfolgs eine spätere Umbenennung des Teams unter Verwendung des Namens Lamborghini geplant. Die Medien griffen diesem Schritt indes vielfach vor. In mehreren Berichten wurde das Team schon 1991 unrichtig als „Lambo Formula“ oder auch als „Lamborghini“ bezeichnet. Das Modena Team leistete allerdings einen Beitrag hierzu, indem es das einzusetzende Rennauto offiziell als „Lambo 291“ bezeichnete.

Der Lambo 291

Der Formel-1-Motor von Lamborghini Engineering

Für die Weltmeisterschaft 1991 meldete das Modena Team einen Rennwagen mit dem Namen „Lambo 291“. Es war eine geringfügig weiterentwickelte Version des Fahrzeugs, das im Juni 1990 für GLAS präsentiert worden war. Die Entwicklungsarbeit hatten Mauro Forghieri sowie Marco Tollentino geleistet. Letzterer hatte 1984 und 1985 die letzten Formel-1-Autos für Alfa Romeo Motorsport entworfen und war von 1988 bis 1989 bei EuroBrun tätig gewesen. Der Lambo 291 war ein schlankes Auto, dessen auffälligste Merkmale niedrige, halbkreisförmige Seitenkästen waren, die zahlreiche abgerundete und teilweise offen liegende Kühlerflächen trugen. Dem von Tyrrell gesetzten Trend einer hohen Frontpartie mit darunter hängendem Frontflügel war Mauro Forghieri nicht gefolgt; stattdessen hatte der Lambo 291 eine konventionelle, steil abfallende Nase. Hier machte sich bemerkbar, dass das Grundkonzept des Wagens noch aus dem späten Jahr 1989 stammte und seitdem nicht mehr umfangreich modifiziert worden war. Als Triebwerk war der Zwölfzylinder von Lamborghini Engineering installiert, den in dieser Saison außerdem das französische Team Automobiles Ligier einsetzte.

Der Prototyp war im Sommer 1990 fertiggestellt und wurde wenig später in Imola von dem italienischen Rennfahrer Mauro Baldi getestet, der seinen letzten Formel-1-Einsatz bereits 1985 für das Team Spirit hatte. Weitere Testfahrten unternahm Marco Apicella, der 1990 in erster Linie bei First Racing in der Formel 3000 aktiv war.

Die Saison 1991

Das Modena Team meldete für die Saison 1991 Nicola Larini und Eric van de Poele als Fahrer. Larini verband nach zwei Jahren bei Osella mit dem Wechsel die Hoffnung auf ein konkurrenzfähigeres Team; für den Belgier van de Poele hingegen, der eine Reihe nationaler Sponsoren mitbrachte, war es die Möglichkeit, nach Jahren im Tourenwagensport und in der Formel 3000 einen Einstieg in die Formel 1 zu finden. Beide Fahrer unterlagen der Vorqualifikation, wo sie mit Coloni, Fondmetal, Jordan Grand Prix und Dallara/BMS Scuderia Italia konkurrierten. Die Erwartungen an das neue Team waren hoch; denn einerseits gehörte der Lamborghini-Motor zu den stärksten Triebwerken im Feld, andererseits hatte das französische Team Larrousse, das seinerzeit einen Lamborghini-Motor einsetzte, die zurückliegende Saison 1990 als Sechster der Konstrukteursmeisterschaft abschließen und dabei unter anderem einen Podiumsplatz durch Aguri Suzuki erreichen können.

Beim Auftaktrennen der Saison 1991 in Phoenix schaffte Larini die Vorqualifikation und erreichte den 17. Startplatz, wodurch er beide Ligier, die mit dem gleichen Motor ausgestattet waren, deutlich hinter sich ließ. Larini konnte das erste Rennen beenden und kam als Siebter ins Ziel, wenn auch mit fünf Runden Rückstand auf den Sieger Ayrton Senna. Van de Poele konnte sich nicht vorqualifizieren. Er war mit einem Rückstand von 15 Sekunden Letzter der Vorqualifikation, wobei ihm drei Sekunden auf den Vorletzten (Olivier Grouillard im Fondmetal) fehlten.

Larinis siebter Platz im Auftaktrennen sollte zugleich das beste Resultat sein, das das Modena Team in der Saison erreichte. In den weiteren sieben Rennen bis einschließlich des Großen Preises von England konnte sich Larini sechsmal nicht vorqualifizieren; dabei betrugen seine Rückstände auf die spätere Pole-Zeit zwischen sechs und neun Sekunden. Das reichte üblicherweise lediglich aus, um Pedro Matos Chaves im Coloni hinter sich zu lassen. Beim Großen Preis von Mexiko fuhr Larini eine Zeit heraus, mit der er die Vorqualifikation bestanden hätte (nicht hingegen die eigentliche Qualifikation); allerdings wurde er wegen technischer Unregelmäßigkeiten am Auto vom Rennen ausgeschlossen.

Eric van de Poele konnte sich in der ersten Hälfte der Saison siebenmal nicht vorqualifizieren. Eine Ausnahme war der Große Preis von San Marino, bei dem er vom 21. Platz startete. Das Rennen verlief für das Team weitestgehend erfreulich, endete aber fatal. In der letzten Runde lag van de Poele auf dem fünften Platz, der seinem Team wertvolle WM-Punkte beschert hätte. Kurz vor dem Zieldurchlauf fiel allerdings die Benzinpumpe aus, sodass der Lambo in Sichtweite der Ziellinie liegen blieb. Die nachfolgenden Autos zogen an van de Poele vorbei; der Belgier wurde als Neunter gewertet.

Die Resultate der ersten Saisonhälfte – ein siebter und ein neunter Platz – reichten aus, um das Modena Team für die zweite Saisonhälfte von der Vorqualifikation zu befreien. Das nutzte Eric van de Poele nichts; in keinem der verbleibenden acht Läufe gelang es ihm, sich zu qualifizieren. Larini gelang dies viermal, und zwar beim Großen Preis von Deutschland, beim Großen Preis von Ungarn, beim Großen Preis von Italien sowie beim Großen Preis von Australien. Die Ergebnisse waren allerdings nicht tragfähig. In Deutschland ging er als 24. ins Rennen, schied aber bereits nach fünf Runden infolge eines Drehers aus. Auf dem Hungaroring lief er vom selben Startplatz aus als 16. mit drei Runden Rückstand ins Ziel. In Monza erreichte er den 23. Startplatz und wurde wiederum 16., diesmal mit fünf Runden Rückstand. Es war die letzte Zielankunft eines Wagens des Modena Team. In Adelaide schließlich schaffte Larini zwar noch den 18. Startplatz, kollidierte aber im Regen früh mit Jean Alesi und Michael Schumacher, woraufhin alle drei ausfielen.

Im Ergebnis war die Saison für das Modena Team enttäuschend verlaufen. Nicola Larini gab einige Jahre später in einem Interview mit auto motor und sport an, der Lambo 291 sei ein nahezu unfahrbares Auto gewesen. Gewichtsverteilung, Spurstabilität und Erschütterungsanfälligkeit hätten das Handling ausgesprochen schwierig gemacht. Zudem habe der Leichtbau des Wagens ein erhebliches Sicherheitsrisiko dargestellt. Larini sei froh gewesen, nach dem letzten Rennen 1991 nicht mehr in dieses Auto steigen zu müssen.

Der Teammanager Jaime Manca Graziadei machte einen erheblichen Mangel an Organisation für den erfolglosen Verlauf der Saison verantwortlich. Die Saison sei chaotisch verlaufen: „Es gab nicht sehr viel Organisation, abgesehen davon, was Mauro Forghieri dafür hielt. Er gab kaum jemand anderem eine Chance, Einfluss auf die Entwicklung des Teams zu nehmen.“

Planungen für die Saison 1992

Abgesehen von organisatorischen Defiziten litt das Team seit Sommer 1991 erheblich an finanziellem Mangel. Gleichwohl gab es Planungen für die Saison 1992. Die Überlegungen sahen vor, dass sich das Modena Team weitgehend von Lamborghini Engineering unabhängig machen sollte. Dementsprechend gingen Überlegungen dahin, ein etwaiges neues Chassis nicht mehr von Lamborghini Engineering bzw. von Mauro Forghieri entwickelt zu lassen. Vielmehr nahm Carlo Patrucco im Oktober 1991 Kontakt zu dem selbstständigen Designer Sergio Rinland auf, der in Großbritannien ein Designbüro mit dem Namen Astauto unterhielt und dort das Auto für 1992 entwerfen sollte. Es war sogar im Gespräch, für 1992 statt des Lamborghini-Motors ein Triebwerk von Judd zu verwenden. Als im Spätsommer die finanziellen Mittel immer knapper wurden, war schließlich sogar eine Fusion mit dem Team von Enzo Coloni im Gespräch.

Zu all dem kam es nicht; das Modena Team wurde Ende 1991 mit einem hohen Schuldenberg geschlossen und liquidiert.

Literatur

  • Adriano Cimarosti: Das Jahrhundert des Rennsports. 1. Auflage, Stuttgart 1997, ISBN 3-613-01848-9.
  • Patrice Burchkalter und Jean-Francois Galeron: Tout sur la Formule 1 1991. Surrèsnes 1991, ISBN 2-87636-067-5 (französisch)
  • David Hodges: Rennwagen von A-Z nach 1945. 1. Auflage, Stuttgart 1993
  • Lamborghini. Alle Modelle bis heute. Motorbuch Verlag, 1988, ISBN 3-613-01231-6
  • Lamborghini Sportwagen nach 1964. Typenkompass. Motorbuch Verlag, 2006, ISBN 3-613-02645-7
  • Lamborghini. Die Geschichte der Supersportwagen aus Sant'Agata. Anthony Pritchard, Heel, ISBN 3-89880-574-3

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