Moitessier

Moitessier
Stand des Golden Globe Race am 10. April 1969, nach Moitessiers Abbruch: Knox-Johnston jetzt mit großem Vorsprung, Moitessier im Indischen Ozean
Die Segeljacht Joshua unter Segeln 2006

Bernard Moitessier (* 10. April 1925 in Hanoi, Vietnam; † 16. Juni 1994 bei Paris, Frankreich) war ein französischer Segler und Publizist. Als vordergründig herausragende Tat umsegelte er als Teilnehmer des Sunday Times Golden Globe Race in den Jahren 1968 und 1969 von Europa aus als erster Mensch die Antarktis einhand und nonstop. Dies wird aber offiziell nicht als Weltumsegelung anerkannt, da Moitessier dabei den Äquator nur einmal, nach seinem Start aus England, überquerte, aber in einer anderthalbfachen Erdumrundung ausschließlich auf der Südhalbkugel weiter nach Tahiti segelte. Wegen des großen Medieninteresses, und seiner Buchveröffentlichungen dazu, trug er unbewusst und gegen sein persönliches Interesse erheblich dazu bei, das Einhandsegeln und den Segeltourismus öffentlich und bekannt zu machen.

Inhaltsverzeichnis

Marie Therese

Als seine Familie zu Begin des Indochinakriegs Vietnam verließ, bleib Bernard Moitessier in der Region, zunächst als französischer Marinesoldat, gab Sprachunterricht und arbeitete als Seemann auf Frachtsegeldschunken. So kam er nach Indonesien und erwarb dort 1952 die kleine Dschunke Marie Therese, mit der er langsam nach Frankreich segeln wollte. Sein erstes Ziel waren die über 3000 sm entfernten Seychellen. Zur Navigation hatte er lediglich einen Kompaß als Kurskontrolle und einen Sextanten zur Bestimmung der Mittagsbreite, aber keinen Chronometer zur Bestimmung des Längengrades oder ein Radio, mit dessen Zeitzeichen er seinen Blechwecker hätte korrigieren können. So wußte er nach insgesamt 85 Tagen auf See nicht einmal ungefähr, wo er sich befand. Seiner Meinung nach verfügte er jedoch über ausreichendes Wissen und Können, um sich mit Hilfe anderer Informationen zu orientieren (Landvögel, Wolkenbildung, totes Seegras, Wasserfarbe, Flachwasserfische). Bei dem Versuch, den Chagos-Archipel als Kontrollpunkt für seine Positionsschätzung in Sichtweite zu passieren, strandete er zufällig, unerwartet und viel zu früh am 14. September 1952 auf Diego Garcia und erlitt Schiffbruch. Er wähnte sich wesentlich weiter östlich.

Marie Therese II

Da Chagos militärisches Sperrgebiet war, wurde er von einem Kriegsschiff nach Mauritius deportiert. Dort hielt er Reisevorträge, produzierte Holzkohle und betrieb Unterwasserjagd mit einer Harpune. Im Januar 1953 überlebte er einen Haiangriff schwer verletzt und erlangte über die Berichterstattung darüber lokale Berühmtheit. Dadurch wurde ihm eine leitende Funktion in einem Fischereibetrieb angeboten, was ihm Einkommen und die Finanzierung eines neuen Bootes ermöglichte. Er baute es mit Hilfe von Freunden aus Abfallholz und anderem Material, das er günstig erwerben konnte. Am 2. November 1955 verließ er Mauritius Richtung Südafrika, wo er sich mit Gelegenheitsarbeiten und kleinen Gaunereien durchschlug, segelte jedoch weiter, sobald er wieder flüssig war. Über Sankt Helena und Ascension erreichte er Anfang März 1958 Trinidad in den Kleinen Antillen. Nach einigen Fahrten zwischen den Inseln erlitt er bei der Insel St. Vincent im April 1958 erneut einen Schiffbruch unter widrigen Bedingungen (Zeitdruck, Übermüdung, schlechtes Wetter, Nacht, unsicherer Standort), die er jedoch selbst zu verantworten hatte. Es lag in seiner Hand unter diesen zu erwartenden Bedingungen nicht auszulaufen.

Joshua

Durch glückliche Umstände gelangte er über Hamburg nach Frankreich, wo er neben Gelegenheitsarbeit seine Geschichte in dem Buch Le Vagabond des mers du sud (deutsch: Vagabund der Meere, 1976) aufschrieb und 1960 veröffentlichte. Sein lebhafter Erzählstil über seine nautischen und menschlichen Abenteuer sowie die Vielzahl an fundierten Fachinformationen bescherten dem Buch einen ungeahnten Erfolg und ihm eine mittelfristig sprudelnde Einnahmequelle. Trotz seiner zwei Schiffbrüche galt er in Frankreich als populärer Segelexperte und Ratgeber, was er auch finanziell durch eine rege Vortrags- und Schreibtätigkeit ausnutzte.

Zu dieser Zeit zeichnete sich ab, dass der klassische Holzbootsbau die steigende Nachfrage nach Freizeityachten nicht würde befriedigen können. Kunststoffboote waren noch nicht erprobt und Stahl war unpopulär. In dieser Situation trat 1961 die Werft META aus Tarare (Frankreich) an Moitessier heran mit einer neuen Methode, gefällige Stahlboote zu bauen, und dem Angebot, ihm ein Stahlschiff nach seinen Wünschen zum Materialpreis zu bauen. Moitessiers Popularität war geeignet, für die Werft als Testimonial aufzutreten. 1962 wurde Joshua fertiggestellt und Moitessier gab zwei Sommer lang Segel- und Navigationskurse im Mittelmeer.

Am 20. Oktober 1963 startete er zusammen mit seiner Frau Francoise von Marseille zu einer Weltumseglung, auf der die beiden jedoch zu sehr trödelten. Auf Tahiti angekommen stellten sie im Oktober 1965 fest, dass sie in zwei Jahren erst ein Drittel der Weltumseglung geschafft hatten und bereits ein Jahr hinter ihrem Zeitplan waren. Sie sollten jedoch zu den Sommerferien 1966 wegen der drei Kinder wieder in Frankreich sein. Es war klar, daß sie nicht die Disziplin aufbringen würden, die nächsten 20000 sm im „schönsten Teil der Welt“ in nur neun Monaten durchzuhetzen. Umzukehren und gegen die Passatwinde zu segeln war aber noch aussichtsloser. Es blieb nur der Weg um Südamerika herum, um Kap Hoorn, etwa 14000 sm ohne jede Pause. Eine solche Reise war ohne Beispiel, obwohl es schon genug gescheiterte Versuche für vergleichbare Reisen um Kap Hoorn, aber nicht so lang, gab.

Sie brachen am 23. November 1965 auf und erreichten nach abenteuerlicher Fahrt in 126 Tagen am 29. März 1966 Alicante in Spanien. Das war zu diesem Zeitpunkt mit 14216sm die längste Reise einer Segelyacht. Der Bericht darüber erschien 1966 im Buch Cap Horn à la voile (deutsch: Kap Horn, der logische Weg, 1974) und wurde ein noch größerer Erfolg.

Golden Globe Race

Nachdem Francis Chichester 1967 mit seiner Einhandweltumseglung mit nur einem Stop in Sydney neue Maßstäbe setzte, verabredete sich Moitessier mit Freunden zu einem gemeinsamen Versuch, die Erde ohne einen Stop zu umsegeln. Chichesters Definition fand dabei allgemeine Zustimmung (den eigenen Kurs kreuzen, dazwischen jeden Längengrad wenigstens einmal in die gleiche Richtung kreuzen und den Äquator wenigstens zweimal kreuzen (Weltumrundung)). Ebenfalls von Chichesters Reise inspiriert, aber unabhängig von Moitessier, wand sich Robin Knox-Johnston an die Britische Zeitung Sunday Times mit der Bitte, ihm die erste britische Nonstop-Einhand-Weltumseglung zu finanzieren. Als bekannt wurde, daß neben Knox-Johnston noch andere eine solche Reise planen, schrieb der Verlag einen Wettbewerb aus, legte Regeln fest und stiftete zwei Preise: einen Ehrenpreis für denjenigen, der als erster zurück ist und einen sehr hohen Geldpreis (£ 5000, entspricht etwa 95000 € (2008)) für die kürzeste Reisezeit. Wegen einer Reihe von Nebenbedingungen musste der Erste nicht auch der Schnellste sein, da ein Startfenster von fünf Monaten festgelegt wurde. Moitessier lehnte das kommerzielle Projekt aus ethischen und seemännischen Gründen ab, konnte letztlich aber doch zur Teilnahme bewegt werden. Als erfahrenster Segler mit dem erprobtesten Schiff galt er als Favorit für beide Preise zumal das Ankommen die Conditio sine qua non war.

Als Hauptkonkurrent galt Robin Knox-Johnston. Er startete bereits am 14. Juni 1968 mit einem wesentlich kleineren Boot. Moitessier folgte 69 Tage später am 22. August, was wegen unterschiedlicher Schiffe und Strategien kein Nachteil sein musste, insbesondere weil frühe Starter auf wesentlich härtere Wetterbedingungen stoßen würden und ein Scheitern riskierten. Moitessier segelte mit dem größeren Boot etwa 25% schneller als Knox-Johnston. Davon wussten jedoch beide nichts, da weder Moitessier noch Knox-Johnston ein Funkgerät an Bord hatte, um die Position regelmäßig mitzuteilen, oder realistische Möglichkeiten hatte, sich seinerseits über den Stand im Rennen zu informieren. Nachdem er die gefährlichen antarkischen Gewässer gemeistert hatte und „nur noch“ zu seinem Starthafen Plymouth zurücksegeln musste, kamen ihm Anfang Februar 1969 Zweifel über das, was ihn am Ziel erwartete. Bei Erfolg glaubte er über Jahre von einem sich selbst korrumpierenden System (der Mammon, der den „Falschen Göttern“ Europas huldigt) vereinnahmt zu werden, ohne Chance, sich in seine geliebte Südsee zurückziehen zu können. Bei Misserfolg würde das gleiche System ihn direkt verdammen. Angesichts dieses Dilemmas gab er auf und segelte direkt weiter nach Tahiti, wo er vier Monate später, am 21. Juni 1969, ankam. Er hatte etwa 40000 sm nonstop zurückgelegt (wenigstens 37000 sm, den genauen Wert hat Moitessier nie veröffentlicht) und dabei über 620 Längengrade gekreuzt. Das war zu dieser Zeit die weiteste Seereise ohne jeglichen Landkontakt, die je von einem Schiff nachweislich ausgeführt wurde. Es gibt jedoch weder für motorgetriebene Handels- noch für Kriegsschiffe eine Motivation, derartig lange Strecken zu bewältigen, so dass bis heute (2008) Rekordverbesserungen nur von ambitionierten Segelbooten zu erwarten sind. Alle bisherigen (2008) Versuche einer doppelten (Einhand-) Nonstop-Weltumseglung sind gescheitert.

Es gab und gibt viele Spekulationen, ob Moitessier in der Lage gewesen wäre, Knox-Johnston noch zu überholen. An Kap Hoorn hatte er 20 Tage Rückstand und ca. 7500 sm vor sich. Knox-Johnston sollte für diese Strecke 95 Tage benötigen, Moitessier würde aber mit Sicherheit weniger als 75 Tage brauchen, da ein Etmal von 100 sm für sein Boot leicht zu schaffen war. Aber er hätte erst einmal ankommen müssen.

Nach dem Rennen

Moitessier schrieb auch über diese Reise ein Buch, La longue route (deutsch: Der verschenkte Sieg, 1974). Trotz Ächtung durch das Establishment – in Frankreich galt er zunächst als fahnenflüchtiger Verräter, der den Engländern einen Sieg überlassen hatte – wurde es ebenfalls ein Erfolg. Es ist auch für Laien eine spannend zu lesende Erzählung und in seinem zweiten Teil Dokument einer menschlichen Tragödie. Seinen besonderen Wert erhält es jedoch durch die Rekrutierung des Lesers als imaginäres Besatzungsmitglied und Vertrauten des Autors sowie seinen Anhang, in dem seemännisches Detailwissen, persönliche Erfahrung und strategische Navigation auf wenigen Seiten komprimiert wird. Zusammen mit den Vorwerken wird ein Schatz an prakischer Seemannschaft offenbart. Auch wenn vieles vom technischen Fortschritt überholt wurde, bleibt es bei dessen Beurteilung doch der Maßstab. Seine Bücher gelten als absolute Pflichtlektüre für Hochseesegler und andere Segelinteressierte, da sie Aspekte des Segelns thematisieren, die man in keiner Segelschule lernen kann.

Über sein Leben in der Südsee sind nur sporadische Informationen bekannt, da es sein Ziel war, „in Frieden zu leben“. Er wurde jedoch von vielen Globetrottern erkannt und in ihren Berichten erwähnt. So soll er Ende der 70er Jahre auf den Tuamotus gelebt haben. Von Geldnot getrieben segelte er um 1980 in die USA mit der Idee einer Vortragsreise, die jedoch nicht den gewünschten Erfolg hatte.

Auf dem Rückweg in die Südsee nahm er als zahlenden Gast den Schauspieler Klaus Kinski mit. Am Ankerplatz vor Cabo San Lucas wurden beide am 8. Dezember 1982 von einem Sturm überrascht und die Joshua wurde mit vielen anderen Yachten auf die Felsen getrieben, was für Moitessier in der Situation einem Totalschaden gleichkam. Er soll sie den Helfern geschenkt haben, die sie wieder freigeschleppt haben. Später wurde sie von Gönnern restauriert und liegt seit 1990 im Hafen des Marinemuseums von La Rochelle. Sie kann für Tagesausflüge gechartert werden.

1984 ließ er eine neue Yacht bauen, mit der er jedoch nur kurz fuhr. Ab 1985 lebte er in Paris, wo er noch einige Zeit als Schriftsteller tätig war. Veröffentlichungen in deutscher Sprache sind nicht bekannt (2008).

Bernard Moitessier starb 1994 in der Nähe von Paris an Krebs; eine Mitteilung seines deutschen Verlags Delius Klasing präzisierte Magenkrebs. Auf seinen Wunsch hin wurde er im bretonischen Dorf Le Bono bei Auray am Golf von Morbihan, begraben.

Literatur

Auf deutsch sind folgende Werke erschienen:

  • Vagabund der Meere (frz. Le Vagabond des mers du sud), antiquarisch
  • Kap Horn, der logische Weg (frz. Cap Horn à la voile), antiquarisch
  • Der verschenkte Sieg (frz. La longue route), Verlag Delius Klasing
  • Weite Meere, Inseln und Lagunen (posthum) (frz. Voile, mers lointaines, iles et lagons), Verlag Delius Klasing
  • Véronique Lerebours: Begegnungen mit Bernard Moitessier (frz. Bernard Moitessier au fil des rencontres), Verlag Delius Klasing

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