Nanger

Nanger
Gazellen
Thomson-Gazelle (Eudorcas thomsonii)

Thomson-Gazelle (Eudorcas thomsonii)

Systematik
Ordnung: Paarhufer (Artiodactyla)
Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia)
Familie: Hornträger (Bovidae)
Unterfamilie: Gazellenartige (Antilopinae)
ohne Rang: Gazellen
Gattungen
  • Eudorcas
  • Gazella
  • Nanger

Die Gazellen (von arabischغزال‎ (ġazaal)) sind im engeren Sinne eine Gruppe von Hornträgern (Bovidae), die hauptsächlich in den Savannen und Wüstenregionen Afrikas und Asiens verbreitet sind. Diese Gruppe umfasst rund 15 Arten, die heute in drei Gattungen (Eudorcas, Gazella und Nanger) geführt werden. Im weiteren Sinne wird manchmal auch die gesamte Unterfamilie der Gazellenartigen als Gazellen bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Gazellen sind schlank gebaute, langbeinige Tiere. Sie erreichen Kopfrumpflängen von 85 bis 170 Zentimetern, wozu noch ein 15 bis 30 Zentimeter langer Schwanz kommt. Die Schulterhöhe liegt zwischen 50 und 110 Zentimeter und das Gewicht zwischen 12 und 85 Kilogramm. Das Fell ist an der Oberseite und an den Flanken gelblich-grau bis braun gefärbt, die Unterseite ist weiß. Bei vielen Arten erstreckt sich am Rumpf entlang ein schwarzer Streifen, der von einem darüberliegenden hellen Streifen begleitet wird.

Üblicherweise haben beide Geschlechter Hörner, wenn auch die der Weibchen kürzer und zierlicher sind - lediglich bei der Kropfgazelle haben nur die Männchen Hörner. Die Hörner sind durchschnittlich 25 bis 35 Zentimeter lang.

Verbreitung und Lebensraum

Das Verbreitungsgebiet der Gazellen umfasst ganz Afrika (ohne Madagaskar) und weite Teile Asiens (von der Arabischen Halbinsel bis in das nördliche Indien und das nördliche China). Ihr Lebensraum sind trockene, offene Regionen meistens Grassteppen, bei manchen Arten auch Wüsten und Halbwüsten.

Lebensweise

Die weiblichen Gazellen leben mit ihren Jungen in Herden einer Größe von zehn bis dreißig Tieren; allerdings kann die Herdengröße in den afrikanischen Savannen auch Hunderte oder gar Tausende von Einzeltieren umfassen. Männliche Gazellen leben in den ersten Lebensjahren in eigenen Junggesellenherden, ehe sie territorial werden. Dann beanspruchen sie alle Weibchen, die ihr Revier betreten, das sie gegen konkurrierende Männchen verteidigen.

Alle Gazellen sind schnelle Läufer, die über längere Zeit Geschwindigkeiten von 50 km/h durchhalten können. Von der Thomson-Gazelle sind sogar Spitzengeschwindigkeiten von 80 km/h bekannt.

Gazellen sind Pflanzenfresser, die sich von verschiedenen Gräsern und Kräutern ernähren.

Arten

Die innere Systematik und die genaue Artenanzahl der Gazellen ist nicht restlos geklärt. Moderne Systematiken teilen die Gazellen in drei Gattungen (Gazella, Eudorcas und Nanger) und unterscheiden 16 Arten (die folgende Systematik folgt Wilson & Reeder, 2005):

Rotstirngazelle

Rotstirngazelle

Die Rotstirngazelle (Eudorcas rufifrons) ist in den Savannen Westafrikas verbreitet. Ihr Fell ist hellbraun, mit einem schmalen, schwarzen Flankenstreifen. Namensgebend ist ein rotbrauner Fleck auf der Stirn. Als eine Unterart der Rotstirngazelle wird die Heugelin-Gazelle (G. r. tilonura) im äthiopisch-sudanesischen Grenzgebiet angesehen. Manchmal gilt die Rotstirngazelle als Unterart der Thomsongazelle.

Algerische Gazelle

Die Algerische Gazelle (Eudorcas rufina) ist ausgestorben. Drei Museumsexemplare zeugen heute noch von dieser Gazelle des Atlas-Gebirges, die ein dunkelrotes Fell hatte. Die letzte Algerische Gazelle wurde wahrscheinlich 1894 geschossen.

Thomsongazelle

Von allen Gazellen ist die Thomsongazelle (Eudorcas thomsonii) am häufigsten. Sie ist in Tansania und Kenia verbreitet; isoliert vom Hauptverbreitungsgebiet lebt eine weitere Population im südlichen Sudan. Etwa 1 Million Thomsongazellen leben in der ostafrikanischen Savanne. Nach dem Streifengnu ist die Thomsongazelle das häufigste Huftier der Serengeti. Einzelne Herden bestehen oft aus mehreren tausend Tieren.

Im Ökosystem der Serengeti spielen die Gazellen eine bedeutende Rolle. Ausgewachsene Thomsongazellen erreichen Geschwindigkeiten von 60 km/h und können Angreifern oft entkommen, nicht aber dem Gepard, der der schlimmste Feind der Gazellen ist.

Die Thomsongazelle ist nach dem schottischen Afrikaforscher Joseph Thomson benannt.

Arabische Gazelle

Die Arabische Gazelle (Gazella arabica) lebte einst auf der Arabischen Halbinsel und ist heute ausgestorben. Die Unterart G. a. arabica ist nur von einem männlichen Exemplar bekannt, das um 1825 geschossen wurde und sich heute in Berlin befindet. Die Jemen-Gazelle (G. a. bilkis) - benannt nach der Königin von Saba im Koran wurde früher als eigene Art betrachtet. 1951 wurden fünf Exemplare in den Bergen nahe der Stadt Ta'izz geschossen. Die Art war zuvor unbekannt, und hiernach gab es nie wieder eine Sichtung dieser Art. Die fünf ausgestopften Exemplare befinden sich im Naturhistorischen Museum von Chicago.

Indische Gazelle

Die Indische Gazelle (Gazella bennettii) ist im südlichen Iran, in Pakistan und im nördlichen Indien verbreitet. Während sie vor allem in Pakistan sehr selten geworden ist, gibt es noch etwa 10.000 Gazellen dieser Art in indischen und iranischen Schutzgebieten.

Cuviergazelle

Die bedrohte Cuviergazelle (Gazella cuvieri) lebt nur in einigen Tälern des Atlas-Gebirges. Wenige hundert dieser Gazellen leben heute noch.

Dorkasgazelle

Die Dorkasgazelle (Gazella dorcas) galt, bevor die Tierwelt der ostafrikanischen Savannen mit den Thomson- und Grantgazellen zu großer Bekanntheit gelangte, als typische Gazelle. Ihr Verbreitungsgebiet umfasst Nordafrika südwärts bis zur Sahelzone, Israel, Libanon, Jordanien, Syrien, Irak, das westliche Saudi-Arabien und den Jemen.

Dorkasgazellen

Gazella erlangeri

Gazella erlangeri wurde früher als Unterart der Edmigazelle betrachtet. Die Art lebt im Südwesten der Arabischen Halbinsel.

Edmigazelle

Die Edmigazelle (Gazella gazella) hatte einst eine weite Verbreitung von Ägypten über Vorderasien bis auf die Arabische Halbinsel. Man unterscheidet fünf bis sechs Unterarten, von denen zwei gefährdet und drei in unterschiedlichem Maße bedroht sind:

  • Arabische Berggazelle (G. g. cora) in Saudi-Arabien und Oman; ausgestorben in Jemen. Etwa 10.000 Tiere leben noch, davon 90 % in Oman. Durch Bejagung nimmt der Bestand weiter rapide ab (25 % Rückgang von 1996 bis 2003). Gefährdet.
  • Farasan-Gazelle (G. g. farasani), nur auf den zu Saudi-Arabien gehörenden Farasan-Inseln im Roten Meer. Da die Inseln ein Naturreservat sind, ist diese Unterart am wenigsten bedroht. Es gibt etwa 1000 Exemplare dieser Unterart.
  • Palästina-Berggazelle (G. g. gazella) in Nord-Israel und im Libanon; ausgerottet in Syrien, Jordanien und Ägypten. Nachdem die Bestandszahlen durch einen Ausbruch der Maul- und Klauenseuche auf 3000 gefallen sind, wurde die Unterart als bedroht eingestuft. In Israel ist sie streng geschützt.
  • Akaziengazelle (G. g. acaciae) in Süd-Israel; dies ist offenbar eine Reliktpopulation, die nach dem Ende der Eiszeit im Arawa-Tal nördlich von Elat isoliert wurde. In den 1950ern lebten hier einige hundert Gazellen auf einer Fläche von 7,5 km². Durch Umleitung von Gewässern wurde dieses Tal nicht mehr ausreichend mit Wasser versorgt, was ein Massensterben auslöste. Heute gibt es noch etwa zwanzig dieser Gazellen. Sie sind streng geschützt, allerdings auch einer Bejagung durch Wölfe und Schakale ausgesetzt.
  • Maskat-Gazelle (G. g. muscatensis) in der nördlichen Küstenregion Omans; durch Straßenbau und Zersiedlung des Lebensraums wurden diese Gazellen extrem selten; ihr Bestand lag zuletzt unter hundert.

Dünengazelle

Die Dünengazelle (Gazella leptoceros) ist eine an das Leben in der Sahara angepasste Gazelle mit einem cremeweißen Fell und extrem schlanken Hörnern. Die Hufe sind stark verbreitert, um nicht im Sand einzusinken. Um der Hitze auszuweichen, ist die Dünengazelle nachtaktiv. Sie braucht nicht zu trinken, sondern deckt ihren Flüssigkeitsbedarf ganz aus der Nahrung. Die IUCN stuft die Dünengazelle als bedroht ein.

Saudi-Gazelle

Die Saudi-Gazelle (Gazella saudiya) war einst von Kuwait und Saudi-Arabien bis nach Jemen verbreitet. Durch übermäßige Bejagung starb sie Mitte des 20. Jahrhunderts aus. Es gibt noch einige Exemplare in Zoos, bei diesen handelt es sich nach neueren Untersuchungen allerdings ausschließlich um Hybride mit anderen Gazellenarten.

Spekegazelle

Die Spekegazelle (Gazella spekei) ist weitgehend auf Somalia beschränkt; gelegentlich wandern die Tiere auch über äthiopisches Territorium. Diese Gazelle lebt in steinigen Halbwüsten. Sie hat ein beigebraunes Fell mit einem schwarzen Flankenstreifen. Als Besonderheit haben Spekegazellen eine Querfalte der Haut über dem Nasenrücken. Als Alarmruf können sie die Nase zu Tennisballgröße aufblasen. Beim Entlassen der Luft entsteht ein Geräusch wie ein Pistolenschuss. Spekegazellen werden von der IUCN als gefährdet eingestuft, ihr tatsächlicher Status ist aber kaum bekannt. Benannt sind sie nach dem britischen Afrikaforscher John Hanning Speke.

Kropfgazelle

Die Kropfgazelle (Gazella subgutturosa) ist unter den Gazellen eine Besonderheit, da bei ihr nur die Männchen Hörner tragen und die Weibchen hornlos sind. Bei allen anderen Gazellen tragen beide Geschlechter Hörner. Das Verbreitungsgebiet reicht von Aserbaidschan über den Osten der Arabischen Halbinsel, Iran, Afghanistan und Pakistan in den Nordwesten Indiens sowie über Usbekistan und Xinjiang bis in die Mongolei und die Mandschurei. In diesem großen Gebiet bewohnt sie Wüsten, Halbwüsten und Steppengebiete.

Damagazelle

Die Damagazelle (Nanger dama) ist in der Färbung sehr variabel. Die östlichen Populationen sind braun und weiß gemustert, während die westlichen Damagazellen fast rot sind. Alle Damagazellen haben aber einen weißen Fleck an der Kehle, durch den sie zu identifizieren sind. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich über den Südrand der Sahara in den Staaten Mali, Niger, Tschad und Sudan. Hier unternehmen sie jahreszeitliche Wanderungen zwischen der Wüste und der Sahelzone.

Die Bedeutung des Namens ist umstritten. Während manche den Namen auf den Damhirsch (lateinisch Dama) zurückführen, sehen andere eher das arabische dammar ("Schaf") als Bestandteil des Namens.

Grantgazelle

Die Grantgazelle (Nanger granti) ist nach der Thomsongazelle die häufigste Gazellenart. Dies trifft vor allem auf die Populationen in Kenia, Tansania und Uganda zu, während die nördlichen Bestände in Äthiopien, Sudan und Somalia sehr viel kleiner sind. 350.000 Grantgazellen leben in den Savannen Ostafrikas und bilden dort Herden, die mehrere hundert Tiere umfassen können. Das Fell ist oberseits beigebraun und unterseits weiß. Von der Thomsongazelle ist sie leicht durch das Fehlen des schwarzen Flankenstreifens zu unterscheiden.

Sömmerringgazelle

Die Sömmerringgazelle (Nanger soemmerringii) ist eine Gazelle mit beigefarbener Ober- und weißer Unterseite. Charakteristisch ist die Kopfzeichnung: Ein breiter schwarzer Streifen zieht sich von der Nase zur Stirn und wird von zwei schmalen weißen Streifen gesäumt. Das Verbreitungsgebiet umfasst Steppen und Halbwüsten in Sudan, Äthiopien, Eritrea und Somalia. Benannt ist diese Gazelle nach dem deutsch-polnischen Wissenschaftler Samuel Thomas Sömmerring.

Prähistorische Arten

    • Europäische Gazelle – Gazella borbonica
    • Gazella praethomsoni
    • Gazella negevensis
    • Gazella triquetrucornis
    • Gazella negevensis
    • Gazella capricornis
    • Gazella mytilinii
  • Untergattung Vetagazella
    • Gazella sinensis
    • Gazella deperdita
    • Steppen-Gazelle – Gazella pilgrimi
    • Leiles Gazelle – Gazella leile
    • Japanische Gazelle – Gazella praegaudryi
    • Gazella gaudryi
    • Gazella paotehensis
    • Gazella dorcadoides
    • Gazella altidens
    • Gazella mongolica
    • Gazella lydekkeri
    • Gazella blacki
    • Gazella parasinensis
    • Gazella kueitensis
    • Gazella paragutturosa
  • Untergattung Gazella
    • Gazella janenschi
  • Untergattung Trachelocele
    • Atlantische Gazelle – Gazella atlantica
    • Gazella tingitana
  • Untergattung Nanger
    • Gazella vanhoepeni
  • Untergattung Deprezia
    • Gazella psolea

Literatur

  • Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): Mammal Species of the World. 3. Ausgabe. The Johns Hopkins University Press, Baltimore 2005, ISBN 0-8018-8221-4.
  • Ronald M. Nowak: Walker's Mammals of the World. The Johns Hopkins University Press, Baltimore 1999, ISBN 0-8018-5789-9.

Weblinks


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