- Neue Nationalgalerie
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Die Neue Nationalgalerie am Kulturforum Berlin ist das Museum für die Kunst des 20. Jahrhunderts der Nationalgalerie Berlin. Der 1968 eröffnete Bau des Museums stammt von Ludwig Mies van der Rohe und gilt als Ikone der Klassischen Moderne. Die Neue Nationalgalerie ist zusammen mit der Gemäldegalerie und dem Kunstgewerbemuseum Berlin eines der wichtigsten Museen am Kulturforum Berlin.
Inhaltsverzeichnis
Architektur
Die Neue Nationalgalerie ist das einzige Bauwerk, das Ludwig Mies van der Rohe nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland umsetzte. Im Jahre 1962 erhielt er im Alter von 76 Jahren den Auftrag, ein Museum zu errichten. Er griff dabei auf einen eigenen Entwurf von 1957 für das nicht ausgeführte Verwaltungsgebäude des Rum-Herstellers Bacardi in Santiago de Cuba und auf den ebenfalls eigenen zwischen 1960 und 1963 entwickelten Entwurf des Museum Georg Schäfer in Schweinfurt zurück, der gleichfalls nicht realisiert wurde. Beide Entwürfe nehmen mit geringeren Abmessungen ein auf acht Stützen gelagertes Dach sowie den stützenfreien Innenraum vorweg. Der Bau der Neuen Nationalgalerie Berlin begann drei Jahre nach Auftragserteilung und wurde 1968, ein Jahr vor Mies’ Tod, fertiggestellt. Die Umsetzung der Pläne erfolgte durch seinen Enkel Dirk Lohan, der nach seinem Diplom an der TH München ab 1962 im Büro seines Großvaters in Chicago mitarbeitete. Mies war zwei Mal in Berlin, konnte aber zur Eröffnung schon nicht mehr anreisen.[1] Die Neue Nationalgalerie war das erste Museum, das am damals neu entstehenden Kulturforum in Berlin-Tiergarten unweit des Potsdamer Platzes eröffnet wurde. In direkter Nachbarschaft befinden sich Hans Scharouns Staatsbibliothek und Philharmonie sowie weitere Museen.
Mit der Neuen Nationalgalerie realisierte Mies in eindringlicher Weise den von ihm entwickelten Gedanken des Universalraums. Auf einer 105 x 110 Meter großen Granitterrasse, die den leichten Abhang am Ufer des Landwehrkanals ausgleicht, setzt der quadratische Pavillon als Stahl-/Glas-Konstruktion auf. Die Kantenlänge des den Bau dominierenden, ebenfalls quadratischen Daches beträgt 64,8 Meter; die umschließenden Glaswände sind allseitig um 7,2 Meter zurückgesetzt und bilden so die Haupthalle. Das Dach wurde beim Bau als ein Gesamtelement von der Montagehöhe auf der Sockelplattform mit 24 synchron gesteuerten Hebern in neun Stunden über die acht Stahlstützen gehoben und dort auf den vier Seiten auf je zwei Stützen abgesetzt. Der sich darunter ergebende Raum bildet die große, stützenfreie Haupthalle, die nunmehr beliebige Ausstellungsgestaltungen zulässt und nur von zwei freistehenden Versorgungskernen (Heizung/Lüftung/Dach-Entwässerung) und zwei Treppen ins Untergeschoss strukturiert wird. Diese Haupthalle ist für die Wechselausstellungen bestimmt. Im Untergeschoss befinden sich Räume für die Dauerausstellung der Sammlung; an der Westseite des Gebäudes schließt an diese Räume ein ummauerter Skulpturengarten an, der auch von der höher liegenden Sockelplattform einsehbar ist, die sich um die Halle des Erdgeschosses erstreckt.
Mies' Lösung ist mit ihrem latenten Klassizismus eine moderne Vergegenwärtigung des antiken Podiumstempels, die der durch Karl Friedrich Schinkel und seine Schule geprägten Berliner Bautradition entspricht (Altes Museum, Alte Nationalgalerie).
Durch die ungewöhnliche Raumaufteilung im Untergeschoss und die Monumentalität der Haupthalle ist die Parallel- als auch Getrenntnutzung der zwei Geschosse des Gebäudes für Ausstellungen aus Erschließungsgründen nicht immer unproblematisch.
Geschichte
Die Neue Nationalgalerie beherbergt die Bestände der Staatlichen Museen zu Berlin im Bereich der Malerei, Skulptur und Plastik des 20. Jahrhunderts, von der klassischen Moderne bis zur Kunst der 1960er Jahre. Sie knüpft ausdrücklich an die Tradition der Neuen Abteilung im Kronprinzenpalais an, die unter der Leitung von Ludwig Justi von 1919 bis 1937 aufgebaut worden war, bis sie durch die Aktion Entartete Kunst zerstört wurde.
Vorgeschichte
Noch 1945 beschloss der Magistrat von Berlin die Gründung einer Sammlung des 20. Jahrhunderts. Die treibenden Kräfte dabei waren Adolf Jannasch und abermals Ludwig Justi. Es dauerte aber bis 1947, ehe sich die Ankaufkommission zusammenfand. Sie bestand aus je einem Stadtverordneten der CDU, der SPD und der SED, drei Kunsthistorikern und drei Künstlern. Der inzwischen 69jährige Justi war zum Generaldirektor der ehemaligen Staatlichen Museen ernannt worden. Er wollte zunächst die Lücken im Bereich des Expressionismus durch den Ankauf einiger Hauptwerke füllen, kollidierte damit aber mit Strömungen, die die aktuelle Nachkriegskunst dokumentieren wollten. Ausstellungen fanden zu dieser Zeit im Staatsratssaal des Stadtschlosses statt.
Alle weiteren Bemühungen waren mit der Spaltung des Magistrats im November 1948 und der Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 obsolet. Deshalb wurde die Galerie des 20. Jahrhunderts 1949 in West-Berlin ein zweites Mal als städtische Galerie gegründet und musste ihren Bestand erneut aufbauen. Nach wie vor sah sie sich in der Tradition des Kronprinzenpalais und versuchte, um die Kontinuität sichtbar zu machen, wann immer möglich, verlorene Werke zurückzuerwerben – was allerdings nur vereinzelt gelang, wie bei Noldes Christus und die Samariterin. Insbesondere die Lücke, die durch den Verlust der Werke des Blauen Reiters entstanden war, war auch langfristig nicht angemessen zu schließen.
Ausstellungsort der Galerie war zunächst das ehemalige Landwehrkasino an der Jebensstraße hinter dem Bahnhof Zoo, wo sich auch die Kunstbibliothek befand und heute das Museum für Fotografie und die Helmut-Newton-Stiftung untergebracht sind. 1953 kehrten auch die im Westen ausgelagerten Bestände der Nationalgalerie nach West-Berlin zurück und wurden zunächst in Dahlem, ab 1959 im Schloss Charlottenburg ausgestellt. Beide Institutionen bemühten sich parallel, die Lücken im Bereich der klassischen Moderne wieder zu schließen. Nachdem 1957 die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gegründet worden war, wurde es leichter, die Ankaufspolitik der Nationalgalerie enger mit der der städtischen Galerie des 20. Jahrhunderts zu koordinieren und als 1961 mit dem Bau der Mauer klar wurde, dass eine Zusammenführung der Bestände aus Ost und West auf lange Sicht nicht mehr möglich sein würde, entschloss man sich zur Vereinigung der beiden Rumpfsammlungen und zu dem repräsentativen Neubau am neu gegründeten Kulturforum Berlin, mit dem Mies van der Rohe beauftragt wurde.
Die Sammlung seit 1968
Dieser wurde am 15. September 1968 mit einer Mondrian-Ausstellung eingeweiht. Erster Direktor wurde Werner Haftmann, der daran ging, der Öffentlichkeit aus beiden Rumpfsammlungen eine geschlossene Sammlung vorzulügen, wie er selbst sagte. In den Bau zogen zunächst die Galerie des 20. Jahrhunderts und alle Werke der Nationalgalerie, bis 1986, eher aus Platzmangel, die Galerie der Romantik zurück ins Schloss Charlottenburg kehrte, so dass die ständige Ausstellung erst jetzt auf die Kunst des 20. Jahrhunderts konzentriert war. Der Ankaufetat der Neuen Nationalgalerie war von Anfang an eher gering, Ende der 60er betrug er etwa 200.000 DM. Viele Bilder konnten aber mit Hilfe der Stiftung Deutsche Klassenlotterie und ab 1977 durch die Unterstützung der Freunde der Nationalgalerie erworben werden.
Die Museumskonzeption und die Ankaufspolitik waren oft von heftiger öffentlicher Anteilnahme geprägt. Haftmann gelang es, der immer noch rudimentären Sammlung eine profilierte Kontur zu geben und sie in einen internationalen Kontext zu stellen. Nach 1968 gab es trotzdem schwere Auseinandersetzungen, als sich Haftmann gegen grenzüberschreitende Happenings und Installationen wandte. In der aufgeheizten Lage wurden teilweise die Glasscheiben des Mies-Baus eingeschlagen und sogar zerschossen.
1982 begegnete die Boulevardpresse dem Ankauf von Barnett Newmans Who's Afraid of Red, Yellow and Blue IV mit lautstarkem Unverständnis, in deren Folge es zu Morddrohungen gegen den Direktor Dieter Honisch kam und ein Student das Bild schließlich zerstörte. Honisch hatte die Galerie der amerikanischen Malerei geöffnet und zwar insbesondere der Farbfeldmalerei in bewusstem Gegensatz zur Pop-Art, die das Museum Ludwig in Köln sammelte.
Die Sammlung seit 1990
Mit der Wiedervereinigung veränderte auch die Neue Nationalgalerie ihr Gesicht. Sie wurde wieder Teil der Nationalgalerie Berlin auf der Museumsinsel und 1993 kam es zur Neuordnung der Bestände. Während die Galerie der Romantik aus dem Schloss Charlottenburg problemlos mit den Altbeständen vereinigt werden konnte und die klassische Moderne einen Zugewinn verbuchte, war die Integration der Nachkriegskunst aus der DDR in die des Westens sehr viel schwieriger. Die neue Hängung rief heftigsten Widerspruch hervor und über ein Jahr lang wurde ein sogenannter Deutsch-deutscher Bilderstreit ausgefochten, der vor allem von den Verletzungen nichtstaatlicher Künstler aus der DDR und der Empörung der CDU getragen wurde. Inzwischen ist die DDR-Kunst kaum noch vertreten.
Seit der Einrichtung des Hamburger Bahnhofs 1996 nach der Schenkung der Sammlung Marx wurde die Neue Nationalgalerie eine reine Präsentation der Klassischen Moderne bis in die beginnenden 1970er Jahre. Darüber hinaus geht sie nur noch mit den zahlreichen und oft spektakulären Sonderausstellungen im Glaspavillon, die meist aber auch retrospektiven Charakter haben. Von Februar bis September 2004 waren Werke aus dem New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) unter dem Slogan Das MoMA in Berlin in der Nationalgalerie ausgestellt. Von Juni bis Oktober 2007 knüpfte die Ausstellung Die schönsten Franzosen kommen aus New York mit Meisterwerken französischer Kunst des 19. Jahrhunderts an diesen Erfolg an. Die zweite große Vorzugserwerbung der Nationalgalerie, das Museum Berggruen ergänzt mit einer Sammlung von Kunst der Klassischen Moderne den Bestand der Neuen Nationalgalerie. Im Jahr 2008 erweitert die Sammlung Scharf-Gerstenberg das Spektrum der Nationalgalerie um Werke des Surrealismus. In der zweiten Hälfte des Jahres 2009 zeigt die Neue Nationalgalerie unter dem Titel "Bilder Träume" die private Sammlung der Familie Pietzsch. Es handelt sich dabei um größtenteils surrealistische Bilder namhafter Künstler wie Miró und Magritte.
Direktoren
- 1967–1974: Werner Haftmann (Gründungsdirektor)
- 1974–1975: Wieland Schmied (kommissarisch)
- 1975–1997: Dieter Honisch
- 1999–2008: Peter-Klaus Schuster
- seit 2008: Udo Kittelmann
Literatur
- Joachim Jäger: Neue Nationalgalerie Berlin – Mies van der Rohe, HatjeCantz/SMB, Ostfildern 2011, ISBN 978-3-7757-3144-7 (Deutsch), ISBN 978-3-7757-3145-4 (Englisch)
- Peter-Klaus Schuster (Hrsg.): Die Nationalgalerie. Köln 2001, ISBN 3-8321-7004-9.
- Gabriela Wachter (Hrsg.): Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie in Berlin. Berlin 1995, ISBN 3-9803212-2-3.
- Rolf D. Weisse: Mies van der Rohe. Vision und Realität – von der Concert Hall zur Neuen Nationalgalerie. Entwicklung einer Idee. Potsdam 2001, ISBN 3-929748-12-6.
Weblinks
Commons: Neue Nationalgalerie (Berlin) – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien- Staatliche Museen zu Berlin – Neue Nationalgalerie
- Verein der Freunde der Nationalgalerie
- Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste
Einzelnachweise
- ↑ Christian Hümmeler: Er prägte den Ausdruck einer Epoche, Gespräch mit Dirk Lohan über die Architektur seines Großvaters, Kölner Stadtanzeiger, 29. März 2011
52.50638888888913.367222222222Koordinaten: 52° 30′ 23″ N, 13° 22′ 2″ OKategorien:- Kunstmuseum in Berlin
- Ludwig Mies van der Rohe
- Berlin-Tiergarten
- Bauwerk der Moderne in Berlin
- Baudenkmal (Berlin)
- Landwehrkanal
- Erbaut in den 1960er Jahren
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