Landwehrkanal

Landwehrkanal
Karte der Wasserstraßen in der Region Berlin
Urbanhafen um 1900
Hochbahnbrücke über den Kanal um 1900
Landwehrkanal in Kreuzberg (Reichpietschufer/ Schöneberger Ufer)
Uferpromenade in Kreuzberg
Brücken über den Landwehrkanal
Hausboote auf dem Flutgraben des Landwehrkanals an der Kanal-Unterschleuse in Tiergarten
Kanalufer an der Tiergartenschleuse

Der Landwehrkanal (LWK) ist eine Bundeswasserstraße in Berlin und zählt rechtlich zur Spree-Oder-Wasserstraße (SOW).[1] Er verbindet als Seitenkanal der Teilstrecke Berliner Spree der Spree-Oder-Wasserstraße die Spree am Osthafen (SOW-km 21,14) mit der Spree am Spreekreuz in Charlottenburg (SOW-km 9,08) und führt mit einer Länge von 10,73 Kilometern[2] durch die Ortsteile Kreuzberg, Neukölln, Tiergarten und Charlottenburg. Der LWK ist als Wasserstraßenklasse I ausgewiesen. Zuständig für die Verwaltung ist das Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin.

Die Kilometrierung beginnt am Spreekreuz in Charlottenburg. Der Kanal hat eine nutzbare Breite von 22 Metern und ist in der Mitte zwei Meter tief. Die im Mittel zwei Meter Höhenunterschied von Ost nach West werden an den Kanalenden durch die Kanalstufe bei km 10,57 (Oberschleuse und Flutgraben mit Wehr) und die Kanalstufe bei km 1,67 (Unterschleuse und Flutgraben mit Wehr) ausgeglichen.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte, Planung und Bau

Der Begriff der Landwehr oder Landhege bezeichnete im spätmittelalterlichen Festungsbau eine vor der Stadtmauer liegende Feldbefestigung. Sie markierte oft die Außengrenzen des städtischen Einflussbereiches. Schon vor 1700 (der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt) wurde vor der Berliner Stadtmauer zwischen Schlesischem und Halleschem Tor ein sogenannter „Landwehrgraben“ angelegt.

Beim Landwehrkanal, ursprünglich „Schafgraben“ oder „Floßgraben“ genannt, handelte es sich ursprünglich um einen Entwässerungsgraben, der Wasser aus dem Sumpfgebiet südlich vom damaligen Berlin in die Spree ableitete.[3] Er wurde 1705 zum Floßgraben ausgebaut, um die Holztransporte zum Königlichen Holzplatz am Halleschen Tor zu erleichtern.

Im frühen 19. Jahrhundert reichte die Transportkapazität der Spree nicht mehr aus. Insbesondere die Mühlendamm-Schleuse, die nun schon mitten in der Stadt lag, war den Anforderungen nicht mehr gewachsen. Die Schleusenkammern waren zu schmal und zu kurz, die Wartezeiten wurden unzumutbar lang. Es entstand die Idee einer Wasserstraße, die den Durchgangsverkehr außen um die Stadtmauern herumleiten sollte. Ein Plan von 1818 sah einen Umgehungskanal vor mit einer Sohlenbreite von 11,30 Meter und einer Mindestwassertiefe von 1,26 Meter. Die Vorbereitungen für den Bau waren schon weit gediehen, als König Friedrich Wilhelm III. das Unternehmen 1820 aus Kostengründen abbrechen ließ.

1840 erhielt der Stadtplaner und Gartenarchitekt Peter Joseph Lenné den Auftrag für verschiedene größere Projekte im Süden Berlins. Parallel zur Bebauung des Köpenicker Feldes und zum Bau des Luisenstädtischen Kanals verfolgte er die alte Idee eines Entlastungskanals für die Spree. Neben seinem eigentlichen Zweck sollte er für die Entwässerung der Felder sorgen, die als Bauland vorgesehen waren und den Materialtransport zu den Baustellen erleichtern. Bürokratische Vorgänge verursachten erhebliche Verzögerungen. 1845, bei Baubeginn, lag noch nicht einmal die genaue Trasse in allen Punkten fest. Der Ingenieur Helfft als Bauleiter des Kanals beschrieb die Linienführung:

„Der ungefähr 13/8 Meilen [Anm.: 10,4 Kilometer] lange Landwehrkanal tritt oberhalb des Schlesischen Thores, nicht weit von der ehemaligen Mündung des Landwehrgrabens aus der Spree […] und mündet endlich oberhalb Lietzow, bei dem neuen königlichen Salzmagazine, in die Spree aus.“

Am 2. September 1850 fand die Einweihung statt. Die Presse und die Berliner Bevölkerung nahmen kaum Notiz davon, der Kanal lag schließlich weitab, noch außerhalb der Stadtmauern.

Eigenschaften und Entwicklung

Der Landwehrkanal hatte bei einer Mindesttiefe von 1,57 Metern eine Wasserspiegelbreite von 22,60 Meter, war an der Sohle aber nur zehn Meter breit, die Ufer waren also stark abgeschrägt, sodass Schiffe nicht direkt anlegen konnten. Durch Schleusentore an beiden Endpunkten (Oberschleuse an der Lohmühleninsel und Unterschleuse) ließ sich die Wassertiefe regulieren, sie sank nie unter 1,50 Meter, unabhängig vom Wasserstand der Spree. Ursprünglich lagen zwei Häfen am Kanal, der Urbanhafen im Ortsteil Kreuzberg und der Schöneberger Hafen auf dem Gelände des heutigen – nach Felix Mendelssohn Bartholdy benannten – Parks. Vom Urbanhafen aus, von dessen einstiger Ausdehnung nur ein wesentlich kleineres, schmales Becken geblieben ist, führte der Luisenstädtische Kanal über den Wassertorplatz, Oranienplatz und das Engelbecken nach Norden zur Spree. Er wurde 1926/1927 zugeschüttet und durch einen breiten, stellenweise parkartigen Grünstreifen ersetzt. Lenné hatte am Landwehrkanal zur Erholung der Einwohner in den neu entstehenden Stadtvierteln baumbestandene Uferpromenaden anlegen lassen. Ob dieser Zweck damals erreicht werden konnte, ist zumindest fraglich: Berlin hatte noch keine Kanalisation, die Abwässer flossen ungeklärt in den Kanal, in dem die Anwohner auch wuschen und badeten.

Die Möglichkeiten des Kanals waren bald erschöpft. Bei Begegnungen oder Überholmanövern wurden die Uferbefestigungen immer wieder beschädigt, Sand brach durch und beeinträchtigte die Schifffahrt. Nach einer Verfügung von 1880 durfte der Verkehr nur noch in jeweils einer Richtung durchgeleitet werden. Ein erster Ausbau erfolgte zwischen 1883 und 1890. Die Sohle wurde von zehn auf 22 Meter verbreitert und der Kanal auf fast der gesamten Länge mit Steilufern eingefasst. Die neue Wassertiefe betrug nun 1,75 Meter. Brücken, die bisher bei jeder Schiffspassage hochgezogen werden mussten, wurden angehoben.

Nachdem die Uferschrägen beseitigt waren, hatte der Kanal eine nutzbare Breite von 22 Metern, Schiffe konnten anlegen, ohne den Durchgangsverkehr zu behindern. Der zweite große Umbau zwischen 1936 und 1941 brachte weitere Verbesserungen. Schleusen wurden verlegt und erweitert. In der Mitte der Fahrrinne war der Kanal jetzt zwei Meter tief. Die Brücken blieben allerdings unverändert – bei Durchfahrten wird der Raum nach oben knapp.

Die Schleusen

Die Schleusen wurden, wie 1850 üblich, zweischiffig mit versetzten Häuptern erbaut. Die Schleusenkammerlänge betrug zwischen den Drempeln 50,22 Meter (160 Fuß). Die damals in Preußen übliche Maßeinheit Fuß bezieht sich auf den Rheinfuß mit einer Länge von 313,85 Millimetern.

Die Kammer war 10,04 Meter (32 Fuß) breit. Mit Rücksicht auf die zu erwartenden kleinen Schleppdampfer wurde die Torweite auf 7,53 Meter (24 Fuß) festgelegt. In den Jahren 1936 bis 1941 wurde der Landwehrkanal Odermaß-Schiffen zugängig gemacht. Beide Schleusen wurden umgebaut. Die Oberschleuse, 1939 fertiggestellt, erhielt als Besonderheit zwei Untertore. Ihre nutzbare Länge differiert zwischen 72,10 Meter und 58,85 Meter. Die Kammerbreite beträgt 19,70 Meter, Die Torweite im Oberhaupt 8,80 Meter und im Unterhaupt jeweils 8,50 Meter. Die Verkehrsfreigabe für die Unterschleuse erfolgte 1941. Sie hat eine nutzbare Länge von 60,00 Meter und ist 10,50 Meter breit. Die Tore weisen eine Breite von 8,50 Meter auf. An der Unterschleuse wurde die Lage des Wehres und der Schleuse getauscht. Dadurch ergab sich eine bessere Linienführung für die Schifffahrt.

Die damaligen „Berliner Maßkähne“, denen das Berliner Maß zugrunde lag, waren den Bedingungen der Wasserstraße wie Schleusenabmessungen und Kurvenradien angepasst. Ihre Länge betrug 46,20 Meter und ihre Breite 6,60 Meter. Der Tiefgang erreichte selten 1,75 Meter und ihre Tragfähigkeit 350 Tonnen. Die Maßangaben können variieren, da sie gelegentlich zur Erhöhung der Ladefähigkeit angehoben wurden.

Funktionswandel und Einzelaspekte

Nach den Verheerungen des Zweiten Weltkrieges, als gewaltige Mengen Trümmerschutt abtransportiert werden mussten, hatte der Landwehrkanal noch einmal eine wichtige Funktion als Transportweg für die Lastschiffe. Durch die später zunehmende Motorisierung verlagerte sich der Lastverkehr auf die Straße, wodurch der Kanal allmählich seine Bedeutung als Transportweg für Massengüter verlor. Inzwischen wird er fast nur noch von Ausflugsschiffen und Sportbooten genutzt. Die Uferbefestigungen mit ihren Geländern und Treppen stehen unter Denkmalschutz.

Im ebenfalls denkmalgeschützten Pumpwerk Hallesches Ufer ist das Berliner Lapidarium untergebracht. Hier wurden bis 2009 steinerne Denkmäler (insbesondere aus der Siegesallee) aufbewahrt, die zur Zeit nicht gebraucht werden oder die besonders geschützt werden müssen, während an ihren einstigen Standorten Kopien zu sehen sind. Im Mai 2009 wurden sämtliche Standbilder aus dem Lapidarium in die Zitadelle Spandau umgesetzt.

Gedenkstätte für Rosa Luxemburg am Landwehrkanal

Am Rande des Landwehrkanals und des Großen Tiergartens wird an die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 15. Januar 1919 erinnert. Rosa Luxemburg war während des Abtransports nach einem Verhör im Wagen erschossen worden. Die Mörder, Angehörige eines Freikorps, warfen ihren Körper in den Kanal. Ihre Leiche konnte erst Ende Mai 1919 geborgen werden.

In den 1920er Jahren wurde nach einem Selbstmordversuch Anna Anderson aus dem Landwehrkanal gerettet, die behauptete, die russische Zarentochter Anastasia Nikolajewna Romanowa zu sein.

Sanierung des Landwehrkanals

Bei Untersuchungen des Kanalufers wurde festgestellt, dass die Uferbefestigung durch Wellenschlag von auf dem Kanal fahrenden Booten und Schiffen auf einigen Strecken unterspült worden war. Im Frühjahr 2007 kam es dadurch unter anderem zu einer Absackung der Ufermauer an einer Schiffsanlegestelle. Das Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin (WSA) ließ daraufhin Sicherungsmaßnahmen durchführen, die heftig umstrittene Baumfällungen und eine Sperrung des Kanals für den Schiffsverkehr beinhaltete.[4] Eine Bürgerinitiative sammelte innerhalb von vier Monaten über 25.000 Unterschriften gegen das Vorgehen des Amtes und erreichte die Einleitung eines Mediationsverfahrens zur Sanierung und zukünftigen Nutzung des Kanals. Am 10. Dezember 2007 wurde unter Beteiligung von Behörden, Gewerbetreibenden und Vertretern der Bürgerinitiative ein entsprechendes Arbeitsbündnis unter dem Namen „Zukunft Landwehrkanal“ geschlossen. Die Teilnehmer des Forums formulierten in ihrem Arbeitsbündnis am 21. Januar 2008 als Ziel des Mediationsverfahrens „von allen Beteiligten als nachhaltig, d. h. als ökonomisch, ökologisch und sozialverträglich angesehene, unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes stehende sowie technisch machbare Lösungen für die vielfältigen Themen sowohl für die gegenwärtige Situation als auch für die Zukunft des Landwehrkanals in Berlin in einem Konsensfindungsverfahren zu erarbeiten.“ Neben Mediationsforum und Arbeitskreisen wurde in Lösungssondierungsgruppen und in weiteren Besprechungen zu vielfältigen Themen konstruktiv gemeinsam gearbeitet.

Eine Besonderheit besteht in der Zweigleisigkeit des Verfahrens: Einerseits geht es um konkrete Verabredungen über die beabsichtigte Kanalsanierung, andererseits hat es sich als sinnvoll und in Teilen als notwendig erwiesen, das Umfeld des Kanals mit einzubeziehen. So wird sowohl nach einer konsensorientierten Gesamtlösung im Rahmen einer langfristigen Planung gesucht als auch auf dem Weg dahin jeweils einvernehmlich aktuell anstehende Fragen geklärt und Entscheidungen getroffen.[5]

Nachdem in der Mediation keine einvernehmliche Einigung zur Forderung nach einer integrierten Sanierungsplanung erzielt werden konnte, verließ ein Teil der Bürgerinitiative die Verhandlungen und wirbt seit Sommer 2008 mit einer jährlichen Paddelparade unter dem Motto Landwehrkanal für Alle! für eine nachhaltige Sanierung des Kanals, die neben ökologischen Aspekten und einem Vorrang für emissionsfreie Verkehrsmittel auch die Verbesserung der Erholungsnutzung, barrierefreie Zugänge für Gehbehinderte und einen kreuzungsfreien Fuß- und Radweg entlang beider Seiten des Kanals beinhaltet.

Im Jahr 2009 erfolgten entlang des gesamten Kanals umfangreiche Sichtungs- und Bauarbeiten durch das Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin.[6] Zwischen 2. November 2009 und März 2010 ist der Kanal für den Schiffsverkehr vollständig gesperrt, weil vor allem Verstärkungs- und Sanierungsarbeiten an den Ufermauern durchgeführt werden. Die im Jahr 2006 total abgerutschten Ufermauern im Bereich des Maybachufers werden wieder neu errichtet. Für die drei betroffenen Reedereien sind Ausweichliegeplätze zur Verfügung gestellt worden.[7]

Literatur

  • Herbert Schwenk: Berliner Stadtentwicklung von A–Z , S. 179f. Edition Luisenstadt, Berlin 2001, ISBN 3-89542-100-6.

Weblinks

 Commons: Landwehrkanal – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Verzeichnis E, Lfd. Nr. 55 der Chronik, Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes
  2. Längen der Hauptschifffahrtswege der Binnenwasserstraßen des Bundes, Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes
  3. Herbert Schwenk: Berliner Stadtentwicklung von A–Z , S. 179f. Edition Luisenstadt, Berlin 2001, ISBN 3-89542-100-6
  4. Bäume am Landwehrkanal – Informationen zur geplanten Abholzung der historischen Bäume am Landwehrkanal
  5. Landwehrkanal Berlin – Informationen zur Mediation über die Zukunft des Landwehrkanals
  6. Informationen des Wasser- und Schifffahrtsamtes Berlin zu verschiedenen Arbeiten an den Brücken und direkt im Landwehrkanal
  7. Landwehrkanal bis März für Schiffe gesperrt. In: Berliner Zeitung vom 3. November 2009.
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