- Nicaraguakanal
-
Der Nicaragua-Kanal ist eine nicht realisierte Kanalverbindung zwischen Atlantik und Pazifik, die durch Nicaragua führen sollte.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Entdeckung
Bereits 1539 entdeckte Diego Machuca den Río San Juan als Wasserstraße zwischen der Karibik und dem Nicaraguasee. 1551 äußerte sich bereits der spanische Chronist Francisco López de Gomara „Man fasse nur den festen Entschluss, die Durchfahrt auszuführen, und sie kann ausgeführt werden. Sobald es am Willen nicht fehlt, wird es auch nicht an Mitteln fehlen.“ Doch der spanische König Philipp II. sah in der Landbrücke zwischen den beiden Meeren Gottes Schöpfung, die zu verbessern dem Menschen nicht zustünde. Die eigentlichen Gründe für das "Einschlafen" des Projekts dürften allerdings weniger in religiösen Überlegungen als vielmehr Fragen der praktischen Umsetzung gelegen haben.
Erste Planungen
1826 griff der zentralamerikanische Kongress das Projekt erneut auf und erließ ein Gesetz über den Bau eines Kanals durch Nicaragua. Als die beauftragte US-Firma nicht einmal mit Vermessungsarbeiten begann, nahm man 1829 Kontakt zu Gesandten des niederländischen Königs auf, der jedoch gestürzt wurde, noch bevor es zu Verhandlungen kam. 1840 verfasste der US-amerikanische Diplomat und Forschungsreisende John Lloyd Stephens eine detailreiche Machbarkeitsstudie für einen Nicaragua-Kanal, die jedoch ergebnislos blieb. 1846 unternahm man erneut einen Versuch: Ein nicaraguanischer Diplomat in Belgien schloss mit Louis Napoléon Bonaparte einen Vertrag zum Kanalbau – ebenfalls ohne Folgen.
Kalifornischer Goldrausch
Doch als in Kalifornien 1848 der Goldrausch begann, die transkontinentale Eisenbahn zwischen New York und San Francisco noch nicht existierte und große Menschenmassen und mit ihnen Versorgungsgüter von der Ostküste an die kalifornische Küste gelangen wollten, sicherte der legendäre US-Eisenbahnmillionär Cornelius Vanderbilt für zwölf Jahre der „American atlantic and pacific ship canal company“ die exklusiven Transitrechte auf dem Seeweg von San Juan del Norte an der Karibikküste, das damals noch Greytown genannt wurde, durch den Río San Juan über den Nicaraguasee über Land nach San Juan del Sur am Pazifik. Später firmierte das Unternehmen unter „accessory transit company“. Doch Vanderbilt reichten die Transiteinnahmen und so unterblieb der Kanalbau.
Konkurrenz zum Panamakanal
1850 beschlossen Großbritannien und die Vereinigten Staaten ohne Beteiligung Nicaraguas den Clayton-Bulwer-Vertrag, in dem sie sich gemeinsam das Recht auf den Bau eines interozeanischen Kanals durch Nicaragua einräumten. Acht Jahre später beauftragten die Nicaraguaner den Franzosen Félix Belly mit dem Kanalbau. Die US-Regierung schickte daraufhin Kanonenboote an die beiden Küsten Nicaraguas und erzwang einen Vertrag zu ihren Gunsten. Doch die favorisierte Investorengruppe bevorzugte den Kanalbau durch Panama (Panamakanal), nicht zuletzt, weil US-Investoren ab 1850 den Bau einer Panama-Eisenbahn begonnen hatten.
Um den Nicaraguasee ganz in seinen Besitz zu bekommen und Costa Rica jeden Anspruch auf Mitsprache bei dem Projekt des interozeanischen Kanals zu verwehren, bemühte sich Nicaragua fortwährend, Costa Rica das 1825 abgetretene Gebiet von Guanacasu wieder zu entreißen und die Mündung des Río San Juan allein zu besitzen.
Ein neues Projekt zur Herstellung eines Kanals wurde vom US-amerikanischen Ingenieur Menocal im Jahr 1885 ausgearbeitet, doch die Aussichten auf die Verwirklichung waren gering.
Neue Aufnahmen durch US-amerikanische Ingenieure waren seit Dezember 1887 im Gang.
Nachdem der nicaraguanische General José Santos Zelaya Verhandlungen mit der deutschen und japanischen Regierung über den Bau des interozeanischen Kanals unter nicaraguanischer Souveränität aufgenommen hatte, zwangen die USA 1909 den 16 Jahre diktatorisch in Nicaragua regierenden Zelaya durch einen Militäraufstand, in den US-Marines eingriffen, zum Rücktritt.
Im Jahr der Einweihung des Panamakanals 1914 sicherten sich die USA von Zelayas Nachfolger, Adolfo Díaz, im Chamorro-Bryan-Vertrag gegen 3 Mio. US$ „auf ewig“ das exklusive Recht zum Bau des 278 km langen, interozeanischen Kanals durch das immer wieder von schweren Erdbeben erschütterte zentralamerikanische Land. Der Chamorro-Bryon-Vertrag wurde nicht in der Absicht unterzeichnet, die Chance zu nutzen, sondern nur, um ein Konkurrenzprojekt des Panamakanals zu verhindern, welches dessen wirtschaftlichen Erfolg hätte gefährden können. Nicaragua wurde dadurch die Möglichkeit genommen, aus seiner geographischen Lage wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen.
Aktuelle Pläne
Da der Panamakanal für einige (post-Panamax-)Frachter zu eng geworden ist, wurden nicht nur in Nicaragua, sondern auch in Mexiko und Kolumbien alte und neue Pläne für einen Kanal erwogen.
Im Oktober 2006 kündigte der Präsident Nicaraguas Enrique Bolaños Geyer einen auf alten Plänen basierenden Bau des Kanals durch sein Land an. Der Kanal soll demnach 280 Kilometer lang werden und 18 Milliarden Dollar kosten. Schiffe mit einem Volumen bis zu 250.000 Tonnen könnten den Kanal benutzen, während der Panama-Kanal in seiner derzeitigen Form nur Schiffe bis 80.000 Tonnen erlaubt. Angesichts der enormen Kosten des Projekts, das die Mittel des Landes bei weitem übersteigt, wie auch der parallel laufenden Erweiterung des Panamakanals ist die Umsetzung dieses Vorhabens allerdings zweifelhaft. Trotz des beträchtlich gestiegenen Welt- und Seehandelsvolumens ist darüber hinaus fraglich, ob die Nachfrage für zwei Kanäle in dieser Region überhaupt gegeben ist.
El Gran Canal
1999 richtete Präsident Alemán im Präsidentenpalast unter dem Namen „El Gran Canal“ eigens ein Büro ein, das sich mit der Kanalidee beschäftigen sollte und eine Abwandlung des klassischen Kanalverlaufs verfolgte. Um absehbare Konflikte mit Costa Rica zu vermeiden, dem das Südufer des Río San Juan gehört, sollte der Kanal weiter nördlich verlaufen.
Ecocanal
Alle Projekte, die den Nicaraguasee als Wasserstraße einbeziehen, sind äußerst problematisch, da dieser eine der Hauptquellen für Trinkwasser darstellt. Es existiert aber auch eine umweltgerechtere und kostengünstigere Alternative unter dem Namen Ecocanal. Der Hauptunterschied besteht darin, dass dieses Projekt nicht auf den Welthandel, sondern auf den nicaraguanischen Außenhandel ausgerichtet ist. Zwar leben 80 % der Bevölkerung Nicaraguas auf der pazifischen Seite des Landes, doch der Handel wird vor allem über den Atlantik abgewickelt. Die Waren werden deshalb über Honduras und Costa Rica ex- und importiert. Mit einem Kanal ließen sich jährlich einhundert Millionen Dollar einsparen. Die Umweltschäden für die Kanalkorrekturen werden als gering eingeschätzt.
Canal Seco
Unter dem Namen Canal Seco („Trockenkanal“) ist eine Eisenbahn- oder Straßenverbindung zwischen den Küsten gemeint (Monkey Point und Punta de Pie Gigante). Die Umweltschäden dieses Projektes verhalten sich im Vergleich zum Durchstich à la Alemán eher gering, wobei dieses Projekt schon jetzt von Landkonflikten begleitet wird. 1999 wurde unter der Regierung von Alemán ein Gesetz erlassen, welches Enteignungen zugunsten des Kanalbaus erlaubte. Der Anschlusshafen an der Atlantikküste, Monkey Point, soll zu einem riesigen Tiefseehafen umgebaut werden. Jedoch ist hier die Heimat des vom Aussterben bedrohten Volkes der Rama. Schon jetzt kommen bewaffnete Kriegsherren, besetzen deren Gebiete und vertreiben sie von ihrem Land.
Die beiden Unternehmen SIT und Cinn konkurrieren erbittert um die Vergabe des Baurechts. In beiden sitzen politische Führer, so bleibt abzuwarten, wer den Zuschlag bekommt. Die Baukosten sollen in etwa 1,3 Milliarden US-Dollar betragen.
Auch Panama arbeitet an einem ähnlichen Vorhaben. Dies wäre jedoch wesentlich günstiger, weil Panamas Landbrücke deutlich enger als die von Nicaragua ist.
Siehe auch
Wikimedia Foundation.