- Niederweidbach
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Niederweidbach Gemeinde BischoffenKoordinaten: 50° 42′ N, 8° 29′ O50.7020222222228.4850111111111285Koordinaten: 50° 42′ 7″ N, 8° 29′ 6″ O Höhe: 285 m Einwohner: 1.043 (31. Dez. 2009) Postleitzahl: 35649 Vorwahl: 06444 Ortsansicht mit Marienkirche
Niederweidbach ist der zweitgrößte Ortsteil der Gemeinde Bischoffen im Lahn-Dill-Kreis in Hessen. Hier befindet sich auch der Sitz der Gemeindeverwaltung.
Inhaltsverzeichnis
Geographie und Lage
Zwischen den Dörfern Bischoffen, Oberweidbach, Roßbach, Mudersbach und Ahrdt gelegen befindet sich Niederweidbach direkt am Aartalsee und dem Teilstück der Bundesstraße 255 zwischen Herborn und Gladenbach. Der Ort ist vor allem wegen der im Hochmittelalter strategisch günstig gelegenen Position an der jüngeren Köln-Leipziger Handelsstraße im Aar-Tal entstanden.
Geschichte
Niederweidbach wird erstmals im Codex Eberhardi erwähnt und von Edmund E. Stengel dem Zeitraum zwischen 780 und 802 zugeordnet, der Amtszeit des Bischof Baugulf in Fulda. In Niederweidbach gilt das Jahr 802 als Ersterwähnung, daher fand 2002 die 1200-Jahr-Feier statt. 1075 werden die Grafen von Gleiberg das erste Mal erwähnt, Niederweidbach gehörte zu ihrem Gebiet. 1168 sollen die Grafen von Solms das Gebiet von den Grafen von Gleiberg geerbt haben. 1255 teilen die Grafen von Solms ihr Land, Niederweidbach kommt zu Solms-Königsberg. 1257 schließen die Grafen von Solms-Königsberg erstmals einen Freundschaftsvertrag mit dem hessischen Landgrafen. Es folgte ein langer Kampf der Linien der Grafen von Solms. Seit 1350 oder 1357 wird Solms-Königsberg gemeinsam von den Grafen von Solms und dem hessischen Landgrafen regiert. 1533 wird Niederweidbach lutherisch, 1567 kommt es zu Hessen-Marburg, 1604 zu Hessen-Kassel, 1629 zu Hessen-Darmstadt, 1866 wird es preußisch.
Niederweidbach besaß eine eigene Jüdische Gemeinde. Im Ort befand sich ab 1842 auch eine Synagoge. Sie war für 29 Männer und 14 Frauen ausgelegt.[1] In der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 wurde das Interior verwüstet. Aufgrund von Baufälligkeit ist die alte Synagoge von Niederweidbach vermutlich dann 1949 abgerissen worden.[2]
Dorfnamen
Dorfnamen in Niederweidbach sind seit dem Mittelalter entstandene Hausnamen, die auf die ehemaligen Besitzernamen der einzelnen Häuser im Dorfkern zurückgeführt werden können. Es kommt im allgemeinen Sprachgebrauch des Dorfes oft vor, dass nun nicht mehr nur Adressen, sondern auch Personen oder Familien nach ihrem Hausnamen genannt werden, selbst dann, wenn diese gar nichts mit den eigentlichen Besitzern zu tun haben.
Hauptstraße: Rensche, Gehons, Frankes, Konzellwis, Balsersch, Scholtesse, Hause, Jeffelipse, Petze, Kesselersch, Homberesch, Konzoikops, Bernetz, Schefers-Wirts, Honses, Doktersch, Schul, Kitzenings, Elzersch, Schmidtsbauer, Metzgehons, Schmidkarls, Onneborwes, Honsdenges, Ondrese, Herrn, Honjustes, Lehnjes, Blohe, Schusters, Ottjes
Mittelstraße: Aikdroinersch, Groschdois, Zöllersch, Hoaze, Schmids, Schmidjes, Homs, Liehfousse, Hongels, Beckersch, Lotze, Ellise, Justes
Gartenstraße: Liehes, Liwisshoingersch, Schroinersch, Sommersch, Hornzingersch, Roths, Ludwischs, Hecks, Wosch, Liwiss, Dönges
Schulstraße: Fousse, Konrotz, Ihwe, Engges, Rohzennis, Weisbinersch, Aicks, Strombewersch, Stoffels, Bretsch
Kirchstraße: Ihweschneiresch, Binze, Dommbuschs, Krimersch, Neuroths
Auch einige jüdische Familien hatten Dorfnamen, so z.B.: Davids, Jonnes, Maijesch, Monnes, Monowels, Nates, Schmuls
Sehenswürdigkeiten
Kulturdenkmäler in Niederweidbach
siehe Liste der Kulturdenkmäler in Niederweidbach
Backhaus
Marienkirche
Die Marienkirche wurde höchstwahrscheinlich um 1300 erbaut im Zusammenhang mit der Expansion der Grafen von Solms auf der Altenkirchener Hochebene. Die Vermutungen, dass die Kirche im 11., 12. oder 13. Jahrhundert erbaut worden sei, lassen sich weder an der Geschichte der Region noch am Baubestand belegen. Niederweidbach gehörte zur Pfarrei Altenkirchen im Archipresbyterat Wetzlar. Die erbaute Kapelle war eine Wehrkirche und eine Filialkirche der Pfarrei Altenkirchen. Das älteste Stück der Kirche ist ein frühgotischer Taufstein aus der Bauzeit der Kapelle. Die Wehrkapelle war also bereits Taufstätte. 1498 wurde an den Wehrturm ein Kirchenschiff angebaut. Der Bau zog sich aber viele Jahre hin. Aus den Sendprotokollen des Wetzlarer Archipresbyters ist bekannt, dass die Bauleute 1520 ihre Rechnungen nicht ordentlich abrechneten. Daher wurde an der Kirche also 1520 noch gebaut. Die Kirche ist eine zweischiffige Hallenkirche mit dem Chor im Turm. Die Rippenkonsolen zeigen den Teufel, Gott in Gestalt eines Papstes mit Tiara, goldene Blätter, einen Hund und ein weiteres Tier. Die Schlusssteine zeigen einen Kopf mit Weinmotiven – es muss sich entweder um Jesus Christus oder um Bacchus handeln, die Buchstaben JHS, eine Schlange, ein Kreuz, einen achtstrahligen Stern und zwei Blumen.
Seit 1350 oder 1357 wurde das Amt Königsberg gemeinsam von den Grafen von Solms und dem hessischen Landgrafen regiert. Infolge der Dernbacher Fehde war die von Marburg kommende ehemals auf der langen Wasserscheide über Gladenbach, Rachelshausen, Bottenhorner Hochflächen, Schelder Wald, Angelburg (Berg) verlaufende bedeutende Fernhandelsstraße (Brabanter Straße) zu unsicher geworden und wurde nach und nach zugunsten der im Aaartal verlaufenden neuen Köln-Leipziger-Handelsstraße aufgegeben. Sie verlief nach 1357 auch durch Niederweidbach. Diese Handelsstraße war u.a. auch ein Wallfahrtsweg nach Marburg zum Grab der Hl. Elisabeth, Pilger zogen durch Niederweidbach. Häufig wird vertreten, dass die Marienkirche selbst eine Wallfahrtskirche war. Niederweidbach ist aber in der hessischen Kirchengeschichte als Wallfahrtsort nicht bekannt. In die neue Kirche kam ein neuer Altar, was mit dem Altar der Wehrkapelle geschehen ist, ist nicht bekannt. Die Flügel des neuen Altars stammen höchstwahrscheinlich von dem Hofmaler der Grafen von Solms, von Hans Döring. Hans Döring war ein Schüler von Lucas Cranach. Der Altar besteht heute aus den zwei Flügeln, aus einem Schrein und aus den Statuen der Maria, des hl. Jakobus und des hl. Nikolaus. Die Restaurierung des Altars in den Jahren 2003 bis 2005 hat ergeben, dass alle Teile aus dem 16. Jahrhundert stammen, aber höchstwahrscheinlich erst in einem späteren Jahrhundert zusammengestellt wurden, vielleicht im 18. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Einbau der ersten Orgel.
Die vier Tafeln zeigen: 1. den Tempelgang der Maria. 2. die Himmelfahrt und die Krönung der Maria. 3. Marias Besuch bei Elisabeth. 4. die Heilige Sippe. Nach einem Disput über die dargestellten Personen auf dieser Tafel in den Jahren 1953 bis 1958 kann man mehrere Personen nennen, die neben Maria, Anna und Jesus auf der Tafel zu sehen sind: Graf Philipp von Solms-Lich, Kurfürst Hermann IV. von Hessen (vielleicht auch Richard von Greiffenklau), der Maler Hans Döring und Adriana von Hanau-Münzenberg als Maria Salome. 1533 wurde die Kirchengemeinde Niederweidbach eine selbständige Kirchengemeinde und lutherisch. 1568 wurde eine Kanzel eingebaut, 1608 eine Empore, aus dem 17. Jahrhundert stammen die Bilder der zwölf Apostel, 1752 wurde die erste Orgel eingebaut. Wichtige Innenrenovierungen waren 1894/1895, 1953–1955 und 1995–1998. Bei der letzten Renovierung wurde die Kirche erneut in der Fassung von 1895, im Stil von Jugendstil und Historismus, bemalt.
Totenlinde
Nach der Fertigstellung der Marienkirche um 1520 entstand rund um die Kirche ein Friedhof. Auf diesem Friedhof wurden bis 1827 nicht nur die Verstorbenen aus Niederweidbach, sondern auch jene aus Oberweidbach und Roßbach beigesetzt. Letztere brachte man in einem Leichenzug nach Niederweidbach, wo sie am Weidbacher Berg, die Kirche bereits vor Augen, empfangen wurden. An dieser Stelle des Wartens und des Empfangs wurde von den Roßbachern eine Linde gepflanzt, die sog. „Totenlinde“. Das traurige Ende des fast 500 Jahre alten, stolz emporgewachsenen Baumes bedeutete schließlich das große Gewitter im August 2003, unter dessen Einfluss sie vollkommen zerbrach. In Erinnerung an den alten Brauch der Leichenzüge über den Berg und an die alte Totenlinde wurde am 7. November 2003 im Beisein von Bürgermeister Harald Semler, dem Niederweidbacher Ortsvorsteher Marco Herrmann und Pfarrer Frank Rudolph eine neue Linde gepflanzt. Die Linde zeigt die enge Verbindung, auch die enge kirchengeschichtliche Verbindung, zwischen den beiden Dörfern.
Literatur
- 802–2002 – Weidbach 1200 Jahre – Ein Heimatbuch, herausgegeben von der Interessengemeinschaft Weidbacher Vereine e.V. im Jahre 2002 zum 1200 jährigen Jubiläum von Niederweidbach und Oberweidbach
- Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Niederweidbach.
- Beierlein, Karl-Bernd: Bericht zur Innenrenovierung der Evangelischen Kirche Niederweidbach, in: Dieter Schwarz (Hg.): 500 Jahre Marienkirche zu Niederweidbach, Wetzlar: Wetzlardruck, 2001, 67-79.
- Bezzenberger, Günter E.Th.; Fischer, Beatus (Hg.): Sehenswerte Kirchen in den Kirchengebieten Hessen und Nassau und Kurhessen-Waldeck, einschließlich der rheinhessischen Kirchenkreise Wetzlar und Braunfels. Kassel/Frankfurt: Evangelischer Presseverband Kurhessen-Waldeck und Evangelischer Presseverband Hessen und Nassau, 1987.
- Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Hessen. Bearbeitet von Magnus Backes. München/Berlin: Deutscher Kunstverlag, 1966.
- Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Hessen. Lahn-Dill-Kreis II. Theiss-Verlag, 2003.
- Dittmann, Andreas: Die Marienkirche zu Niederweidbach. Kirchbau und Kunstschaffen als Instrumente spätmittelalterlicher Politikinteressen im Hessischen Hinterland. In: Interessengemeinschaft Weidbacher Vereine e.V. (Hg.): 802-2002. Weidbach 1200 Jahre. Ein Heimatbuch, Marburg: Druckhaus Marburg, 2002, 61-99.
- Kloos, Hermann: Im Quellgebiet der Aar. Unsere engere Heimat einst und jetzt. I. Band. Niederweidbach 1967.
- Kloos, Hermann: Im Quellgebiet der Aar. Unsere engere Heimat einst und jetzt. II. Band. Niederweidbach 1968.
- Rudolph, Frank: Kleine Jubiläen und Jahrestage 2005. Aus der Gemeindegeschichte der Kirchengemeinde Niederweidbach. In: Miteinander. Gemeindebrief der Evangelischen Kirchengemeinde Niederweidbach, Nr. 41, März bis April 2005, 24-31.
- Rudolph, Frank: Kleine Jubiläen und Jahrestage 2006. Aus der Gemeindegeschichte der Kirchengemeinde Niederweidbach. In: Miteinander. Gemeindebrief der Evangelischen Kirchengemeinde Niederweidbach, Nr. 45, März bis Mai 2006, 23-30.
- Rudolph, Frank: Unser Marienaltar nach der Restaurierung. In: Miteinander. Gemeindebrief der Evangelischen Kirchengemeinde Niederweidbach, Nr. 41, März bis April 2005, 18-23.
- Rudolph, Frank: Art.: Döring, Hans. In: BBKL Bd. 28 (2007), ---- (im Internet unter www.bautz.de)
- Rudolph, Frank: Art.: Philipp von Solms-Lich. In: BBKL Bd. 28 (2007), --- (im Internet unter www.bautz.de)
- Schwarz, Dieter: Die Geschichte der Evang.-Luth. Kirchengemeinde Niederweidbach. In: Interessengemeinschaft Weidbacher Vereine e.V. (Hg.): 802-2002. Weidbach 1200 Jahre. Ein Heimatbuch, Marburg: Druckhaus Marburg, 2002, 36-60.
- Uhlhorn, Friedrich: Geschichte der Grafen von Solms im Mittelalter. Marburg: Universitätsdruckerei Joh. Aug. Koch, 1931.
Einzelnachweise
- ↑ Thea Altaras: Das jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen und: Synagogen in Hessen – Was geschah seit 1945? Teil II. Verlag Karl Robert Langewiesche, Königstein im Taunus 1994.
- ↑ Thea Altaras: Synagogen in Hessen – Was geschah seit 1945?. Verlag Karl Robert Langewiesche, Königstein im Taunus 1988, ISBN 978-3784577906.
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