Nikolaikirche (Heilbronn)

Nikolaikirche (Heilbronn)
Nikolaikirche in Heilbronn
Die Nikolaikirche und die sie umgebende Bebauung, dahinter das Theaterforum K3

Die Nikolaikirche in Heilbronn ist eine im frühgotischen Stil erbaute Kirche des 14. Jahrhunderts. Das in der Sülmerstraße gelegene Gebäude hat in seiner wechselvollen Geschichte bereits als städtisches Zeughaus, französisches Lazarett, württembergisches Waffen-Arsenal und als Turnhalle gedient. Der seit 1851 wieder durchgängig als Kirche genutzte Bau ist 1944 vollständig ausgebrannt, konnte aber nach Kriegsende wiederhergestellt werden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ursprünge

Die Nikolaikirche wurde in einer 1885 verschollenen Ablass-Urkunde des Würzburger Bischofs Albert von 1351 erstmals als Kapelle St. Niklaus erwähnt und vermutlich kurz zuvor erbaut. Ihr Stifter und der Grund für die Platzwahl sind unbekannt. Ebenso unbekannt ist, warum die Kirche dem Heiligen Nikolaus geweiht ist. Die Kirchenpflege übernahm eine St. Jakobsbrüderschaft, die hierfür von Stiftern rund 6 Morgen Land als Pfründe bekam. 1363 wurde ein Katharinenaltar geweiht, 1378 ein Jakobsaltar. Später kamen noch mehrere kleine Altäre hinzu. Ab dem 9. Mai 1383 übernahm der Rat der inzwischen zur Reichsstadt gewachsenen Stadt Heilbronn die Bestellung eines städtischen Priesters in St. Niklaus, indem sie ihn mit großzügigen weiteren Pfründen in Form von 12 Morgen Weinbergen und Äckern ausstattete. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erfolgte der Umbau der Kapelle zur Kirche, wobei vermutlich nichts an der Grundfläche verändert, sondern nur das Gebäude erhöht wurde. Das Westportal zur Sülmerstraße hin stammt vermutlich auch aus dieser Zeit.

Westportal der Nikolaikirche.

Reformation und Kinderkirche

Zur Zeit der Reformation wirkte ein protestantischer Prediger namens Meister Hans in der Kirche, der sich 1524 für die Abnahme und Verbrennung der von ihm als ketzerisch bezeichneten Marienfigur des Heilbronner Karmeliterklosters aussprach, noch im Januar 1525 die Erlaubnis zur Predigt des Evangeliums durch den Rat der Stadt erhielt, im aufkeimenden Bauernkrieg dann jedoch der Stadt verwiesen wurde.

Am 23. Februar 1529 beschloss der Rat, Güter und Einnahmen von St. Niklaus dem städtischen Katharinenspital zu überstellen, dessen Kloster im Bauernkrieg zerstört worden war. Da das Kloster jedoch nicht wieder errichtet wurde, fanden in St. Niklaus vorläufig weiterhin Predigten statt, bis zum Tode von Johann Lachmann 1538/39 vermutlich durch dessen zweiten Prediger in der Kilianskirche, Menrad Molter. St. Niklaus diente als Filialkirche der Kilianskirche anschließend rund 90 Jahre als Kinderkirche.

Zeughaus ab 1622

Im Dreißigjährigen Krieg schaffte die Stadt Heilbronn nach der Schlacht bei Wimpfen (Mai 1622) große Mengen an Munition an, für die Lagerraum benötigt wurde. Der Rat der Stadt beschloss daher am 22. Juli 1622 die Stilllegung der Kirche und die Nutzung des Gebäudes als Zeughaus. Die Kinderkirche wurde in die nahe Hafenmarktkirche verlegt. 1634 und 1644 wurden auf dem benachbarten Kirchhöfle, einem zu dieser Zeit längst stillgelegten Friedhof, nochmals Tote begraben. 1635 sollen täglich 1000 Kanonenkugeln in dem Gebäude von St. Niklaus gegossen worden sein. Am 7. Oktober 1635 vermerkt das Ratsprotokoll erstmals die Bezeichnung St. Nikolai, seitdem wird das Gebäude Nikolaikirche genannt, diente aber zunächst weitere 70 Jahre als Zeughaus.

Kirche 1706–1805

1688 wurde die nahe Hafenmarktkirche durch französische Truppen zerstört. Ein anschließendes reichsweites Spenden-Patent von Kaiser Leopold I. erbrachte bis 1703 lediglich die Mittel zur teilweisen Wiedererrichtung des Turmes, so dass 1706 ein Vorschlag aus der Bevölkerung erging, unterdessen die Nikolaikirche zu renovieren. Am 21. September 1706 wurde die Kirche nach Renovierung wieder geweiht. 1742 wurde am östlichen Ende des Kirchenschiffs ein Glockentürmchen mit einer Glocke aufgesetzt.

Als 1802 württembergische Truppen in Heilbronn einzogen und in den Schulen Quartier bezogen, musste der Schulbetrieb u. a. in die Nikolaikirche ausweichen. 1804 zogen die Schüler wieder aus der Kirche aus, doch bereits 1805 besetzten französische Truppen die Stadt und beschlagnahmten die Kirchen. Die Kilianskirche wurde 1805 zum Gefangenenlager, die Nikolaikirche zum Lazarett.

Mondbrunnen (1997) im Kirchhöfle bei der Nikolaikirche.

Säkulare Nutzung 1806–1851

Während die Kilianskirche 1806 wiederhergestellt wurde, blieb die Nikolaikirche zunächst Lazarett. Das Oberamt stellt im Oktober 1806 fest, dass die Kirche städtisches Eigentum sei und als solches im Dienst des Landes stehe. Im Oktober 1807 wurde das Gebäude der Nikolaikirche vom württembergischen Staat beschlagnahmt und ein Waffen-Arsenal einquartiert. Ein nachträglich wieder zugemauertes Tor in der Langhauswand an der Nordseite der Kirche zeugt noch davon, wie hier die „Kanonen ein und aus gingen“. Um 1813 war die Kirche abermals Lazarett. 1820 kam das Gebäude an die Stadt zurück, die es als Holzlager nutzte und als Gewerbefläche an einen Seiler, einen Kaufmann und einen Instrumentenbauer vermietete. 1844 wurde die um 1805 ausgebaute und seitdem im Heilbronner Gymnasium gelagerte alte Kirchenorgel verkauft. Ab Februar 1849 fand das Gebäude Verwendung als Turnhalle und Kundgebungssaal für zahlreiche Redner. Der damalige Zustand der Kirche wird als „Ärgernis“ bezeichnet, und in der Kirchengemeinde begann man, Geld für eine Renovierung der Nikolaikirche und deren Wiedernutzung als Gotteshaus zu sammeln.

Kirche seit 1851

Das Kircheninnere vor 1899

Am 7. Dezember 1851 wurde das Bauwerk nach gründlicher Renovierung durch Stadtbaumeister Louis de Millas endgültig wieder als Kirche geweiht. Nachdem die alte Glocke 1806 umgegossen und in die Hafenmarktkirche verbracht worden war, wurde nun eine – von der Kilianskirche gespendete – Glocke im Glockentürmchen installiert. 1852 wurde eine Kirchenorgel angeschafft, 1855 eine Gasbeleuchtung installiert. Im Oktober 1867 ließ der Papierfabrikant Schaeuffelen auf eigene Kosten eine Heizung installieren. Das Glockenspiel wurde 1889 auf drei Glocken erweitert.

Von Mai 1899 bis März 1900 wurde die Kirche durch die Architekten Johannes Vollmer und Heinrich Jassoy modernisiert, die im Zuge der Neugliederung der Heilbronner Kirchenbezirke unmittelbar zuvor schon die Friedenskirche errichtet hatten. Bei der Neugliederung wurde St. Nikolai 1900/01 selbstständige Pfarrei mit Trau- und Taufrecht.

Zu den Kirchengemeinderäten zählte zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Heilbronner Oberbürgermeister Paul Göbel, der 1921 beim Besuch eines Gottesdienstes im Gebäude der Nikolaikirche verstarb.

1932 wurde die Kirche abermals renoviert, wobei die Ausmalung des gesamten Innenraums von 1900 bereits wieder übermalt und durch eine neue Ausmalung des Chorbogens ersetzt wurde. Im Zuge dieser Renovierung wurde auch die Kanzel versetzt und eine vom beratenden Prof. Seyffer aus Stuttgart als „Dilettantenarbeit“ bezeichnete Luther-Statue von 1855 entfernt.

Zerstörung 1944 und Wiederaufbau

Die Nikolaikirche wurde beim Luftangriff auf Heilbronn am 4. Dezember 1944 schwer beschädigt. Das Hauptschiff brannte aus und das Dach stürzte ein, aber die Mauern blieben weitgehend intakt. Lediglich der schwer beschädigte Chor musste abgerissen und neu erbaut werden. Die drei Glocken haben den Angriff unbeschadet überdauert. Die Kirche wurde unter Leitung von Heilbronns ehemaligem Bauamtsleiter Hannes Mayer im Jahre 1949 wieder aufgebaut.[1] Mayer und Künstler wie Gerhard Marcks und Wolf-Dieter Kohler entwarfen neue Türen, Fenster, Gewände und Ausstattung in der zurückhaltenden und handwerklich soliden Formensprache des Heimatstils mit einheimischen Materialien wie dem Heilbronner Schilfsandstein. Die zurückhaltenden Stilelemente dieser Ausstattung im Heimatstil ordnen sich den vorhandenen gotischen Formen unter.

Beschreibung

Altar und Chor der Nikolaikirche

Die Nikolaikirche ist ein schlichter rechteckiger, gotischer Bau, der einschiffig mit einem Ostchor ausgestattet ist. Einen Turm hat die Kirche nicht, auf dem First sitzt am östlichen Ende des Schiffes ein Glockentürmchen, das seit 1951 von einem Wetterhahn bekrönt ist. In dem von mächtigen abgetreppten Pfeilern gestützten Chor sitzen sechs hohe, sehr schlanke Maßwerkfenster.

Das doppeltürige Hauptportal der Kirche befindet sich in der Giebelseite im Westen zur Sülmerstraße und ist von zwei auf Konsolen stehenden Statuen flankiert: links ein Bischof (vermutlich Namenspatron St. Nikolaus oder der zum Zeitpunkt des Umbaus zur Kirche im 15. Jahrhundert amtierende Bischof von Würzburg), rechts die Jungfrau Maria. Beide Figuren am Portal sind Kopien, da die ohnehin bereits verwitterten Originale beim Luftangriff auf Heilbronn am 4. Dezember 1944 weiter beschädigt wurden. Die Originalfiguren stehen heute hinter dem Altar an der Chorwand.

Über dem Westportal ist ein großes breites Maßwerkfenster in die Fassade eingesetzt. Beiderseits in den Längsseiten des Schiffes befinden sich gegen die Sülmerstraße noch zwei spitzbogige, aber kleinere Portale. In diesen Seitenwänden sitzen weitere gotische Maßwerkfenster. An die Nordseite ist zwischen den zwei ersten Pfeilern des Chors ein Treppentürmchen angebaut. Südlich ist dem Chor die Sakristei angelehnt. Unter den Fenstern ist um das Bauwerk ein kräftiges Gesims gezogen.

Der Innenraum wurde beim Wiederaufbau 1949 sehr schlicht gehalten. Die Kirche weist keine Wandmalereien mehr auf, den Altar ziert ein schmuckloses Holzkreuz sowie ein einfaches Altar-Kruzifix, welches 1953 von dem norddeutschen Bildhauer Gerhard Marcks geschaffen wurde. Die an der rechten Seite des Chorbogens befindliche Kanzel ist ebenfalls schmucklos ausgeführt.

Die am 2. September 1951 geweihte Orgel befindet sich auf der Empore an der Innenwand über dem Westportal. Sie wurde von der Orgelbauanstalt Friedrich Weigle aus Echterdingen gebaut und 1968 umgebaut und erweitert. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie 33 klingende Register und 2336 Pfeifen. Im Jahre 1991 erfolgte ein erneuter Umbau, indem die Werkstätte für Orgelbau Konrad Mühleisen aus Leonberg eine 64-fache elektronische Setzer-Anlage für die Register einbaute.[2]

I Hauptwerk C–g3
1. Quintade 16'
2. Prinzipal 8'
3. Gemshorn 8'
4. Oktave 4'
5. Gedecktflöte 4' N
6. Feldflöte 2'
7. Nasat 22/3' N
8. Quartan II N
9. Mixtur VI 2'
10. Trompete 8'
II Schwellwerk C–g3
11. Flöte 8'
12. Salizional 8'
13. Prinzipal 4'
14. Nachthorn 4'
15. Blockflöte 2'
16. Spitzquinte 11/3'
17. Sifflöte 1'
18. Mixtur IV-V
19. Dulzian 8'
Tremulant N
III Rückpositiv C–g3
20. Gedeckt 8'
21. Rohrflöte 4'
22. Prinzipal 2'
23. Terzian II
24. Scharffzimbel III
Pedal C–f1
25. Subbass 16'
26. Gedecktbass 8'
27. Oktavbass 8'
28. Choralbass (aus Nr. 27) 4'
29. Flöte 4'
30. Flöte (aus Nr. 29) 2'
31. Hintersatz IV
32. Posaune 16'
33. Trompete (aus Nr. 32) 8'
N = Nachträglich hinzugefügt (1968)


Die Chorfenster, das Fenster über der Orgel sowie das Weihnachtsfenster an der Südwand neben der Kanzel stammen von Wolf-Dieter Kohler. Das Orgelfenster erzählt die Geschichte von den drei Männern im Feuerofen (Buch Daniel 3), die von einem Engel vor den Flammen bewahrt wurden. Dieses Thema wurde auf Wunsch von Heilbronnern gewählt, die den vernichtenden Fliegerangriff vom 4. Dezember 1944 überlebt hatten. Das Weihnachtsfenster ist ein dekoratives Element.

Im Dachreiter befinden sich drei Glocken, die von der Heilbronner Glockengießerei Karl Kiesel Ende des 19. Jahrhunderts gegossen wurden. Diese Glocken haben beide Weltkriege überdauert, da der enge Turm und die komplizierte Aufhängung der Glocken eine Demontage des Dachstuhls erforderlich gemacht hätten. Bei den Glocken handelt es sich, von unten nach oben, um eine F-Glocke (700 kg), eine As-Glocke (425 kg) sowie eine C-Glocke (200 kg). Das Geläut der Glocken ist täglich 19:15 Uhr auch als Mahnung an die Opfer vom 4. Dezember 1944 zu hören.

Gemeinde

Die Nikolaikirchengemeinde umfasst heute etwa 2500 Mitglieder und ist eine der acht Gemeinden der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde Heilbronn. Das Gemeindegebiet umfasst die nördliche Innenstadt. Die Gemeinde unterhält neben der Kirche ein Pfarrbüro, ein Gemeindehaus sowie zwei Kindergärten.

Literatur

  • Wilhelm Steinhilber: Die Nikolaikirche zu Heilbronn. Evang. Dekanatsamt, 1965.

Einzelnachweise

  1. Bernhard Lattner mit Texten von Joachim Hennze: Stille Zeitzeugen. 500 Jahre Heilbronner Architektur. S. 122.
  2. Nähere Informationen zur Orgel der Nikolaikirche auf der Website der Gemeinde

Siehe auch

Weblinks

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