Nordsternhaus

Nordsternhaus
Nordsternhaus, Haupteingang und Westseite

Das 1913 bis 1914 erbaute Nordsternhaus ist das ehemalige Verwaltungsgebäude des Nordstern-Versicherungskonzerns im Berliner Ortsteil Schöneberg. Das Gebäude steht an der Ecke Badensche/Salzburger Straße, nahe dem Rathaus Schöneberg. Genutzt wurde es als Hauptverwaltung der drei Versicherungsgesellschaften des Nordstern-Konzerns: der „Nordstern“ Lebensversicherungs-Gesellschaft, der „Nordstern“ Unfall- und Haftpflicht-Versicherungs-Gesellschaft und der „Nordstern“ Feuerversicherungs-Gesellschaft. Es beherbergt seit den 1950er-Jahren die Berliner Senatsverwaltung für Justiz und steht unter Denkmalschutz.

Entworfen wurde der Stahlbetonskelettbau,[1] der Büroraum für 900 Mitarbeiter bieten sollte, von den Architekten Paul Mebes und Paul Emmerich (Architekturbüro Mebes und Emmerich); die Statik berechnete der Berliner Bauingenieur Otto Leitholf. Das Gebäude steht auf einem dreieckigen Grundstück, zur spitzwinkligen Ecke hin ist die mit Langensalzaer Travertin verkleidete Fassade großzügig abgerundet, sodass ein kleiner Vorplatz entstand, der inoffiziell Nordsternplatz genannt wurde. Zwischen den beiden den Straßen zugewandten Gebäudeflügeln spannen sich zwei ebenfalls gerundete Querriegel, die einen kleinen und einen größeren Hof umfassen. Die vier großen Skulpturen, die ursprünglich die drei Türöffnungen des Haupteingangs an der abgerundeten Ecke flankierten, sind nicht mehr vorhanden.[2] Die Fassade des fünfgeschossigen Gebäudes ist horizontal mit verschiedenen Fensterformen und Brüstungen untergliedert. Im Inneren führt eine ovale Vorhalle zum Haupttreppenhaus mit aufwendig gestalteten schmiedeeisernen Geländern mit Pflanzenornamenten. Das zweite Obergeschoss, das die repräsentativen Räume der Unternehmensleitung beherbergte (darunter den ebenfalls ovalen Aufsichtsrats-Sitzungssaal), war 4,70 m hoch, die anderen Geschosse 4,00 m.

Das Gebäude war mit moderner Bürotechnik ausgestattet. Neben einer von der Berliner Firma Paul Hardegen & Co. ausgeführten, zum damaligen Zeitpunkt in Europa einzigartigen Paket-Rohrpostanlage, mit der bis zu zwei Kilogramm schwere Akten verschickt werden konnten,[3] standen den Mitarbeitern der Nordstern-Versicherungen verschiedene Aktenaufzüge, ein internes Telefonnetz, eine zentral gesteuerte Uhrenanlage und eine Frischluftanlage zur Verfügung. Diese Haustechnik verläuft in den Fluren und ist durch hölzerne Gesimse verborgen. Auch die Inneneinrichtung und Ausstattung der Großraumbüros war größtenteils von Paul Mebes eigens für das Nordsternhaus entworfen worden, ist jedoch heute nicht mehr erhalten. Aber auch andere Künstler waren an der Ausstattung beteiligt, so beispielsweise Bruno Paul, H. Vauk, Karl Rickelt, Hans Krückeberg, Walther Schmarje und Franz Mutzenbecher. Außerdem gehörte zur künstlerischen Ausstattung auch Baukeramik von der Veltener Ofenfabrik AG unter der künstlerischen Leitung von John Martens.

Das Haus erlitt im Zweiten Weltkrieg Schäden, die jedoch bald beseitigt wurden. Da der Versicherung die politische Lage im geteilten Berlin zu unsicher war, zog sie sich aus der Stadt zurück und verkaufte das Haus später an den Berliner Senat.[4] Im Jahr 2006 wurde auf das Nordsternhaus ein Brandanschlag verübt, zu dem sich die Militante Gruppe (mg) bekannt haben soll.[5]

Literatur

  • Paul Westheim: Das Nordstern-Haus in Berlin-Schöneberg. München, Bruckmann 1914. Sonderdruck aus der Zeitschrift Dekorative Kunst
  • Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Industriebauten, Bürohäuser. (Berlin und seine Bauten, Teil IX). Berlin u. a., Ernst & Sohn 1971, ISBN 3-433-00553-2, S. 132f. und 188.
  • Martin Wörner, Doris Mollenschott, Karl-Heinz Hüter: Architekturführer Berlin. Berlin, Dietrich Reimer Verlag 1994 (4. Aufl.), ISBN 3-496-01110-6.
  • Georg Dehio: Berlin. (Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler). Berlin, 2006 (3. Aufl.).

Weblinks

 Commons: Nordsternhaus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Stahlbetonskelettbau laut Berlin und seine Bauten (vgl. Literatur) – Die zeitgenössischen Veröffentlichungen lassen jedoch eher auf einen Massivbau mit gemauerten Wänden, Eisenbeton-Decken und eisernem Dachstuhl schließen.
  2. In dem sonst sehr ins Detail gehenden Aufsatz von Paul Westheim (vgl. Literatur) werden die Figuren und ihr Bildhauer nicht erwähnt, obwohl sie auf den Abbildungen dieser Veröffentlichung deutlich zu erkennen sind.
  3. Axel Mauruszat: Die Paket-Rohrpostanlage der Nordstern-Versicherung in Berlin-Schöneberg. In: Schattenwelt / Mitteilungsblatt des Berliner Unterwelten e. V., Ausgabe 4/2006, S. 44–47
  4. BIM-Newsletter 1/2008
  5. Brandanschlag auf die Justizverwaltung
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